Als Ed Roth Gedenkstätte geht diese Garage in Amerikas Mittlerem Westen glatt durch. Alles hier erinnert an »Big Daddy« …

Kommt ruhig rein – fordert der Hausherr uns in der Eingangstür auf. Er steckt uns die frisch gewaschene Rechte zum Gruß entgegen, riecht nach Lack und Verdünnung. Mark kommt gerade aus der Werkstatt. Hemd und Haare sind noch etwas staubig von vorhergegangenen Schleifarbeiten. Mit schnellen Schritten führt er uns durch einen Seitengang in die Hauptgarage. Hier, in Mound in Minnesota, am Lake Minnetonka, westlich der Twin Cities Minneapolis/St. Paul gelegen, verbringt Sammler Mark Moriarity seine Freizeit mit der Wiederbelebung von klassischen Show-Cars und dem Sammeln von Memorabilien zum Thema Ed »Big Daddy« Roth. Und er hat uns etwas ganz Spezielles zu bieten.

Fast ein Museum

Seine Garage ist mehr als ein Unterstellplatz für seine Fahrzeuge – sie ist fast schon ein kleines Museum. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man – wie wir – vom Hausherrn gezielt von Werkstatt- und Lackierbereich fern gehalten wird. Mark öffnet ein Rolltor, fährt zunächst einen echten Leadsled und dann ein Trike heraus. Sein Trike, das er »Public Nuisance« nennt, hat er – zu Ehren von »Big Daddy« Roth – 2003 mit Harley und Autoteilen und viel Eigenarbeit nach alten Vorlagen aufgebaut.

Zur Sammlung zählen Ed Roth-Artikel aller Art, etwa ein prall gefülltes Farben-Display und Modellbausätze

Als gelernter Werkzeugmacher und Formenbauer bringt er natürlich solide Voraussetzungen für die nötigen Arbeiten mit. Seine Brötchen verdient Mark allerdings seit zwanzig Jahren bei Skyline Displays, einem Hersteller für Messe und Ausstellungszubehör, der weltweit agiert. Sicherlich verschweißte ihn seine berufliche Arbeit auch mit der Welt der Custom Shows. Aber die Liebe zu Show-Fahrzeugen brach erst 1996 über ihn herein. Damals hatte man ihm »Rotar« angeboten. Besser gesagt, das was davon übrig geblieben war. Rotar war eines der zahlreichen Show-Vehikel des legendären Customizers Ed Roth. Irgendwie sah das Teil nach Autoscooter aus, und es war mit zwei 650er Triumph Motoren bestückt.

Mehrere Ed Roth Fahrzeuge

Mark restaurierte das »Big Daddy« Roth Fahrzeug und war infiziert: Einzigartige Show-Fahrzeuge wurden zum Muss für ihn. Hierzulande kennt man die Kreationen von Ed Roth fast nur von den Revell-Modellautos oder Hot Wheels Spielzeugen. In USA hingegen sind auch die Fahrzeuge und Zeichnungen dieser Person Kult. Ist es da verwunderlich, dass Mark alles zu sammeln begann, was irgendwie mit »Big Daddy« Roth zu tun hatte? Außer einer kompletten Fahrzeugsammlung gibt es kaum etwas von oder über Ed Roth, das Mark nicht vorweisen kann: Verkaufsdisplays, gefüllt mit Ed Roths Lacksprühdosen. Filmplakate, Spielzeuge, Totenschädel, Puppen, Modellbausätze …  in seiner Garage gibt es sogar einen selbst geschaffenen Nachbau des sagenhaften »Outlaw«.

