Moto Guzzi 750 Sport Roadster: Jeff Gundlach verkaufte seine Motorradsammlung, um sich einen Traum zu erfüllen: Ein Bike, angetrieben von einem Guzzi-Motor, und alles andere als normal

»Ich nenne es das Superbike von 1967 … das nie gebaut wurde«, erklärt Jeff. Dabei ist seine »Raven« mehr: Ein Prototyp, ein Serienbike, ein Vintage-Racer, ein Lebenstraum – sucht euch einfach aus, was euch gefällt, alles stimmt irgendwie. Jeff Gundlach, der Schöpfer der Raven, stammt aus North Carolina und ist den Motorradrennen verfallen. Ziemlich heftig übrigens, denn er hat über die Jahre eine feine Sammlung an Production-Racern und Rennsemmeln zusammengetragen. Auf Moto Guzzi steht der Amerikaner schon immer, und überlegt irgendwann, sich eine zu bauen. Jeff fertigt damals eine Zeichnung, mit einem querliegenden Mandello-Aggregat, weil er eben keine vorgegebene Motor- und Getriebeeinheit verwenden wollte, sondern lieber was Eigenständiges. »Versteht mich nicht falsch, ich liebe die Form der Guzzi-Motoren, aber für dieses Projekt sollte es ungewöhnlicher sein.«

Moto Guzzi 750 mit Norton-Getriebe

Es bleibt bei der Zeichnung, Jeff verliert sein Projekt aber niemals aus den Augen, sammelt Werkzeuge und lernt, mit ihnen umzugehen. Irgendwann macht er Nägel mit Köpfen und beginnt, seine Motorräder zu verkaufen, bis genug Geld für den Bau eines Prototyps zusammen ist. Es wird ihn alle seine Bikes kosten. Zwei Dinge sind für den Aufbau des Vintage-Racers gesetzt: Der Guzzi-Motor und das Norton-Getriebe. »Für die Norton-Box sprach einiges: Sie ist schön, es gibt noch genügend auf dem Markt, die Kupplung flutscht und ich wollte ursprünglich einen Primärbelt haben«, erklärt Jeff die italienisch-englische Antriebseinheit. Auch, dass der Guzzi-Zweizylinder quer im Federbettrahmen liegt, hat nicht nur optische, sondern durchaus praktische Gründe: »Ich komme einfach leichter an alles ran, kann zum Beispiel die Übersetzung schneller ändern oder eine Hauptdichtung. Das dauert bei einer normalen Guzzi schon mal einen Tag, ich mach das jetzt in ’ner Stunde.«

Alles an der Raven konzentriert sich auf den quer liegenden 750er Guzzi-V2. Jeff Gundlach wollte kein gewöhnliches Bike und entschied sich deshalb für die Drehung des Aggregats

Trotzdem gibt es auch Probleme beim Aufbau. Zum Beispiel dauert es etwas, bis Jeff sich in puncto Lenkkopfwinkel sicher ist. Kumpel Jamie, seines Zeichens AMA Superbike Champion, hilft kräftig beim Tüfteln. Die beiden entscheiden sich schlussendlich für einen Winkel von 25 Grad, der würde das beste Handling bieten, zumal der Motor relativ hoch eingebaut werden soll, um genügend Bodenfreiheit auf der Rennstrecke zu gewährleisten und den Eigenbau-Auspuff unter dem Motor platzieren zu können.
Bevor Jeff ans Eingemachte geht, baut er das komplette Bike maßstabsgetreu aus Holz, weil er so Änderungen einfacher vornehmen kann, als beispielsweise an einer Metallkonstruktion. In den Holzrahmen passt er die Motoreinheit ein und schleift, spachtelt anschließend so lange, bis er einen endgültigen Dummy für den Bau des Rahmens hat. Den finalen Federbettrahmen fertigt Jeff schließlich nach dieser Vorgabe aus Stahlrohr und Aluplatten selbst an.

Moto Guzzi 750 Sport Roadster

Eine weitere Herausforderung ist die Aufhängung des Primärtriebs. Jamie macht den  Vorschlag, ein Rohr zu verschweißen, das dem hinteren Kettenrad genügend Halt gibt. Das Vorhaben wird realisiert und funktioniert reibungslos. Das Frontend für die Raven hat Jeff in seiner Werkstatt noch rumliegen, auch aus Kostengründen greift er auf die Teile einer 350er Honda zurück, zumal das Vorderrad des kleinen Japaners recht leicht ist und so Jeffs Wunsch nach einem abgespeckten Racer entspricht. Immerhin wiegt die Raven etwa 90 Kilo weniger als die Guzzi V7, die den Motor spendete.

Das Norton AMC-Getriebe wanderte komplett auf die linke Seite. Um die Kraft im Zaum zu halten, verschweißte Jeff eine Strebe am hinteren Kettenrad

Den Tank fertigt Jeff selbst, zweigeteilt mit je siebeneinhalb Litern Tankvolumen, die Lackierung des Bikes übernimmt er ebenso eigenhändig, wie auch den Bau der Elektrik, für die er auf Material von Lucas zurückgreift und die er mit einem digitalen Regler versieht. Zur ersten Fahrt tritt die Raven 2011 an, Jeff ist begeistert von Handling und Kraft seiner Maschine. »Sie fährt sich wie ein klassisches Dirt-Bike.«

Erstaunlich Bezahlbar

Für die Zeit nach dem Umbau plante Jeff Größeres. Er wollte fünf Ravens im Jahr bauen, wahlweise mit 750, 850 oder 1000 Kubik, als Ein- oder Zweizylinder, mit alten Dell’Ortos oder neuen Mikunis, je nach Wunsch seiner zukünftigen Kunden, die die Kleinstserie kaufen sollen. Der Prototyp des ersten Raven-Einzylinders, ebenfalls Marke Guzzi, wurde noch fertig werden. Aber dann war Schluss, es kam nichts weiter aus Jeffs Garage. Seine Raven aber beibt ein schöner Clou der Custom-Geschichte.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.