Buell im Herzen – Arnd Dickel



Arnd Dickel, einst Brand Manager der Marke Buell gibt uns ein paar höchst persönliche Einblicke

Wir sind infiziert, und das seit Jahren. Infiziert vom V2-Virus. Infiziert vom Schwermetall. Wir, das sind ein paar Siegener Motorradfahrer, die auf Harleys und Buells stehen. Warum unsere Liebe zu den Bikes aus Wisconsin so intensiv ist? Das will ich euch gerne versuchen zu erklären.

Der Erstkontakt mit Buell

15 Jahre lang habe ich im Bike-Business gearbeitet. Fünf Jahre für Detlev Louis und dann zehn Jahre für Harley-Davidson und Buell. Bei Louis kam ich das erste Mal in Kontakt mit der Marke Buell – die X1 war der erste Preis beim großen Katalog-Gewinnspiel und wir Mitarbeiter durften das Teil in der Zentrale bewundern und auch mal probesitzen. Und kurz darauf kann ich dann auch noch den Job des Brand Managers beim Importeur für Deutschland und Österreich ergattern. Was gibt es schöneres für einen Kaufmann, der seit seinem zehnten Lebensjahr begeisterter Motorradfan ist?

»Inzwischen hatte sich auch in Milwaukee rumgesprochen, dass die neuesten Custom-Trends aus Europa kommen.«

Als Marketing-Manager und Mitglied im Product-Development Team Europe von 2000 bis 2010 konnte ich dann beruflich die neuesten Modelle schon lange vor der Präsentation sehen, fahren und testen. Aber was gilt ein Kaufmann im Bike Business, der keine Ahnung vom Schrauben hat? Man wird eher belächelt. Über die Jahre konnte ich aber mein technisches Wissen nach und nach ausbauen. Selbst ran und mitschrauben musste ich auch offiziell dann ganz schnell, denn zumindest die Rohrrahmen-Modelle waren ja leider häufiger mit einem Recall gesegnet.

Ein besonderer Job

Wenn mich jemand fragt, was denn das Besondere an der Arbeit für Buell American Motorcycles und die H-D MotorCompany war, muss ich nicht lange überlegen. Bei beiden Firmen arbeiten Freaks, Infizierte, Motorrad-Verrückte. Nennt es, wie ihr wollt. Ich musste zum Beispiel immer wieder feststellen, was für ein Besessener Erik Buell ist. Sein Credo: Racing first. Da waren die Kollegen bei Harley doch eher, sagen wir mal, »marktorientiert«. Auch wenn Willie G. und sein Team des Styling Departments im Wesentlichen aus Amerikanern bestand, war deren Interesse an den Trends aus Europa nach der Jahrtausendwende immer groß.

Bar & Shield over alles

Denn inzwischen hatte sich auch in Milwaukee rumgesprochen, dass die neuesten Trends im Customizing aus Europa kommen und sich auch in Amerika gut verkaufen lassen. Besonders beeindruckend für mich waren immer die Dealer Conventions in den USA. Dabei reden wir von Messehallen, die so groß sind wie eine der großen Hallen der Kölner Messe zur Intermot, gefüllt mit allem, was das Bar & Shield tragen darf. Wer bis zum Besuch einer der Dealershows noch nicht infiziert war, ist es danach garantiert.

Buell – Eine Marke mit Charakter

Auch die unzähligen Presseveranstaltungen, an denen ich teilnehmen durfte, hatten ihren ganz eigenen Charakter. Nie vergessen werde ich sicherlich die Feier zum 100. der Company und dem 20. von Buell in Hamburg. Während die orange-schwarze Fraktion eine Riesenparty feierte, aus der sich dann die Hamburg Harley Days entwickelten, feierten wir von der Buell-Fraktion in einem Club auf der Reeperbahn unsere eigene Party. Erik war natürlich Stargast, Rainer Schwarz und Craig Jones, die beiden Stuntfahrer performten sogar im Club selbst, so dass uns nach dem Event dort niemand wieder willkommen heißen wollte.

Im Zeichen des Pegasus

Als Highlight hatte ich angeboten, ganz infizierten Buell-Fans, die auf die Marke mit dem Pegasus standen, sich diesen kostenlos tätowieren zu lassen. Dass am 27.07.2003 fast 20 Buell-Fahrer dazu bereit waren, hatte niemand von uns zu glauben gewagt. Da dem Tätowierer die Nadeln und die Lust über Nacht ausgingen, gingen meine Kollegen und ich dann ohne Buell-Logo nach Hause. Aber Jürgen, der mit der gelben X1 aus Siegen, trägt seit dem den Pegasus mit Stolz auf der Haut. Besonders stressig, aber auch unvergesslich wurde das Event dann noch dadurch, dass mein Sohn am Tag darauf das Licht der Welt erblickte.

Kreative Werbung

Auch bei der Werbung durften wir von Buell immer mal etwas verrückter an das Thema herangehen. So mussten wir mangels großer Budgets immer etwas kreativere Ansätze finden. Ein wirklicher Bringer war die Kleinanzeige, die da lautete: »Haben Sie noch Sex oder fahren Sie schon BMW?!« Es dauerte keine vier Wochen, dann sprachen die obersten BMW-Herren uns auf einer IVM-Veranstaltung darauf an. Und eine Polizeistation aus dem hohen Norden bat uns sogar um einen Ausdruck der Kleinanzeige im Posterformat für den Pausenraum. Diesem Wunsch kamen wir natürlich gerne nach.

Der Abschied von Buell

Jetzt fragt sich sicher der eine oder andere Leser, warum man denn einen solchen Traumjob aufgibt? Dass ich 2010 beim Importeur aufgehört habe, hat ganz private Gründe. Denn die große Harley- und Buell-Familie nahm immer mehr Raum in meinem Leben ein, während Sohn und Freundin doch irgendwie zu kurz kamen. Und auch der Spaß am Motorrad wurde immer weniger. Denn wenn ihr mal tag-täglich mit Motorrädern arbeitet, dann schwindet das private Interesse mit der Zeit immer mehr. Nun, mit einigen Jahren Abstand kann ich aber sagen, der V2-Virus hat mich dennoch nicht losgelassen.

Seltene Stücke

Nachdem ich nach dem beruflichen Wechsel meinen Fuhrpark nahezu komplett aufgelöst hatte, musste ich mich zwei Jahre später arg bemühen, doch wieder einige Highlights mein Eigen nennen zu können. Da befanden sich auch dank der Hilfe meiner Siegener Freunde solch seltene Modelle wie eine H-D MT 350 (Enduro-Modell der UK-Army, nur 1.700 Stück gebaut) oder eine der insgesamt 800 gebauten X1 Millenium im optimierten Zustand in der Garage. Heute steht aber der Spaß im Vordergrund, ist so etwas wie eine Therapieform für ältere Herren. Und seit ich das Customizing und Schrauben so entspannt angehe, hab auch ich wieder viel mehr Spaß an den V2 aus Milwaukee und East Troy. Einmal infiziert, bleibt man eben ein Leben lang dabei.

 


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