Bereits im Sommer 2019 wurde eine wenig beachtete und folgenreiche Änderung zur Beurteilung von Rad-/Reifenkombinationen an Motorrädern durch das Bundesverkehrsministerium bekanntgegeben

Im Mittelpunkt steht die Frage, ab wann eine von der Eintragung in den Papieren abweichende Reifendimension zum Erlöschen der Betriebserlaubnis (BE) führt. Die bisherige Praxis war eindeutig. Reifenhersteller gaben Reifenempfehlungen oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen für Motorräder eines jeweiligen Typs. Auch bei Eintragung lediglich einer Reifendimension in der Zulassung war das Vorzeigen der entsprechenden Unbedenklichkeitsbescheinigung in einer Kontrolle ausreichend.

Wobei bei älteren Modellen, die letztmalig einen Fahrzeugschein bis 09/2005 ausgestellt bekamen, eine konkrete Hersteller- und Reifentypbindung in den Zulassungspa-pieren vermerkt wurde. Bei Zulassungen ab 09/2005 wurde auf die Reifenfabrikatsbindung verzichtet und auf die BE verwiesen.

Sinn und Zweck dieser Herstellerfreigaben ist die Einhaltung der Fahreigenschaften durch entsprechende Fahrzeug-Reifen-Kombinationen. Im Hinblick auf moderne Maschinen mit Ausrüstung von Assistenz- systemen wird im Besonderen sichergestellt, dass z. B. durch bestimmte Profilgeometrien und Gummimischungen die zugesagten Assistenzeigenschaften erfüllt werden.

Spätestens ab 2025 fällt dieses Vorgehen weg. Bei Verwendung von Reifen mit Herstellungsdatum ab 2020 ist die Änderung, die im Verkehrsblatt 2019, S. 530 veröffentlicht ist, bereits jetzt relevant. Zwar darf jeder Reifen ab Herstellungsdatum 2020, der die Parameter in der Zulassung oder Übereinstimmungserklärung (COC) erfüllt, nun auch ohne Reifenherstellerfreigabe montiert werden, ohne dass die BE zunächst nach § 19 Abs.2 Satz 2 StVZO zu erlöschen droht. Eine Verwendung jeder anderen Reifendimension bedarf nach der neuen Regelung jedoch zwingend einer Abnahme nach § 19 Abs. 3 StVZO.

Konkrete Änderungen

Hintergrund ist eine nunmehr strikte Unterscheidung in zwei Gruppen:

1. Fahrzeuge mit EU-Typengenehmigung (mit COC-Papieren) ohne Veränderung am Originalfahrzeug

2. Fahrzeuge ohne EU-Typengenehmigung oder veränderte Fahrzeuge.

Bei Vorliegen einer EU-Typengenehmigung und somit dem Vorhandensein einer Übereinstimmungsbescheinigung (COC) können nunmehr Rad-Reifen-Kombinationen verwendet werden, die den Voreintragungen entsprechen, vorausgesetzt die Reifen haben eine entsprechende Typengenehmigung nach UN-ECE-Regelung Nr.75 bzw. früher Richtlinie 97/24/EG und entsprechen allen Spezifikationen der Dimension, dem Tragfähigkeits- und Geschwindigkeitsindex. Diese bezeichneten Reifen können auch zukünftig ohne Abnahme montiert werden, solange keine Veränderung am Fahrzeug vorgenommen wurde, wodurch die Eigenschaften der Rad-Reifen-Kombination bzw. ihr Einbau beeinflusst ist.

Werden jedoch abweichende Reifendimensionen verwendet, erlischt die BE, wenn kein Nachweis über die Zulässigkeit der Änderung erbracht wird. Und zwar auch dann, wenn der Hersteller genau für dieses typengenehmigte Bike die Unbedenklichkeitsbescheinigung mitliefert. Dies gilt für Reifen gleicher Bauart und mit E-Prüfzeichen, jedoch anderer Reifendimension, als in den COC-Papieren vorgeschrieben:

Schmaler, als der schmalste aufgeführte zulässige Reifen, oder
• breiter, als der breiteste aufgeführte zulässige Reifen, oder
• einen geringeren Abrollumfang, als der im Umfang kleinste aufgeführte zulässige Reifen, oder
• einen größeren Abrollumfang, als der im Umfang größte aufgeführte zulässige Reifen, oder
• abweichenden Kombinationen, bzw. anderen oben genannten Spezifikationen.

