Diese Honda CB 750 war unschlagbar preiswert, denn sie hat nichts gekostet – außer einem verdammt langen Abend in der Werkstatt

Bill Dodge war wohl der erste amerikanische Bikebuilder, der Old School-Bikes auf Stollenreifen gestellt und damit einen weltweiten Trend im Customizing losgetreten hat. Unter dem Label Bling’s Cycles schraubt er seit 2005 Maschinen nach seinen eigenen Vorstellungen zusammen. Dabei sind seine Motorräder genau das Gegenteil von Bling-Bling, nämlich »fast, functional, simple and bitchin’«, wie er sie selbst beschreibt.

Coole Bikes für echte Freaks

Zuvor schraubte der gebürtige Kalifornier jahrelang in Long Beach für Jesse James kostspielige West Coast Chopper zusammen, so für 50.000 Dollar aufwärts das Stück. Aber dieses ganze Chrom- und Glitter-Brimborium ging ihm dann irgendwann sowas von auf die Nüsse, dass er sich entschloss, nur noch wirklich coole Bikes für echte Freaks und vergleichsweise kleines Geld auf die Räder zu stellen. Und was der bullige Redneck seither auf die Straße geschickt hat, lässt die Custom-Szene weltweit mit der Zunge schnalzen.

Was nicht passt, wird von Bill Dodge passend gemacht. Was es nicht gibt, wird selbstgedengelt, wie die schnell geschnitzte Sitzplatte

Natürlich gibts ein Bling-Bike nicht für lau, doch einmal machte Bill eine Ausnahme. Nur deshalb können wir euch das billigste aller jemals vorgestellten Low-Budget-Bikes zeigen. Denn da wir Arbeitszeit niemals in unsere Rechnung einbeziehen, kostet diese rostige Honda CB 750 sage und schreibe gar nichts.

Honda CB 750 für »Hollywood«

Das kam so: Eines Tages steht ein Typ in Bills Garage, der sich »Hollywood« nennt. Er habe kein Geld und könne auch kein Bike bei ihm kaufen, aber er sei total in love mit Bills Maschinen und wolle ihm einfach ein bisschen beim Schrauben über die Schulter schauen. Bill willigt ein. Es stellt sich heraus, dass Hollywood ein verdammt guter Kerl ist, der nicht nur für seine Frau und seine kleine Tochter, sondern auch für die drei Söhne seines verstorbenen Bruders sorgt. Kein Wunder, dass da keine Kohle für ein Moped übrig ist.

Wie schön, wenn man einen Amen-Starrrahmen und einen CB 750-Motor in der Ecke liegen hat. Für die meisten von uns käme so ein Bike deutlich teurer

Ein paar Wochen nach dem ersten Zusammentreffen sitzen Bill, Kumpel Lil’ Rock und Hollywood zusammen in der Werkstatt und schütten sich ein paar Büchsen Budweiser in die Kehlen – die Jungs sind Freunde geworden. Und wieder ein paar Wochen später findet Bill bei der Suche nach ein paar Knuckle-Köpfen im dunkelsten Winkel seiner Werkstatt einen alten Starrrahmen. Er beginnt nachzudenken: »Irgendwo muss doch auch noch ein ziemlich verranzter Motor einer Honda CB 750 Four nebst Vergaserbatterie rumliegen?«

Was man so in den Regalen findet

Er findet ihn – unglaublich, in wie vielen Ecken er schon lange nicht mehr rumgestöbert hatte. Und da, ein alter Harley-Tank von einer 125er Hummer. Na sowas, eine spaghettidünne Ceriani-Gabel. Und schau her, da liegen ja noch ein paar patinierte Speichenräder. Fast alles beisammen, für ein Motorrad, das nach alter Tradition nicht mehr braucht, als Rahmen, Motor, Räder und Tank – und keinen TÜV, immerhin sind wir hier in Amerika.

Stollenreifen sind Ehrensache: Kein Bike verlässt die Bling-Werkstatt ohne grobes Profil

Und da Bill Dodge sich zuweilen dem Gutmenschentum zugeneigt fühlt, beschließt er, dem mittellosen Hollywood ein Bike zu bauen, for free natürlich. Zusammen mit Kumpel Lil’ verbringt er einen verdammt langen Tag in seiner Werkstatt, um sich seinen Platz im Himmel zu sichern. Die Sonne lugt gerade ums Eck, um einen neuen Tag in Kentucky einzuläuten, da legen Bill und Lil’ die Schraubenschlüssel aus der Hand und lassen von der Drehbank ab. Es ist geschafft: Die Rigid-Honda läuft, bremst und sieht ergreifend schlicht und geil aus.

Honda CB 750 – gelebte Brotherhood!

Noch am gleichen Tag überreichen die beiden übernächtigten Schrauber dem völlig konsternierten Hollywood sein »neues« Motorrad. Der freut sich ein zweites Loch ins Gesäß – gelebte Brotherhood! Und auch, wenn die Maschine quasi nur aus Schrott besteht und deutlich rattiger daherkommt als die regulären Bling’s-Kreationen, so ist auch dieses No-Budget-Bike stollenbereift und »fast, functional, simple und bitchin’«.

Info | Bling’s Cycles

 

Carsten Heil, hat die typische Zweiradkarriere der 80er-Jahre-Jugend durchgemacht: Kreidler Flory (5,3 PS), 80er-Yamaha DT und mit achtzehn dann die erste 250er Honda. Nach unzähligen Japanern über Moto Guzzi ist er dann schließlich bei Rohrrahmen-Buell gelandet. Seit 1992 mit Fotoapparat und Schreibgerät in Sachen Kradkultur unterwegs.