Marcus Walz, kaum einer hat in der Custom-Szene so polarisiert wie er. Erst Harley, dann BMW, erfolgreich seit 35 Jahren – das verdient durchaus Respekt
Wir kennen uns seit weit über zwanzig Jahren und deshalb darf ich zu Marcus »Langer« sagen. Langer ist kurpfälzisch und bedeutet nix weiter. Man könnte auch Apparat sagen oder Kapazität, mit der richtigen kurpfälzischen Aussprache bezeichnet das alles das Gleiche: Einen echten Typen halt.
Marcus Walz, einer der alten Helden der deutschen Szene
Lustig ist übrigens, dass der Marcus auch zu mir manchmal Langer sagt, obwohl ich eindeutig kein Typ und einssechzig groß bin. Find ich total witzig und bin damit beim Thema. Denn mit kaum einem Vertreter der deutschen Custom-Szene habe ich mehr gelacht als mit dem Langen. Dabei wird ihm mit Sicherheit hier und da fehlender Humor nachgesagt, so, wie ihm vieles nachgesagt wird.

Außerdem weiß ich über kaum einen der deutschen Profi-Schrauber mehr. Das liegt zum einen daran, dass ich vor ein paar Jahren seine Autobiographie geschrieben habe, zum anderen daran, dass wir ihn, genau wie viele andere Customizer, über dreißig Jahre lang begleitet haben. Jetzt also das 1000. Motorrad, eine BMW – und dabei weiß jeder, dass eigentlich alles mal anders begonnen hatte.
Lieber Racetrack als Mainstreet
»Die Hardcore-Bikes zähle ich da schon dazu«, erklärt mir Marcus, als ich im Kopf zu rechnen beginne. Vor 32 Jahren hatte der Heidelberger angefangen, professionell Mopeds zu bauen und die Hardcore-Ära war eine wichtige. Für den Customizer Walz genauso wie für das Selbstverständnis der deutschen Profiwerkstätten.

Auch wenn die Person Walz oft polarisiert hat, war ihr Anteil am Erfolg der Custombikes made in Germany genauso unbestritten wie der von Kodlin, Habermann, Thunderbike und Co. Dass Marcus irgendwann keine Lust mehr auf das Hardcore-Stereotyp hatte, ist durchaus nachvollziehbar. Dass es schließlich sportliche BMW-Umbauten werden würden, eine nachvollziehbare Entscheidung, fühlte Marcus sich doch privat immer eher auf der Rennstrecke heimisch als auf Daytonas Main Street.
Heute baut Marcus Wals ausschließlich BMWs
Seit einigen Jahren also entstehen im WalzWerk nun die Schizzo-BMWS, nach einer Art Baukastenprinzip aufgebaute Zweiventil-Boxer in verschiedenen Versionen. Die meisten Bestellungen entfallen aufs Modell Cafe Racer, klar, dass Nummer 1000 diesem Prinzip folgen würde. Dass die Basis-BMW R 100 RS aus dem Jahr 1990 stammt, ist kein Zufall: »Als die gebaut wurde, habe ich gerade mein Business begonnen«, Walz legte schon immer Wert auf solche Details.

Wie jede Schizzo beginnt es auch bei dieser mit einmal komplett ausziehen. Wie der Bayer ihn schuf, steht der Rahmen dann da und wird neu aufbereitet. Alle Schweißnähte einmal nachziehen und sandstrahlen, dann erst ist er würdig. Der Heck-Hilfsrahmen stammt aus dem eigenen Regal, ebenso wie der GT-Sitz, der sich im Design an die Rennsitze alter Ford GT40 anlehnt.
Boxer in Bestform
Auch der Zweiventil-Boxer zeigt sich in Bestform: Der Hubraum wächst zwar nur bescheiden von 980 ccm auf einen vollen Liter, aber dank optimierter Mahle-Kolben, darauf abgestimmter Zylinderköpfe mit größeren Ventilen, Racing-Nockenwelle und erhöhter Kompression gibt’s einen ordentlichen Power-Zuschlag. Dazu eine feingewuchete Kurbelwelle und neue Dell’ Ortos – und schon sind wir bei rund 85 PS Leistung. Auch das Äußere darf exquisit glänzen, wird perlgestrahlt und klarlackiert. Dort, wo normalerweise die Airbox sitzt, verstecken sich nun die meisten Kabel. Die Batterie sitzt unsichtbar unterm Getriebe.

