Wenn ein Norton Cafe Racer und eine getunte MZ zusammen ihre Runden drehen, dann ist bewiesen: Gegensätze ziehen sich an …

Gegensätze ziehen sich an. Diese simple Weisheit bewahrheitet sich doch immer wieder. Und sie trifft auch auf Motorrad-Freundschaften zu, wie wir hier erfahren werden. Enno hat einen edlen Norton Cafe Racer, aber er fährt nicht etwa mit anderen Engländer-Treibern, sondern mit Christoph, der auf ostdeutsche Alltagskräder steht und dessen hochtourige und aggressiv knatternde 300 ccm-MZ TS 250 so gar nicht zum Langhubschlag der Britin passen will.

Edle Norton und ostdeutsches Alltagskrad

Als Jazz-Musiker ticken außerdem die Uhren für Enno anders als für Christoph, der als Lehrer arbeitet. Nicht zuletzt besteht ein Altersunterschied von 20 Jahren zwischen den beiden Kumpels. Was sie alles nicht daran hindert, gemeinsam durch Norddeutschland zu kurven. Und bei genauerem Hinsehen sind ihre beiden Bikes gar nicht einmal so unterschiedlich.

Hauptsache Clip Ons: Christoph und Enno pflegen bei ihren Zweirädern höchst unterschiedliche Vorlieben

Beide wurden von ihren Besitzern als sportliche Cafe Racer aufgebaut. Und beim für die Fahrdynamik entscheidenden Leistungsgewicht liegen die Zweitakt 300er und die Langhub 850er dichter beieinander als erwartet. 3,2 bzw. 3,75 Kilo pro PS sind ordentliche Werte für klassische Bikes. »Wegen der Ölfahne muss ich halt immer hinterherfahren«, grinst Christoph. »Nicht jedoch wegen mangelnder Leistung.« Denn dem ETZ-Motor hat er eine aufwändige Kur gegönnt.

Tuning für die Emme

Ein Mahle-Kolben steigert den Hubraum von ehemals 250 ccm auf 300 ccm. Der Sechskanal-Umbau von Lang-Motorenentwicklung ebnet zudem den Weg in für MZ ungeahnte Drehzahlen. Im Zusammenspiel mit einer Vape 12 Volt-Zündung, einem von 30 auf 32 mm aufgebohrten Vergaser (»Original war ein 28er verbaut«) und einem Resonanz-Auspuff leistet das DDR-Krad spritzige 32 PS.

Tacho 140: Bei Vollgas schießt die Nadel der »frisierten« MZ deutlich übers Ziel hinaus

Christoph erleichterte die Kupplung von 3500 Gramm auf 2300 Gramm, er cleante den Rahmen, entfernte den massigen Fußrastenträger und verbaute einen Ducati-Zubehörhöcker, eine 16 Zoll-Borrani-Felge ins Heck und die Telefix-Stummellenker von einer Honda CBX 1000, »die hat tatsächlich den gleichen Standrohrdurchmesser«, schüttelt der 32-jährige den Kopf.

Hilfe von den Schülern

Die typische MZ-Optik wollte Christoph bewusst beibehalten, also blieben Tank, Frontscheinwerfer und Tacho im Serienzustand. »Meine Schüler haben bei der Restauration der MZ fleißig mitgeholfen, man will ja schließlich was Sinnvolles mit ihnen machen.« Christoph lacht: »Jeder Neunjährige aus meiner Klasse erkennt auf der Straße eine MZ sofort.«

Classic Sportsbike de luxe: Die schlanke Linie der Norton betört

Enno hat seinen Norton Commando-Motor im Federbett-Rahmen bereits in dieser Kombination gekauft. Der 850 ccm-Paralleltwin von 1974 hängt wie bei den späten Nortons in der vibrationshemmenden Gummilagerung Isolastic. »Anders als bei der Commando bleibt die Eigenbau-Kastenschwinge jedoch starr«, erklärt Enno, »was schon mal zu gerissenen Streben und schleifender Kette führt.« Das Akront-Vorderrad wird von einer Marzocchi-Telegabel aus einer Laverda 1000 geführt.

Norton mit Uralt-Schutzblech

Hinten sorgt die Trommelbremse aus einer Yamaha TZ-Rennmaschine für erstaunliche Verzögerung. »Das vordere Schutzblech habe ich mir mit 18 gekauft, weil ich es so schön fand. Das hat dann 30 Jahre lang gelegen, bis ich es dann hier angepasst habe.« Bei der Sitzbank kam Enno ein Möbelbauer zu Hilfe. Er baute die schlanke Form aus einem Lüftungsrohr, nach dem der Aluhöcker konstruiert wurde.

Edle Zutaten: Die hintere Trommelbremse sorgte einst für schnelle Rundenzeiten bei einer Yamaha TZ-Rennmaschine

Weil der Berufsmusiker mit seiner Norton gerne und oft auf der Rennstrecke fährt, ging bei einem Sturz der ursprünglich verbaute Alutank in die Grütze. Nun schmückt ein Short Cirquit-Alubehälter den Cafe Racer. »Damit nicht alles aufsetzt, fahr ich das Ding im Hanging Off mit dem Knie am Boden«, freut sich der Motormaniac. Wegen der Rennerei hat Enno außerdem vorn eine taugliche Brembo-Doppelscheibe verbaut.

Irgendwie ein perfektes Paar

Christoph tritt den Kickstarter nur ein einziges Mal, abrupt wird die Szene von ungehobeltem Zweitakt-Hacken bestimmt. Enno trampelt etwas länger, wahrscheinlich wird die Batterie nicht mehr geladen. Gegensätze. Überall. Die beiden knallen zügig stadtauswärts. Und irgendwie passt alles perfekt.

 

Dirk Mangartz