Tribute Trike: Sein „Public Nuisance“ hat Mark zu Ehren von „Big Daddy“ Roth gebaut

Den Body dieses Fahrzeugs konnte Mark während einer Restaurierung des Originals abformen. Roth hatte 1959 beim Bau von »Outlaw« zum ersten Mal seine legendäre „Glasfiber über Gips“ Methode für das Formen des Wagenaufbaus angewandt. Um die exzessiven Verchromungsarbeiten finanzieren zu können, musste Ed sein Show-Zirkus-Erstlingswerk »Little Jewel« verkaufen. Sein Outlaw hieß anfangs »Excaliber«, wegen des Schwertes, das als Schaltknüppel dient. Aber die Amis hatten Schwierigkeiten den Namen auszusprechen. Was uns zu einer anderen, jedoch originalen Roth-Kreation führt, die in der hinteren Ecke von Marks Garage parkt.

Mega Cycle

Es ist das Vehikel, weswegen wir eigentlich hierhergekommen waren. Mark zeigt auf das blaue Gerät: Ein Auto mit einer Custom Triumph im Huckepack. »Ursprünglich hieß es ja „Captain Pepi‘s Motorcycle & Zeppelin Repair«, wurde dann jedoch in »Mega Cycle« umgetauft. Die Car-Show Veranstalter hatten Big Daddy gebeten, einen mehr nach Auto klingenden Namen zu nehmen!« streut Mark ein, als er unsere Diskussion wegen des »richtigen« Namens mitkriegt. Er kramt für uns sogar die originale Ausgabe der Zeitschrift »Choppers Magazine« von 1968 hervor, mit »Roth’s bike carrier« auf dem Titelbild um die zu belegen.

Mega Cycle hieß ursprünglich Captain Pepi‘s Motorcycle & Zeppelin Repair. Das originale Showfahzeug besteht aus einem Pick Up Truck und einem Huckepack-Motorrad

»Die ersten Entwürfe kamen von Ed Newton, der da seine XLCH Sportster daraufstellen wollte. Big Daddy Roth fand aber, dass die preisträchtige Triumph von Bob Aquistapase viel besser darauf aussah.« Mark fordert uns auf, mal mit dem Fingerknöchel an den Tank zu klopfen, »Der ist völlig massiv. Sicherlich auch aus Gips«, gibt er zu denken. Selbst der Tankdeckel lässt sich nicht bewegen. »Ohne Funktion…, wie viele Showbikes der damaligen Zeit, bei denen auch schon mal auf Motoren- und Getriebe-Innereien verzichtet wurde«, zerstört Mark unsere Illusionen auf die Funktionalität der Triumph. Okay, deswegen wohl auch der Name »…Motorcycle & Zeppelin Repair«! 

Die Welt ist eine Show

Aber wenigstens das Auto soll sich aus eigener Kraft bewegen lassen. Trotzdem wird Mark es sich verkneifen, den Buick V6 Motor anzuwerfen: Die aufwändige Verchromung der Auspuffanlage würde sich verfärben – die Welt ist eine Show und wir alle tragen unseren Teil dazu bei! »Mega Cycle war zeitweise an einen Schrottplatzbesitzer ausgeliehen, der Ed mit VW Ersatzteilen bezahlte. Als Ed Roth das Fahrzeug abholte, hatten sich die Wachhunde darin eingenistet, den Sitz zerrissen und, und, und… Seitdem wurde Mega Cycle mehrmals restauriert, verkauft, auf Ausstellungen präsentiert und in Museen ausgestellt.

Vom Original abgeformt: Der Show Rod „Outlaw“ entstand als originalgetreue Replik

Wenige Farbaufnahmen von der ersten Version lassen Zweifel aufkommen, dass Mega Cycle ursprünglich so wie hier zu sehen ausgesehen hatte. Aber fast immer war »Big Daddy«, zumindest mit einer Unterschrift oder Pinstripes, bei Neulackierungen involviert. Der nächste Besitzer hat da schon extrem recherchiert. Mega Cycle wird mit einem weinenden Auge an ein Museum verkauft.