Der Kern der Änderung betrifft jedoch Bikes, die nicht über eine EU-Typengenehmigung und somit nicht über eine Übereinstimmungserklärung verfügen. Davon erfasst sind insbesondere Fahrzeuge aus den USA und nun auch aus England oder eben ältere Bikes mit lediglich nationaler Betriebserlaubnis.

Wann erlischt die Betriebserlaubnis?

Jede Änderung der Bereifung, die nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil I aufgeführt ist, führt bei diesen Motorrädern zum Erlöschen der BE, wenn kein Nachweis über die Zulässigkeit der Änderung gemäß § 19 Abs.3 StVZO vorliegt. Eine Veränderung der Reifendimension ist damit nur noch mit Prüfung und Eintragung zulässig. Auch, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Reifenherstellers vorgewiesen werden kann, reicht diese, ab Herstellerdatum der Reifen 2020, nicht mehr zum Nachweis des Fehlens einer wahrscheinlichen Verkehrsgefährdung aus. Eine Abnahme ist zwingend, will man dem Vorwurf des Erlöschens der BE und dem möglichen Verlust des Versicherungsschutzes vorbeugen.

Wie in Folge der neuen Regelung mit der notwendigen Umstellung von zölligen Reifen auf Zentimeter umgegangen wird, bleibt abzuwarten. Der Vorgabe des Ministeriums folgend, wäre § 19 StVZO mit der Wirkung des Erlöschens der BE anzuwenden, wenn keine gesonderte Abnahme mit Eintragung der neuen Reifen erfolgt. Ob diese Problematik übersehen oder bewusst nicht aufgegriffen wurde, bleibt offen. Inwieweit die minimale Abweichung der Dimensionen nach Umrechnung von Zoll in Zentimeter und der Montage der naheliegensten Reifengröße eine wahrscheinliche Gefährdung von Verkehrsteilnehmern, die zum Erlöschen der BE führen soll, begründen kann, werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen.

Gründliche Recherche tut not!

Vermutet werden darf, dass es sich bei der neu beschlossenen Vorgehensweise um eine Beifangvorschrift für aus dem nicht EU-Land importierte Bikes und ältere Maschinen handelt, die so einmal mehr der Sichtung eines amtlich anerkannten Sachverständigen unterzogen werden können. Die Prüfkompetenz der Sachverständigen wird sich weiterhin auf die Bauteilgenehmigungen bzw. die Unbedenklichkeitszertifikate der Reifenhersteller stützen müssen. Eine zusätzliche Prüfung der Maschine auf Abweichung vom Original und eine Bewertung aller gegebenenfalls veränderten Anbauteile soll eine Qualitätssicherung im Bezug auf die Fahrzeug-Reifen-Kombination darstellen. Eine gründliche Recherche zur möglichen Verwendung bestimmter Rad-Reifen-Kombinationen zum jeweiligen Fahrzeugtyp sollte vor Kauf zwingend erfolgen. Webseiten der Fahrzeug- bzw. Reifenhersteller bieten hier entsprechende Übereinstimmungslisten.

Mit besonderem Blick auf das freie Customizing ist bei Änderung der Rad-Reifenkombination wider der Typengenehmigung darauf hinzuweisen, dass bei Wechsel der Reifenspezifikation eine umfassende Begutachtung nach § 21 StVZO erforderlich werden kann. Das Risiko des Erlöschens der BE und der Ärger mit den Behörden verbleibt bei Halter und Fahrer, die von der festgelegten Bestimmung abweichen. Für die nunmehr verantwortlichen Prüforganisationen wird es, wenn auch finanziell lukrativ, zur Herausforderung. Im Ergebnis ist die Regelung, unter Beachtung der direkten Anwendbarkeit der UN-ECE Nr. 75, konsequent. Ob die Hersteller unter dieser Praxis weiterhin die Kosten für die Prüfung der Kompatiblität der Rad-Reifen-Kombinationen übernehmen, ist allerdings fraglich. Im Falle von Problemen ist eine rechtliche Beratung dringend anzuraten

Romy Kreisel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht bei | Website

Romy Kreisel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht. Seit Juni 2018 analysiert sie für die CUSTOMBIKE präzise Gesetzestexte, klärt in ihrer Kolumne »Recht und Info« Rechtsfragen rund um das Custombike-Thema und macht juristische Formulierungen für den Leser verständlich.