Motormensch und Fotograf Benjamin Grna begleitete einige unserer USA-Toren und musste erkennen, dass Deutschland eigentlich ganz geil ist

Für jeden, der nur etwas Liebe zum Zweirad in seinem Körper trägt, ist Kalifornien das heilige und gelobte Land. Warum das so ist? Die Jungs da drüben haben 365 Tage im Jahr Sommer und können wohl daher das ganze Jahr an ihren Hockern schrauben – während wir das halbe Jahr damit beschäftigt sind, uns erstmal den Weg in die Garage freizuschippen. Dazu bietet die ach so freie USA ja die komplett unbegrenzten Möglichkeiten, habe ich gehört. Und nicht wenige von uns surfen täglich durch die unzähligen Ami-Blogs und sitzen danach sabbernd vor dem Bildschirm. Aber ist es im Land der Freien wirklich so frei und heilig?

Der Motormensch und seine Motive

Als Fotograf ist man immer auf der Suche nach neuen Kisten und anderen Motiven. Natürlich hat da Amerika deutlich mehr zu bieten. Verrückte Langgabler ohne Vorderbremse in der Wüste sind immer geiler fürs Auge als Kisten mit deutscher Straßenzulassung vor einem Rolltor im örtlichen Industriegebiet. Aber wenn man wie ich schon eine Zeitlang durch die Garagen und Hinterhöfe der Republik getingelt ist und sich im krassen Gegenzug die amerikanischen Schrauberbuden anschaut, werden die Unterschiede relativ schnell deutlich. Wie in Deutschland stehen in den USA jedem Besucher die Werkstatttüren fast immer offen. Wenn man dann mit dicker Fototasche aufschlägt, geht es immer noch etwas leichter. Denn, dass Pressearbeit wichtig ist, hat man hüben wie drüben längst verstanden.

Würdiges mit TÜV

Der typische SoCal-Boy kommt mit einem dicken »How’s going man?« um die Ecke – nach unzähligen Garagen haben wir gelernt, darauf braucht man nicht zu antworten. Interessiert die meisten sowieso nicht, hauptsache, das Bike wird abgelichtet. In Deutschland ist das gänzlich anders. Der typische deutsche Schrauber ist genervt und gestresst, wenn es darum geht, einen seiner Hocker zu fotografieren. Da er ja noch vier andere Bikes fertigmachen muss und so überhaupt keine Zeit hat. Aber spätestens ab dem Moment, wo man sich zu der phänomenalen Lösung für die Bremse äußert oder feststellt, dass auch mit TÜV was Würdiges gebaut werden kann, ist das Eis gebrochen, man kommt ins Gespräch und der Fototermin ist nur noch halb so nervig.

Ben Grna

Und die Freude, wenn das Bike später im Magazin auftaucht umso größer. Beim Ami ist zwar auch alles irgendwie »awesome«, aus vollem Herzen ernstgemeint ist das aber selten. Natürlich müssen wir schauen, was da drüben so abgeht, ist es doch die »Trendmaschine« schlechthin. Egal ob Bagger oder Oldschool, die Anfänge liegen meist hinterm großen Teich und dienen ja zum Teil auch als Inspiration für europäische Bikebauer. Aber oft genug ist dies eine sehr einseitige Betrachtung. Denn die Amerikaner interessiert es umgekehrt bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht wirklich, was in Europa passiert. Was eigentlich verdammt schade ist. Denn durch unsere teilweise total übertriebenen Regelungen kann man halt nicht alles ab- oder dranschrauben und sich drauf hocken und rumbügeln.

Der Motormensch und das täglich Brot

Da braucht es gute Ideen und deutlich mehr handwerkliches Geschick. Gerade bei Shows wie der Born Free wird das mehr als deutlich. Denn nicht alles was gut aussieht, funktioniert auch wirklich. Sicherlich stehen auch auf deutschen Shows Bikes, die definitiv nicht einen Kilometer auf einer öffentlichen Straße hinter sich bringen werden. Da ist aber auch der Anspruch ein anderer. Denn von diesen Showbikes können ja die wenigsten Customizer leben. Für ihr tägliches Brot müssen es Kisten sein, die ein Kunde bezahlen und auch legal fahren darf und kann. Die Amis müssen sich nicht um Abgasnormen oder Geräuschwerte kümmern und haben daher eigentlich viel mehr Zeit für die wichtigen Dinge an ihren Bikes: Design und Fahrtauglichkeit. Aber teilweise sind die Ergebnisse trotzdem so erschre-ckend und lassen einen nach kurzem Blick deutlich erkennen, dass der Stuhl einem nach 200 Meilen auf dem Highway definitiv um die Ohren fliegt oder sich zumindest ein Teil davon in Einzelteilen über die Straße verteilt. Nicht falsch verstehen, natürlich gibt es auch in Amerika würdige Handwerker und Künstler am Eisen. Ohne Frage. Aber manchmal wünscht man sich von der deutschen Schrauberkaste einfach etwas mehr Selbstbewusstsein und Mut, eigene und neue Wege zu gehen.

Schlummernde Handwerkskunst

Klar steht die Kundschaft auf den Ami-Style, aber eben nur so lange, bis ihnen die deutsche Rennleitung erklärt, was geht und was eben nicht. Da schlummert so viel Handwerkskunst in deutschen Werkstätten, die sich nicht hinter amerikanischen Trends verstecken muss. Also raus aus den dunklen Werkstätten, es gibt auch noch mehr Fotolocations in Deutschland als das Industriegebiet im Nachbarort und wenn schon das Bike niemals in die Staaten kommt, einige Fotos schaffen es definitiv über den großen Teich, und die Augen vor unseren geilen Karren können die SoCal-Boys auf Dauer auch nicht verschließen.

Ein Hoch auf deutsche Werkstätten

Meine Fototasche ist übrigens schon wieder gepackt und auch ein Ticket für den nächsten Auftrag in den Staaten habe ich schon gebucht, es gehört einfach dazu und macht ja auch riesen Spaß. Aber eine deutsche Werkstatt, ein handwerklich gut gemachtes Bike mit halbem TÜV-Segen fühlt sich halt doch einfach mehr nach Heimat an. Ganz zu schweigen vom besseren Garagenbier. Daher ein Hoch auf die deutsche Krad-Kultur und das handwerkliche Geschick ihrer Erbauer. Gerne auch mit Reflektor.

Info | Da Guru Photography

 

 

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