Das Frontend bleibt im Herzen konventionell, wurde aber um fünf Zoll abgesenkt und mit progressiven Federn verstärkt. Die unteren Gabelholme sind neu, kurz und schwarz gepulvert, die geduckte Haltung die Folge. Die Hinterradaufhängung wurde gegen ein »Sidewinder«-Kit ausgetauscht, ein speziell für die BMW-R-Serie spezifisches Setup, das vom niederländischen Suspension Store, dem YSS-Vertriebspartner, entwickelt wurde. Klar auch, woher demnach die Dämpfer stammen. Das komplette Kit wurde an diesem Motorrad überhaupt das erste Mal verbaut, richtig exklusiv also.
Eigene Speichenräder und ziemlich edel
Nummer 1000 rollt auf WalzWerks eigenen 18-Zoll-Speichenrädern mit schwarzen Naben, gebürsteten Felgen und Edelstahlspeichen. Die Firestone-Reifen waren eine ästhetische Wahl, auch eine Lösung mit Continental-RoadAttack-Gummis ist aber möglich. Auch die doppelten vorderen Bremssättel und -scheiben stammen aus dem eigenen Programm und sind an Wunderkind-Bremsleitungen angeschlossen. Im Hinterrad bremst immer noch eine Trommel, aber die WalzWerk-Crew hat den äußeren Rand der Nabe aufgebohrt, um die Kühlung zu optimieren.

Viele feine Teile also, aber etwas ganz anderes steht im Zentrum. Marcus entschied sich beim Spritgefäß für den Tank einer Ikone, der Honda CB 750 F1. Neu tunneln, kürzen und in der Höhe reduzieren, so passt das Ding perfekt. Lackiert in der Porsche-Farbe »Beige-Grau« aus den 60er-Jahren, trägt er Marcus’ Leidenschaft für schnelle, deutsche Autos Rechnung. »So gar nix von Harley«, wollen wir wissen. »Doch«, grinst Marcus, »die Lampenverkleidung kommt von Harley, die war noch immer für vieles gut.« Modifiziert ist sie freilich, beherbergt einen LED-Scheinwerfer und ein Paar winzige Blinker. Dahinter ist der Tacho versteckt. Komplettiert wird das Cockpit von den Clip-Ons, cleanen Hebeln und Tastschaltern.
Edles Understatement
Das ist edles Understatement und ergibt in Summe ein wirklich hübsches Motorrad. Geschmack hatte der Lange schon immer, muss man einfach sagen.
Im Gespräch – Sag mal, Langer …
CB: 1000 Motorräder sind eine Hausnummer. Du weißt aber sicher nicht bei jedem Deiner Bikes wirklich exakt, wann es gebaut wurde, oder?
MW: Doch, eigentlich schon. Seit ich mit den Harleys angefangen habe und eigene Rahmen gebaut habe, war ich beim KBA eingetragener Fahrzeughersteller. Dies erforderte für jedes Fahrzeug eine detaillierte Dokumentation. Dies ist zwar aktuell bei den BMWs nicht mehr notwendig, weil der Hauptrahmen ja weiterverwendet wird und das Fahrzeug somit eine BMW bleibt, aber ich habe diese Art von Fahrzeug-Dokumentation bis heute fortgeführt.
Welches war rückblickend das wichtigste Motorrad, das Du gebaut hast?
Ich denke rein kommerziell war es sicherlich die »Destroyer«. Das war damals, 1998/1999, das erste Motorrad mit dem Drag-Style-Rahmen. Das war für mich und meine damalige Firma Walz Hardcore Cycles der internationale Durchbruch und setzte den Grundstein des daraus resultierenden Erfolgs. Das wichtigste oder emotionalste Motorrad für mich persönlich war aber das -»Biker Build-Off Bike«. Das Bike hat mich durch die gleichnamige Fernsehsendung in den USA auf ein ganz anderes Level gebracht und WHC zu einem enormen Bekanntheitsgrad verholfen. Durch die Tatsache, dass ich als erster Nichtamerikaner diese TV-Show wider Erwarten gewinnen konnte, hatte das Motorrad von Anfang an einen ganz speziellen Stellenwert für mich. Das Motorrad habe ich damals an Google-Gründer Larry Page verkauft.
80 Bikes pro Jahr
Wieviele Umbauten entstehen mittlerweile pro Jahr in Deiner Manufaktur? Und wie exklusiv ist so eine Schizzo, funktionieren die Umbauten ein Stück weit doch nach einem Baukastenprinzip?
Derzeit bauen wir rund 80 Fahrzeuge pro Jahr. Die teilen sich in ungefähr 60 Schizzo und rund 20 BMW R 18 und R nineT auf. Mit 60 Fahrzeugen pro Jahr würde ich eine Schizzo deshalb immer noch als sehr exklusiv bezeichnen. Solche Stückzahlen sind aber nur durch das von Dir angesprochene Baukastenprinzip und eine durchdachte Produktionsstruktur möglich, sowie eine hohe Lagerkapazität an Teilen und Spendermotorrädern. Von letztgenannten beispielsweise haben wir in der Regel immer 60-70 Fahrzeuge lagernd.
Was ich mich schon lange frage: Warum eigentlich ausgerechnet BMW? Du hast viele Berührungspunkte mit italienischen Fabrikaten, bist lange Triumph-Cup gefahren, hast Harleys gebaut und warst KTM-Fan. Am Ende hast Du Dein Glück aber offensichtlich bei den bayerischen Boxern gefunden.
Nach den 20 Jahren Harley und bevor es mit den BMWs losging, habe ich sehr viele Triumphs und Ducatis gebaut. Mit den Triumphs beispielsweise hatte ich damals ein ähnliches Konzept entwickelt wie aktuell mit den Schizzo, da hießen die Bikes »Mojave«. Basis hierfür waren Triumph Bonneville- und Scrambler-Neufahrzeuge. Nachdem Triumph die Produktion der luftgekühlten Bonneville eingestellt hatte, musste ich mich nach Alternativen umschauen und probierte es mal mit einem luftgekühlten BMW Boxer. Ich hatte selten solch eine riesige und positive Resonanz auf ein von mir neu vorgestelltes Motorrad. In relativ kurzer Zeit habe ich dann das Schizzo-Konzept entwickelt und zusammen mit meinen Geschäftspartner Stefan Fiedler marktreif an den Start gebracht.

