Ein Moto Guzzi Cafe Racer muss nicht zwingend auf einer Le Mans basieren – Die Geschichte einer etwas anderen V7

Hier liegt ja noch ein Höcker in der Ecke, dahinten ein alter Alutank für eine 750er Honda. Und was sind denn das für Tommaselli-Stummellenker? Je mehr Kram in den Regalen verstaubt, desto größer die Chance, für kleines Geld einen abgefahrenen Umbau zusammenstecken zu können.

Ein Teilefundus als Basis

Schon bald reift die Erkenntnis, dass ein bezahlbarer Umbau auch deshalb preiswert werden kann, weil man die komplette Garage voller gebrauchter Ersatzteile hat. In unserem Fall hat sich aus den Basteleien an den CUSTOMBIKE-Projektbikes und anderen Schraubereien ein beträchtlicher Fundus angesammelt, den wir jetzt an einem weiteren Motorrad verbauen können. Selbst die zerschrotete Moto Guzzi V7 Eldorado, die als Basis dienen soll, lagert noch als Teileträger in den eigenen Katakomben. Praktisch, oder?

Ausgelagerte Kontrolle: Weil der Tacho einer Polizei-Guzzi T3 keine internen Kontrolleuchten aufweist, sitzen diese nun im Alugehäuse

Schnell kristallisiert sich ein klassischer Cafe Racer als zukünftiges Projekt heraus. Sein Design soll aber weniger an den britischen Clubman-Stil angelehnt sein, sondern eher an die »Auto Thrill Shows«, die Stunt Shows in den USA der 30er bis 70er Jahre erinnern, bei denen etwa Jack Kochman‘s Hell Drivers, Joie Chitwood‘s Tournament of Thrills und Jimmie Lynch‘s Death Dodgers ihre Autos auf zwei Rädern fuhren oder durch brennende Feuerringe sprangen.

Moto Guzzi mit gekapptem Heck

Zunächst kürzen wir also das Heck des alten Schleifenrahmens und schweißen an den entscheidenden Stellen ein paar Versteifungen ein. Kostet nichts, ist aber sinnig für einen Sportumbau. Gabel, Federlemente, Räder und Trommelbremsen übernehmen wir von dem 1972er Eldorado-Fragment, wohl wissend, dass jene Parts all zu sportlicher Hatz gewisse Grenzen setzen.

Laubsägearbeit: Durch das konsequente Entfernen überflüssigen Materials verliert der Kardan ein paar Pfunde

Aber wir wollen es ja preiswert haben, und außerdem im authentischen Sixties-Style. Den Rumpfmotor einer V7-700 bestücken wir mit einer 850er Kurbelwelle mit 78 mm Hub, Zylindern und Köpfen einer Moto Guzzi Le Mans I und einer erleichterten Schwungscheibe. Dazu gesellen sich fette 36er Dell‘Orto-Vergaser und eine freche Stucchi-Auspuffanlage.

Kardan-Erleichterung

Die aus den 844 ccm resultierenden 72 PS und die Massenkräfte des hoch verdichtenden Aggregats dürften dem kaum verrippten V7-Motorgehäuse schwer zu schaffen machen. Aber das wollen wir erst einmal sehen. Denn zuerst erleichtern wir das Kardangehäuse einer 850 GT durch Entfernen allen überflüssigen Alu-Materials und klemmen die im Regal gefundenen Stummel an die Standrohre.

Retro-Rücklicht und selbstgedrehter Krümmerflansch

Für die gewünschte Optik sind vor allem Tank und Sitzbank entscheidend. Diese hat uns Custom-Painter Ingo Kruse von Kruse-Design in Kamen bereits vor eineinhalb Jahren nach unseren Vorgaben perfekt lackiert (siehe CB 6-09). Geschmückt mit dem Logo der Stunt-Truppe von Jimmie Lynch scheint die Guzzi geradewegs einer Stunt-Show entsprungen zu sein. Nun gut, das 1000 Euro-Limit sprengt die Profi-Lackierung dann doch. Für einen richtig guten Paint Job sind schnell 1500 bis 2000 Euro fällig. Mit dem Rest liegen wir jedoch perfekt im Rahmen. Also, was soll‘s.

Moto Guzzi fast wie bei den Death Dodgers

Auf den Seitenständer gelehnt, scheint ein zahnloser Dare Devil Driver die patinierte Maschine zwischen zwei Vorstellungen achtlos abgestellt zu haben. Bunte Kabel baumeln unter der Sitzbank herum, ein wenig Benzin ist über das Aluminium des Motors gelaufen, die Krümmer knacken noch von den 7000 Umdrehungen beim letzten Sprung. Die V7 sieht aus wie ein geschundenes Arbeitsgerät – fast wie damals, bei den Jimmie Lynch‘s Death Dodgers.

 

Dirk Mangartz