Niels-Peter Jensen und Anthony Partridge sind unzertrennliche Freunde. Den Fotografen Max Aurelien James trafen sie beim Wheels and Waves in Biarritz und beschlossen, mal ’ne coole Tour zu machen. Im Spätsommer schnappen sie sich drei umgebaute Kreidler und fahren los. Allerdings keine 50er Zweitakter, sondern die mittlerweile nicht mehr produzierten 125er aus Fernost.
Planung ist scheiße. Du sitzt vor deinem Terminkalender wie das Kaninchen vor der Schlange, und alles scheint unmöglich. Nur Spontaneität kann diesen gordischen Zeitknoten durchtrennen. Mit der Tour der drei Jungs ist das so. »Die Sommerferien waren vorbei, die Kinder wieder in der Schule und der Alltag schon wieder sehr präsent. Der Herbst würde bald vor der Tür stehen, die Tage auf dem Bike waren gezählt«, erinnert sich Niels.
Kreidler Tour mit vierzig Kilo schweren Rucksäcken
Das Wetter in Hamburg malt einen strahlenden Spätsommer. Also nimmt er das Telefon in die Hand, ruft bei seinen Buddys durch – und rennt offene Türen ein. Zwei Tage später. Auf den drei Custom-Kreidlers rollt man Richtung Norden. Das ist ihr Plan, mehr nicht. Mit vierzig Kilo schweren Rucksäcken fahren sie von Hamburg über die A1 nach Puttgarden und auf die erste Fähre ins dänische Rödby – und eine andere Welt.
Hupen, Lichthupe, Mittelfinger und gestresste Menschen im Infight – die deutsche Autobahn lässt grüßen – passé. Vor ein paar Jahren schon ist ein alter Mountainbike-Kollege von Niels nach Kopenhagen ausgewandert. Eine ideale erste Anlaufstelle zum Pennen. Außerdem betreibt der Bursche den angesagtesten Burger-Laden der Stadt. »Mit Schlafen war nicht viel, wir stürzten uns direkt ins Nachtleben. Eine Hammer-Stadt.«
»Keine fünf Minuten hat’s gedauert, da wurde uns schon Hilfe angeboten«
Am nächsten Tag stoppt die drei auf dem Weg zu Nicholas von den Wrench Monkeys mitten in Kopenhagen eine Panne. »Keine fünf Minuten hat’s gedauert, da wurde uns schon Hilfe angeboten. Einer brachte sogar Kaffee – und schwärmte von einem coolen Bike-Laden die Straße runter.« Motorious heißt der, Inhaber Kasper freut sich über den Besuch.
»Aus kurz mal hallo sagen wurden vier Stunden mit coolen Leuten, Bierchen, gemeinsamem Mittagessen und ein paar neuen T-Shirts.« Jetzt aber zu Nicholas, der von seinen aktuellen Wrench-Monkey-Projekten und Plänen berichtet. »Zum Schluss haben wir dann noch ein bisschen an unseren Mopeds geschraubt und den Sound optimiert …«
Die Fahrt nach Bàstad ist fast schmerzlich schön
Ein strahlender Tag war das, doch langsam wird es dunkel. In Gronehave, wo die Fähre rüber nach Schweden geht, gibt’s nix zum Pennen, selbst der Campingplatz hat zu. Und so landen sie im Casino – das ist wenigstens warm und bewirtet. »Dem Dresscode da entsprachen wir definitiv nicht. Mit einer Dame an der Rezeption führte ich dann ein sehr nettes Gespräch, und bäääng: Ihr gehörte der Laden.« Und schon hatten sie einen Platz zum Übernachten. »Nix Dolles, aber es war warm und trocken, wir konnten noch einige Drinks nehmen und hatten tolle Gespräche.«
Am nächsten Morgen nehmen sie im Sonnenschein die erste Fähre nach Helsingborg. Und wieder spricht sie einer an mit dem Spruch der Woche: »Ihr seid echt mutig, mit Mopeds um diese Jahreszeit ’ne Tour zu machen.« Der Mann ist offensichtlich aus der Gegend und empfiehlt den Weg nach Bàstad. Das Saint Tropez Schwedens sei das. Und er hat nicht zu viel versprochen. Schon die Fahrt dahin ist fast schmerzlich schön, die Natur kaum zu beschreiben, und die Freunde genießen ihre 125 Kubik in vollen Zügen.