Gibt es trotzdem aktuelle Motorrad-Modelle, an denen Du Dich gerne mal vergehen würdest?
Das mache ich immer wieder mal gerne. Neben BMW-Neufahrzeugen wie R 18 oder R nineT waren dies in jüngster Vergangenheit zum Beispiel auch eine Indian Scout, eine Indian FTR sowie diverse Ducati- und -Yamaha-Modelle. Aktuell ist es gerade eine neue Royal Enfield 650 Interceptor, die ich mit meiner Tochter als ein Vater-Tochter-Projekt aufbaue. Vielleicht entsteht daraus dann ja eine zweite »Linie« Concept-Bikes …
Welche Marke baut in Deinen Augen aktuell die Motorräder mit dem besten Design?
Ich habe eine kleine Privatsammlung an Motorrädern, ein Großteil davon kommt aus Italien. Eine Ergänzung in der Sammlung war zum Beispiel eine MV Agusta Superveloce »Ago«. Das auf 311 Exemplare und nach nur wenigen Minuten ausverkaufte Bike ist einfach nur zum Niederknien. Dieses Motorrad ein Kunstwerk auf Rädern zu nennen, wäre definitiv ein Understatement.
Marcus Walz und die Missgunst
Du hattest gerade zu Deinen erfolgreichen Dragstyle-Zeiten mit jeder Menge Neid, Häme und Missgunst zu kämpfen. Wie dick ist Dein Fell gerade in Zeiten des Internet, wo ein Shitstorm sehr viel leichter loszutreten ist als früher?
Mit Neid und Missgunst hatte ich eigentlich schon seit Tag Eins meiner Selbstständigkeit zu kämpfen, als ich Walz Hardcore Cycles gründete. Der Erfolg, den ich mit den Motorrädern damals hatte, ging vielen offensichtlich zu schnell. Missgunst und Neid gibt es natürlich heute immer noch, dank Instagram und Facebook vielleicht sogar mehr als damals. Aber nach über 30 Jahren in dieser Szene prallt sowas mittlerweile komplett an mir ab. Im Prinzip amüsiert es mich eher als dass es mich ärgert.
Die Leidenschaft endet nie
Du hast mir mal erzählt, du willst Dich eigentlich mit 40 zur Ruhe setzen. Mittlerweile wird Dein nächster runder Geburtstag der 60. sein … wann endet Deine Lust auf Motorräder?
Hör auf … die 60 sind doch noch ewig entfernt. Ich denke, die Lust und die Leidenschaft an Motorrädern wird bei Menschen wie mir nie enden. Was aber hoffentlich mal enden wird, ist die Mitwirkung im operativen Bereich in der Firma. Meine Tochter ist zwar seit ihrem Studium bei mir angestellt und ist für die Homepage, den Online-Shop und die sozialen Plattformen verantwortlich, sie aber zu meiner Nachfolgerin zu machen, diesem Druck möchte ich sie auf keinen Fall aussetzen. Sie kann machen, worauf sie Lust hat, ich dränge sie zu nichts. Aber mal schaun, vielleicht mach ich’s irgendwann wie damals 2010 mit WHC …
Info | walzwerk-motorcycles.de

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