Erweiterung der Sammlung

Eilig führt Mark uns durch einen Garagenanbau, der als Montage- und Lackierraum genutzt wird. Es geht die Treppe hoch und – »Bitte Schuhe ausziehen!« – in einen Überbau der quasi zur Erweiterung seiner Sammlung dient: Hier liegt heller Teppichboden. An den Wänden, wie schon im Untergeschoss: Regale, proppenvoll mit Hot Rod Zeitschriften und wiederum Ed Roth Plakate, Zeichnungen, Fotos, Revell Bausätze! Ein knallgelbes Schwinn Fahrrad im Bonanza Look und ein ewiglanger Dragster stehen wie Deco im Raum, unzählige Pokale säumen den Teppichboden entlang den Wänden. »Skat Kittys wurden von 1960 bis 1970 gebaut.

Statt des Triumph Twins sollte zunächst eine Harley-Davidson Sportster auf der Ladefläche stehen. Ed Roth legte sein Veto ein

Mein Exemplar stammt von 1962«, Mark zeigt auf ein Minibike. »Projects Unlimited in Dayton Ohio hatte, nachdem sie vorher einen größeren Roller gebaut hatten, mit dem Skat Kitty eines der kleinsten je in Serie gebauten Minibikes hergestellt.« Immerhin brachte der eingebaute Tecumseh Viertakt-Motor mit 2,5 PS das Rädchen locker auf über 30 Stundenkilometer. Fast 300 Dollar kostete so ein transportables Mini-Vehikel, für das es Spezialhalterungen zur sicheren Befestigung auf Booten, an Wohnmobilen und in Flugzeugen gab. Selbst ein Beiwägelchen zum Transport eingekaufter Waren oder der Golfschläger wurde angeboten. Mark ist erstaunt zu hören, dass wir in Deutschland so gut wie keine Chance haben, an die alten Ed Roth »Chopper Magazines« zu kommen. Kurz entschlossen greift er zu einem Bündel seiner überzähligen Exemplare und schenkt jedem von uns zum Abschied eine Ausgabe.


Ed »Big Daddy« Roth

»Big Daddy« Roth? »Big Daddy« Rat? Hierzulande wird Ed »Big Daddy« Roth nur allzu leicht mit Karl Smith verwechselt, den sie mit »Big Daddy Rat« betitelten. Smith betrieb – genauso wie Roth – einen Handel mit T-Shirts. Und er nutzte eine überdimensionale Ratte (engl. Rat) als Markenzeichen für seine »Ratshole« Bike Shows. Smith gilt als Begründer der Bike Shows in Daytona Beach.

Eduard Roth, um den es sich hier dreht, wurde am 4. März 1932 als Sohn deutschstämmiger Eltern in Beverly Hills, Kalifornien geboren und zunächst deutschsprachig erzogen. Man sagt, dass er erst in der Schule richtig englisch zu sprechen lernte. Von seinem Vater, Tischler von Beruf, hatte Ed die Fähigkeit mit Werkzeugen umzugehen und alles Mögliche aus Holz herzustellen. Nach dem Abschluss der High School belegte er Kurse in Maschinenbau und Design.

Es begann mit Pinstriping

Er ging 1951 zur Air Force. Nach seiner ehrenhaften Entlassung 1955 arbeitete Eduard tagsüber als Designer der Kaufhauskette Sears. An den Abenden allerdings arbeitete er als Pinstriper. Mittlerweile hatte Ed eine Frau, fünf Söhne und mehrere Fahrzeuge, die unterhalten werden mussten. 1958 konnte Ed die Pinstriper Tom Kelly und dessen Großvater »Baron« Crozier als Partner gewinnen. Ihr Shop »Crazy Painters« war nur der Anfang von Roths Karriere.

Das Skat Kitty-Minibike wurde von 1960 bis 1970 in Serie gefertigt. Das Diner-Mobiliar in der Privat-Kollektion fügt sich nahtlos in den Stil ein

Mit Autoteilen vom Schrottplatz wurden am Feierabend eigene Ideen umgesetzt. Seine erste Kreation war »Little Jewel«. Und schnell hatte Ed auch ein neu auf den Markt gekommenes Material für sich entdeckt: Glasfiber. Roth entwarf und schuf zuerst die Karosserieform in Gips und überzog ihn dann mit Glasfasermatten und Kunstharz. Den Gips meißelte er jeweils wieder aus der so entstandenen GfK Hülle, was jedes Modell damals zum Einzelstück machte. Daneben begann er T-Shirts zu verkaufen, auf die er verrückte Motive mit der Airbrush Pistole auf lackiert hatte. Seine »Weirdo-Shirts«, später auch in gedruckter Version, wurden zum Renner.