Mit der Kreidler beim Zündapp Club Göteborg
»Hier will man gar nicht rasen und die Augen vor all dieser Schönheit verschließen«, argumentiert Niels pro Achtelliter. In Bàstad herrscht high life, schon Björn Bork hat hier einige Erfolge gefeiert und ausgerechnet heute ist Davis Cup zwischen Holland und Schweden. Die Jungs ziehen sich erst mal an den Strand zurück – und landen in einer wilden Party glücklicher Holländer. Nette Leute, gute Unterhaltung und auch noch unbezahlbare Tipps für die nächste Etappe. Nur die Nacht am Strand, die wird kalt. »Wir haben gefroren wie die Schneider, es war arschkalt.« Und der Sternenhimmel unbeschreiblich.
In Göteborg wird’s komfortabler. Mikael von Caveman Choppers hat in seiner Werkstatt drei Betten aufgebaut. Doch erst steht ’ne klassische Garagenparty an: Drinks, Göteborger Biker, coole Bikes, Psychedelic Rock und Fachsimpelei. Dicker Schädel am nächsten Morgen und ein aufgeregter Mikael. Er hat gerade einen Anruf von seinem Freund Jonas bekommen: Die drei Freunde sind eingeladen, bei der Jubiläumsausfahrt des »Zündapp Club Göteborg« dabei zu sein. Als sie am Treffpunkt einlaufen, hüllen 75 Zweitakter den Ort in blaue Wolken. Einen Tag lang geht es dann durch und um Göteborg herum.
Stundenlang geht’s an der Küste entlang
Endstation ist der Bombus Speedshop von Jonas. Er ist Klubpräsident und Organisator des jährlichen Treffens und gehört zu den Local Custom Heros der Schwedenszene. Für den nächsten Tag haben Mikael und Jonas zusammen eine Tour organisiert. Sie soll zu den talentiertesten und bekanntesten Customizern der Szene führen. Morgens um sieben geht’s los: zu den drei Top-Garagen Göteborgs, zum legendären Motorrad Club die »Mothers«, zur Legende Tommy Larsson von TL Choppers und ganz am Ende noch auf die Fähre – zur Insel Hönö, die dreißig Minuten vor Göteborg im Meer liegt.
Dort treffen sie Pontus Abrahamsson. Er ist Kapitän und fährt täglich zwischen dem Festland und seiner Heimatinsel hin und her. Doch er ist auch ein geniales Handwerkstalent und baut privat Schiffe – und die krassesten Custombikes. Das Team vom Fischrestaurant in Smögen schickt sie am nächsten Tag in Richtung des norwegischen Fredrikstad auf eine Hammerstrecke. Stundenlang geht’s an der Küste entlang, zwischendurch durch die abgefahrensten Waldstücke. Die Straßen in Schweden waren schon sehr besonders, aber Norwegen legt nochmal ’ne Schippe drauf.
Bei sechs Grad wird’s mit Sommerjäckchen schon frisch
Nur knapp hundert Kilometer Autobahn sind es von Fredrikstad nach Oslo. Nicht viel, aber bei knapp sechs Grad können die doch lang werden. »Wir Blödmänner sind ja in Hamburg auch nur mit Jeans, Sneakers und einer Sommerjacke losgefahren.« Aber egal, das Oslos Nachtleben wartet, das wird ihnen schon einheizen. Am nächsten Tag soll es dann auf die Fähre zurück nach Kiel gehen. Zum ersten Mal planen die Buddys was im Voraus: machen eine Jugendherberge in Oslo klar und buchen über Handy drei Fährtickets.
