Zwei Flugstunden von Deutschland entfernt liegt die Insel seeliger Sangriatrinker und fragwürdiger Partytouristen. Blenden wir das aus, finden wir auf Mallorca ein Paradies fürs Motorrad.
Mit Inseln kennt Hugh Birley sich aus. Die, von der er stammt, ist Gerüchten zufolge dauerhaft verregnet und glänzt mit Pubkultur, Minzsoße und der Queen. In seiner Wahlheimat sieht es auf den ersten Blick nicht besser aus. Eimersaufen, besetzte Poolliegen und die Schinkenstraße, Mallorca trägt eine schwere Last. Abstempeln sollte man den schönen Fleck im Mittelmeer trotzdem nicht.
Mallorca – Mit dem Motorrad ein Traum
Wer den Massentourismus links liegen lässt und sich die Mühe macht, Mallorca ernsthaft zu erkunden, wird mit schönem Wetter, wunderbaren Ausblicken und besten Motorradstrecken belohnt. Wer außerdem bei Hugh Birley sein Bike für die Inseltour bucht, der bekommt mehr Kirschen auf den Urlaubskuchen, als er vertragen kann.
In seiner Motorradvermietung Albion Classic Motorcycles warten acht Zweizylinder auf Kundschaft, und die haben es in allen Belangen in sich. Zur Wahl stehen: BSA, Norton, Triumph, BMW, Ducati, Moto Guzzi und als Highlight eine Vincent Rapide C, Baujahr 1953. Letztere lassen Hugh und der deutsche Mechaniker Marcus Weber – der Karlsruher kümmert sich um die Wartung der Klassiker – freilich nicht von jedem fahren.
Mallorca mit dem Motorrad – Kicken bis die Brühe läuft
Vorab, rasende Spinner sind nicht die Klientel von Albion. Wer Traktionskontrollen, ABS, modernste Bremsen und sonstigen aktuellen Standard sucht, ist hier falsch. Wer aber bereit ist, auch mal zu kicken, bis ihm die Suppe läuft, alte Technik liebt, eine Handschaltung zu schätzen weiß und auf seiner Bucket List den Ritt auf einer alten Engländerin zum Cap Formentor stehen hat, der findet bei Albion das Glück – und die pure Entschleunigung. Zeit mitzumischen, im Takt, den Hugh und Marcus vorgeben.
Von Palma de Mallorca sind es mit dem Auto zwanzig Minuten zu den Albion-Jungs. Wer eine Tour bucht, wird auf Wunsch vom Hotel abgeholt und zum Kriegsrat in die heilige Halle gebracht. Bei einem Kaffee werden die Motorräder und die geplante Tour besprochen. Wer zum Ballermann will, kann das gern haben. Wir wollen nicht. Lieber entdecken wir auf den Klassikern die Nordküste der Insel.
Wichtig: Die Tour sollte von Ost nach West gehen
Was im Sommer verstopft ist von Wohnmobilen und Reisebussen, ist von Oktober bis März ein Paradies. Bei angenehmen 21 Grad ballern wir die Küstenstraße von Ost nach West. »So sind wir auf der Außenbahn unterwegs und haben die besseren Ausblicke. Andersherum würden wir auf der Hangseite fahren, da sieht man weniger von der grandiosen Landschaft.« Wir hören ihm mit halbem Ohr zu, schließlich erfordern die Bikes schon fast unsere komplette Konzentration.
Kollege Carlos findet Spaß an der Bonneville, Baujahr 1964, und wird übermütig. Dabei vergisst er sowohl die Trommelbremse unter sich als auch, dass sie auf der linken Seite bedient wird. Gerade so hangelt er sich durch den Kreisverkehr, nochmal gut gegangen. Zum Glück bekommen es unsere Routenführer nicht mit. Später wird Carlos noch die Vincent fahren dürfen, das einzige Motorrad, das nicht jeder Kunde einfach so fahren darf. Dafür braucht es das Vertrauen von Hugh und Marcus.
Motorrad und Mallorca – In einen amtlichen Flow fahren
Der Abstecher zum Cap Formentor ist Pflichtprogramm. Vom nordöstlichsten Zipfel Mallorcas ist bei guter Sicht die Nachbarinsel Menorca zu erspähen. Zwischen Pollença und Sóller kommt der fahrerisch reizvollste Streckenabschnitt. Wer sich hier nicht in einen amtlichen Flow fährt, schafft es nirgends. Die Sackstraße hinunter nach Sa Calobra ist ein Traum.
Wir halten an für ein Picknick im Schatten der Weinreben. Das Leben ist wunderbar – auch in Zeiten von Euro-4 und verstellbaren Fahrmodi. Denn wer hätte gedacht, dass wir ausgerechnet auf einer Partyinsel die Essenz des Motorradfahrens finden?
Trauriges Ende einer guten Geschichte
Am Ende wird’s jetzt aber doch noch traurig. Denn wer nun richtig Lust auf eine Oldtimer-Tour mit Hugh und Marcus bekommen hat, wird womöglich enttäuscht sein: »Ich habe die Geschichte mittlerweile wieder aufgegeben. Es ist einfach zu viel passiert und die Ersatzteilbeschaffung wird ja auch nicht leichter. Die Leute sind nicht mehr gewohnt mit der alten Technik umzugehen und entsprechend hatten wir reichlich Stürze dabei. Das mag ich meinen Bikes nicht mehr antun«, verrät uns Hugh sichtlich geknickt. Jammerschade, aber irgendwie auch verständlich …