Kreative Fahrzeuge

Auto Kreationen wie »Excaliber/Outlaw«, »Beatnik Bandit«, »Rotar«, »Mysterion«, »Druid Princess«, »Orbitron«, »Road Agent« und viele mehr, machten aus Ed Roth innerhalb weniger Jahre den »Big Daddy Roth«. Nicht zu vergessen sein T-Shirt Monster »Rat Fink«, das er auch als rollende, fahrbare Skulptur erschuf. Schon Ende der fünfziger Jahre hatte Ed seine »Roth Studios« in Maiwood/Kalifornien gegründet. Roth hatte seine Hände in allem was nach Hot Rods oder Customizing aussah. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre war Eduard der Faszination der Chopper und Trikes verfallen. Mit »Mail Box«, einem Trike mit Crosley-Vierzylindermotor, schuf er seinen rollenden Einstand in diese Materie.

Ed »Big Daddy« Roth

Das »Choppers Magazine« war weltweit das erste Magazin, das sich ausschließlich Choppern und Trikes widmete. Der Herausgeber? Natürlich Ed »Big Daddy« Roth! Mit »Captain Pepi‘s Motorcycle & Zeppelin Repair« von 1967, später in »Mega Cycle« umbenannt, dem Auto mit der aufgeschnallten Triumph, zeigte Roth, dass sein Weg nicht nur in eine Richtung ging. »American Beatle« war das erste Trike, das jemals auf VW Basis entstand. In einer langen Liste seiner geschaffenen Trikes, steht »Asphalt Angel« wohl deswegen ganz oben, weil er 1986 damit die gesamte Strecke von Los Angeles/Kalifornien bis zu den Street Rod Nationals in St. Paul/Minnesota auf eigener Achse fuhr.

Auch Harleys im Fuhrpark

Ed fuhr natürlich immer auch umgebaute Harleys, aber seine Showfahrzeuge mussten stets fette Auto-Motoren aufweisen. Mit »Rubber Ducky« beendete Roth 1995 seine Trike-Reihe, nicht ohne einen fetten Schlussstrich zu ziehen. Rubber Ducky setzte diesmal auf geringes Gewicht. Von einem 600 cm³ Honda Motor angetrieben, hatte das gelbe Trike eine sebsttragende Kevlar Karosserie die, komplett als Benzintank ausgelegt, bis zu 80 Liter Sprit fassen konnte.

Original Ed Roth-Zeichnung

Getrost kann man Roth auch als Erfinder der bedruckten T-Shirts sehen. Vor seiner Zeit waren T-Shirts schlicht einfarbige Unterhemden. »Rat Fink«, die Figur die ihn am bekanntesten machte und zunächst auf seinen Kühlschrank gemalt war, gab es nicht nur auf T-Shirts: Revell produzierte, neben den Bausätzen seiner Show Cars auch den der rollenden grünlichen Ratte, die ursprünglich als Anti-Mickey Mouse gedacht und gezeichnet war.

Ed Roth, der Weirdo

Auch Schallplatten der Band »Mr. Gasser (Ed Roth) and the Weirdos« steuerten ihren Teil zu Ed Roths Berühmtheit bei. Die Botschaft der Band: Anders (weird) zu sein ist in Ordnung! Aber ein »Weirdo« oder »Fink« zu sein, ist absolut cool. Roths Zeichnungen waren bis in die neunziger Jahre in Untergrund Comics und Tattoo-Vorlagen. Roths gezeichnete Kreationen wurden Bestandteile der Arbeiten vieler Kustom Künstler wie beispielsweise Dave Bell. »Big Daddy« Eduard Roth stab 2001 an einem Herzinfarkt.

 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE Magazin

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.