Eine Ducati Hypermotard erhält ein drittes Rad. Wie es dazu kam, erzählen wir euch gern
Die Welt kann so einfach sein. Da gibt es Motorräder, die haben zwei Räder und lassen sich in Schräglage prügeln, und dann sind da noch die Gespanne, die haben drei Räder und quietschen wie Autos um die Ecken. fertig. Oder war da etwa noch was?
Ducati Hypermotard als Zugmaschine
Es ist schon eine Weile her, dass wir Peter Sauer in seiner Werkstatt besuchten. Mittlerweile leider verstorben, war er eine Koryphäe des Gespannbaus, fast vierzig Jahre in dieser Nische des Motorradbaus aktiv. Damals präsentierte er uns dieses rote Ding, das hatte einen Beiwagen und legte sich dennoch in die Kurve. Ein Schwenker-Gespann mit Ducati Hypermotard als Zugmaschine. Versteht sich das andersartige Gerät als ein Mittler zwischen den Welten, irgendwo zwischen drahtigem Protektorenträger und vollbärtigem Winterfahrer im Thermokombi? Oder ist es ganz einfach eine weitere interessante Spielart der motorisierten Fortbewegung?

Fragen wir doch einfach Sven, den Besitzer der Italienerin mit Lastenboot: „Mir doch egal, das Ding geht richtig gut und macht einen höllen Spaß!“ Sven hat Buell, Speed Triple und Ducati gefahren und ist im Frühjahr 2010 auf den Geschmack gekommen. Gemeinsam mit Müller-Gespanne in Brodersby begann er kurze Zeit später mit dem Umbau einer 2007er Hypermotard. Der 42 jährige entscheidet sich für den rund 50 Kilo schweren Dog side-Seitenwagen, der zum Transport von Gepäck oder einem Hund dient, weil sich ein schwereres Boot negativ auf das angestrebte sportliche Fahrverhalten auswirken würde.
Ein ungebremster Seitenwagen wäre lebensgefährlich
Daher wird das Boot auch von einer Grimeca-Integral-Bremse, die mit der vorderen Scheibenbremse der Duc gekoppelt ist, zuverlässig verzögert. Dazu damals Gespannbauer Peter Sauer: „Ein ungebremster Schwenker-Seitenwagen ist lebensgefährlicher Blödsinn. Das gesamte Gefährt zieht dann beim starken Bremsen zur Seite und kann sich quer stellen.“ Weil Sven gerne flott fährt, wünschte er sich eine erweiterte Schräglagenfreiheit nach rechts. Diese erreichte Sauer durch eine mit 1,67 Meter breitere Spurbreite als üblich. So kommen sich Boot und Fahrerbein auch im Extremfall nicht in die Quere.

Sven passte auch das Zugfahrzeug seinen persönlichen Wünschen an. Felgen und Rahmenheck erhielten einen roten Farbüberzug, Crashpads von GSG, Carbon-Tank-Cover, Motordeckel von Speedy Moto, eine Sitzbank von Ducati Performance und Kellermann-Blinker vervollständigen das 84 PS starke Leichtgewicht. Außer den Anschlüssen musste übrigens für den Umbau aufs dritte Rad nichts an der Duc modifiziert werden. „Doch, ich habe die rechten Blinker mit Isolierband abgeklebt“, lacht Sven.
Ducati Hypermotard – Sidecar mit Schnellverschlüssen
Übrigens ist das Beiboot über Bajonett-Schnellverschlüsse aus dem Flugzeugbau mit der Maschine verbunden. Weil der Abbau nur wenige Minuten dauert, im Brief „wahlweise“ eingetragen wurde und sich „die Reifen nicht eckig abfahren“, so Sven, könnte er nun je nach Laune mit oder ohne Boot fahren. Für Sven macht das Fahren mit Anhängsel aber mittlerweile viel mehr Spaß als der Soloritt. Also bleibt der »dogside« einfach immer dran …
CUSTOMBIKE hat das Schwenker-Gefühl ausprobiert. Der rechte Fuß ist bei langsamen Fahrten und beim Anhalten mit dem Gespann – auch beim Heranfahren an Straßenkreuzungen – niemals auf den Boden zu stellen, sondern immer auf das Trittbrett des Seitenwagens“, warnt mich der erste Satz in den Bedienungshinweisen. Peter Sauer hatte mich dringend darum gebeten, den Zettel vor meiner ersten Fahrt mit dem Schwenker gründlich zu lesen. Nun hocke ich also auf der Voxan Scrambler mit Müller Dog side-Seitenwagen und habe Warnungen wie „bei Beschleunigung und Abbremsen muss das Seitenwagenträgheitsmoment durch ein Gegenlenken und durch Schräglage des Motorrads ausgeglichen werden“ verinnerlicht.

Ich klappe den Seitenständer ein (den ein Schwenker genau so benötigt wie ein Solobike), lege den ersten Gang ein und ziehe zaghaft den Gashahn auf. Unwilkürlich lege ich die schlanke 1000er dabei in leichte Schräglage. Beim Anbremsen vor der Kreuzung passiert das Gleiche, nur nach rechts und wieder ganz intuitiv. So geht das also, eigentlich ganz simpel, weil der Ausgleich durch Schräglage nach ein paar gefahrenen Kilometern automatisch erfolgt. Der vordere Seitenwagen-Anschluss liegt höher als der hintere, daher lenkt das Beiboot fröhlich mit. Er habe lange daran experimentiert, hatte mir Peter erklärt, warum ich jetzt so kraftarm lenken kann.
Der Schwenker im Fahrbetrieb
Anders als bei starren Gespannen muss man sich nicht vollständig umgewöhnen. Schwenker reagieren prinzipiell wie Solobikes, verlangen nicht nach großen Lenkeinschlägen und Gewichtsverlagerung. Lediglich bei Schrittgeschwindigkeit dient das rechte Bein als Strebe zwischen Motorrad und Boot. Auch das hat man schnell raus. Meine anfängliche Verkrampfung weicht dem Vertrauen in die gewohnten Reaktionen. Etwas länger dauert das Verinnerlichen der neuen Fahrzeugdimensionen.

Treffend weist die Anleitung darauf hin, dass sich die „Breite je nach Schräglage vergrößert oder verkleinert“. Ich verzichte auf das Schneiden von Kurven und bleibe auf der Linie, die ich auch mit dem Auto fahren würde. Die eigentliche Überraschung meiner Probefahrt ist, wie schnell ich Gefallen am klappbaren dritten Rad gefunden habe. Verdammte Axt: Schwenker fahren macht richtig Spaß. Muss die Probefahrt bereits hier und jetzt zu Ende sein? Da bleibt nur ein Trost: Weil die meisten Solomaschinen für den Anbau des Seitenwagens nicht umgerüstet werden müssen, der Umbau also recht preiswert bleibt, kann ich mir ja vielleicht schon bald meinen eigenen Schwenker gönnen …
Info | sauer-sidecar.de

Brauche ich für meine Duc. Wer baut das?