Eine Designschmiede und ein Motorenspezialist, beide aus der Schweiz, tun sich zusammen und schaffen ihre eigene Vorstellung vom perfekten Cafe Racer auf Basis einer Moto Guzzi V9 Roamer – eine gelungene Rhapsody in Blue.

Eigentlich ist die Moto Guzzi V9 in der »Roamer«-Version ein Bike mit entspannter Cruiser-Konfiguration … eigentlich. Denn unter den Händen von Ulfert Janssens Designstudio »Gannet« und dem Team des Rennmechanikers Stefan Fuhrer wurde aus unaufgeregtem Dolce Vita ein böses Mamma Mia. Ein reiner Racer steht vor uns, auf ein Minimum reduziert, ein bisschen retro und mit feinstem Rennpotpourri bestückt, heiliger Bimbam aber auch.

Der Weg zur perfekten Rennmaschine

Die Arbeitsplätze von Ulfert und Stefan trennen nur knapp hundert Kilometer, eine reibungslose und schnelle Interaktion war jederzeit möglich. Nur ein Grund, warum Gannet Design und Fuhrer Moto den Weg zur perfekten Rennmaschine gemeinsam beschritten. Das Projekt »Rhapsody in Blue« begann mit ein paar losen Skizzen, notwendig, um die Roamer-Proportionen erst mal bildlich in einen vorgeneigten Racerlook zu verwandeln.

Von der biederen Roamer zum waschechten Sprinter: eine Punktlandung

Ulfert erklärt seinen Denkprozess genau: »Zuerst arbeitete ich an der Linienführung und änderte den Rahmenwinkel. Ich räumte die Architektur auf und machte eine große Diät alle unnötigen Teile betreffend. Ich entwarf ein neues starkes Retro-Racing-Heck und eine neue Auspuffanlage als Signatur, die mit einem Schwung an der Seite des Motorrades entlang führt.«

Moto Guzzi V9 – Vom Cruiser zum Racer

Nachdem die Richtung feststeht, erstellt er ein detailliertes Designrendering als Grundlage für den späteren Bauprozess. Das neue Heckteil für die Guzzi modelliert er zunächst aus Hartschaum, um die richtigen Proportionen zu finden. Erst als er zufrieden ist, geht die finale Form als Vorlage an die Metallbearbeitung.

Neben dem markanten Heckumbau fällt vor allem die geschwungene Krümmerführung der selbstgebauten Anlage auf

Das gesamte Heckteil ist aus Aluminium und wurde per Hand von Spezialist Bruno Bertschy geformt und gehämmert. Unterkonstruktion und Rahmen werden auf die erhöhte Position des Hecks angepasst. Der untere Teil des Hauptrahmens wurde neu angefertigt, aufgeräumt und an die neue Rennergonomie der Fußrasten angepasst. Die Rastenanlage ist von CNC Racing.

18-Zoll Kineo-Speichenräder uns Öhlins Blackline-Shocks

Das vordere Schutzblech wurde gekürzt und mit einer neuen Verankerung für die Öhlins-Gabel ausgestattet. Die Racing-Gabelbrücke und der Stummellenker geben das Front-Finish. Das 18-Zoll-Speichenrad wurde von Kineo speziell für den neuen Gabelabstand von 210 Millimetern entwickelt. Das Hinterrad ist ebenfalls ein 18-Zoll-Kineo-Speichenrad mit speziellen Aluminium-Abdeckplatten. Es wird von zwei Öhlins-Blackline-Federbeinen gestützt.

Das Basismodell ist nicht mehr zu erkennen. Der Umbau brachte ein völlig neues Motorrad hervor, das schon im Stand schnell aussieht

»Die Anfertigung sämtlicher Hardware-Bauteile war teilweise sehr komplex, aber immer greifbar, wie zum Beispiel bei der Rahmenkonstruktion oder der Anpassung der Fußrastenanlage und der Anfertigung von diversen Spezialteilen«, erklärt Stefan Fuhrer, der neben dem reinen Bau des Motorrades noch einen kniffligen Part zu bewältigen hatte. Eine der größten Herausforderungen war nämlich der Umbau von Einspritzer auf Vergaser. Neben der Anpassung des Geberrades mussten nämlich auch die Elektronik, Zündung und speziell der Sensor angepasst werden.

Moto Guzzi V9 – Keihin-Vergaser statt Einspritzung

Jetzt atmet der V2 durch zwei Keihins, die »dem Bike den nötigen Schub bei den geplanten Sprintrennen geben und gleichzeitig schön nostalgisch sind«, erklärt Stefan, der zudem die Kupplungsanlage modifizierte. Nun harmoniert sie prima mit dem Guzzi-Schaltsystem. Bevor die Guzzi zum ersten Sprint des Jahres in Monza antreten durfte, verlangte sie aber noch nach passender Farbe.

Schnell geradeaus, so stand es im Lastenheft. Dass das Design dabei nicht zu kurz kommen durfte, ebenfalls. Denn was schnell aussieht, ist es in der Regel auch

Mit einer Mischung aus abgeschrubbelt sowie Hochglanz mit einer dicken Schicht Klarlack lässt Lackierer Walter Oberli die Wahrnehmung zwischen ranzig und Hightech verschwimmen, passend für das Schaf im Wolfspelz. Heck und Details sind außerdem in einer sanften Blauabstufung lackiert, die Zylinderköpfe erhielten in Kombination mit einem Aluminium-Schutzbügel ebenfalls einen blauen Anstrich. Design und Handwerk passen, für den Gannet-Racer kann es damit nur eine Richtung geben: geradeaus!

Info | gannetdesign.com | thal-garage.ch

 

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.