Fünf Kilometer vor Oslo passiert es dann. Zwei Polizeiautos mit laufenden Sirenen in den Rückspiegeln. Die eine Streife ist schon eine Weile hinter ihnen und hat alles versucht, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Jungs aber sind viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf den Bikes möglichst klein zu machen, um Wind und Kälte wenig Angriffsfläche zu bieten. »Erst, als es dann plötzlich zwei waren und die Pressluft anging, merkten wir: Die meinen ja uns!« In Deutschland wären die Cops sicher ausgerastet. Diese zwei jungen Norweger aber begeistern sich für die coolen Mopeds. »Am meisten hat sie der Sound beeindruckt. Lange bevor sie uns sahen, haben sie uns gehört. Als wir dann noch erzählten, dass wir den ganzen Weg aus Hamburg kommen, waren sie endgültig unsere Freunde.« Und so eskortieren die Cops den Kradtrupp bis zur Jugendherberge.
»Einmal was geplant, und das ging natürlich schief«
Sicherheitshalber. »Mit dem Sound«, sagten die beiden, »würden ihre Kollegen sicher nicht so entspannt umgehen.« Heiße Dusche und dann ab ins Nachtleben. Das Katerfrühstück am nächsten Morgen in der Stadt fällt dann etwas zu ausgedehnt aus. Als sie zur Fähre kommen, ist das Gate schon zehn Minuten zu. »Einmal was geplant, und das ging natürlich schief.« Glücklicherweise haben die netten Damen am Schalter Mitleid und buchen Niels und seine Kollegen kostenlos auf die nächste Fähre um – in 24 Stunden. Und nu?
Keine Kohle mehr, und Anthony und Max werden auch noch ihre Anschlussflüge verpassen. Nach dem sie ratlos und möglichst unauffällig ein paar Stunden in einer Hotellobby abgehangen haben (warm und WLAN), kommt es zum Encounter mit dem Hotelmanagement. Das fällt deutlich freundlicher aus als erwartet. Die Bikes vor dem Hotel haben viele Blicke auf sich gezogen und der Manager ist Kreidler-Fan. »Er bat uns sogar, die drei Bikes noch dichter an der Eingangstür des Hotels zu parken. Dafür bekamen wir dann den Schlüssel zur President-Suit. Ungelogen. Deal!« Am nächsten Tag sind die drei pünktlich. »Wir wollten nach Hause, das Wetter war mittlerweile passend zur Jahreszeit grau und nass.«
Das Fazit? Planung ist scheiße!
»Seid ihr die drei Typen, die gestern mit ihren Motorrädern wie bekloppt durch den Hafen gebrettert sind?«, fragt der weibliche Chief of Reception der Fähre streng. »Ja, das waren wir, wir wollten noch irgendwie an Bord kommen.« Drei Jungs mit wehleidigem Hundeblick und ein bisschen Flirten – da weitet sich das gar nicht so harte Frauenherz – und rückt einen Zimmerschlüssel für Deck 12 raus: der Raum viel größer als gebucht und mit Meeresblick. Und der Lauf der Freunde ist noch immer nicht vorbei: Auf dieser Fähre steigt ein Rock-’n’-Roll-Festival, mit zwei Parkdecks voller Hot Rods und Konzerten im 60er-Style. »Und wir mittendrin!« Wollt ihr noch länger planen? Planung ist scheiße.
Das hat nichts mit der echten Marke und den echten Motorrädern der Marke Kreidler zu tun. Diese chinesischen Motorräder gibt es unter ganz vielen Labels. Ehrlicher und besser wäre gewesen: Tour mit chinesischen 125ern!
Oha. Was soll ich sagen, ich hab selbst noch ne echte alte Zweitakt-Florett. Trotzdem gab es nunmal die chinesischen 125er-Kisten die ganz offiziell den Markennamen Kreidler trugen. Was soll daran unehrlich sein, dass wir den Artikel »Kreidler-Tour« nennen? Im Text ist es doch erwähnt. Ist ein Rolls Royce heute kein Rolls Royce mehr, weil er von BMW gebaut wird?
einfach nur cool!
herzliche Gratulation aus CH