Okay, viele Hipster sind schon in die nächste Szene weitergezogen. Aber was Freund Buddel einst zu ihnen zu sagen hatte, sticht immer noch
Es wird endlich Zeit, dass man ihn zur Strecke bringt, den Custombike-Hipster. Was nervt dieses vollbarttragende, als Fake-Rocker im Stil der 70er-Jahre verkleidete Subjekt mit seinem betont modischen Auftreten, seiner Stilversessenheit, seiner Begeisterung für einen Style, den er sich mal eben so aus dem »Book of Biker Lifestye«, Kapitel 69 Vers 13, abgegriffen hat. Bike-Hipster lieben analoge Fotos der Szene aus den 70ern, sie kaufen Platten von angesagten Bands der New Yorker Undergroundszene.
Hipster, Heroin-Chic und Trucker-Caps
Ich will gar nicht wissen, wieviele Laser notwendig sein werden, um die ganzen beschissenen, altschuligen Tattoos zu entfernen, die sich der Hipster vorzugsweise auf Hals und Hände zimmern lässt, während der Rest des dürren Körpers eine bleiche Leinwand bleibt. Zum kultigen Oberchecker bedarf es einer schlanken Silhouette im späten Heroin-Chic der Endsiebziger. Man trägt Trucker-Caps, also Baseball-Mützen, die so hoch sind, dass man sie als Werbefläche vermieten könnte. Diese wird oft durch die Wollmütze ersetzt.
Das Bedürfnis nach flauschigem Umschmeicheltsein
Man behält sie auch in geschlossenen Räumen – sogar im Hochsommer – auf, was einerseits die klimatische Resistenz dieser Spezies deutlich macht, andererseits ihr Bedürfnis nach flauschigem Umschmeicheltsein. Das ist vollkommen schlüssig, weil ihre Begeisterung für vergangene Moden und aussterbende Milieus genau das deutlich macht: Sie wollen zurück in eine Jugend, die sie nie hatten.
Hipster sind viele
Hipster sind viele, aber niemand will einer sein, so wie keiner Lust hat, sich als Tourist oder Spießer zu bezeichnen. Wen habe ich also im Visier? Gibt es diesen Typus nun, oder ist er nur ein Gespenst, das vor allem wegen seiner Fotogenität durch die angesagtesten Bikermedien geistert? Es gibt ihn. Man muss nur ein Wochenende auf einem der hippen Oldschool-Events verbracht haben. Da sieht man sie, junge Männer mit Kastenbrille, ungepflegtem Vollbart und Baumschubserhemd. Das alles ist eigentlich kein Drama.
Warum sollen sich Menschen zwischen dreißig und vierzig nicht in Hosen zwängen, in denen sie aussehen wie John-Boy Walton? Was ist an einer Kastenbrille auszusetzen, die sogar Honecker als extrem empfunden hätte? Und Holzfällerhemden, die halten sicher schön warm. Ich kann zwar verstehen, dass diese Nonkonformismusshow nach 08/15-Rezept besonders Altrockern auf die Nerven fällt, doch sollte man die Angelegenheit auch mit milderem Verständnis für die Schwachheit midlifecrisisorientierter Entwicklungsphasen betrachten können: Wo allzu viel Coolness demonstriert wird, herrscht oft ein starkes Bedürfnis nach Orientierung und Anerkennung.
Wir brauchen den klassischen Pornobalken zurück
Ich bin ziemlich abgehärtet nach mehr als 40 Jahren in der Bikerszene. Aber Skater und Surfer im Style beklauen oder die armen Rocker styletechnisch abzurippen ist ja mal maßlos frech. Nachdem unsere Bikerzene ähnlichen zeitlichen Parametern folgt, wie die klassische Klamottenmode, die alle fünf Jahre den Hippielook wieder neu entdeckt, hoffe ich sehr, dass bald das Comeback des 80er-Jahre-Luden-Chics kommen wird. Denn vieles in den 80er-Jahren war keineswegs das reale Abbild eines Helden. Damals wurden ja auch die Fransenjacken mit Schulterpolstern so populär, die geschnürte Lederjeans wird hoffentlich ebenso ein Comeback erfahren wie der klassische Pornobalken oder der gern genommene Hunnenbart unter der Nase.
Natürlich ist dies auch ein Kompliment
Natürlich ist auch diese Kolumne, wie so oft bei Feindseligkeiten, ein Kompliment, und wenn die Biker-Hipster eine wirkliche Bewegung wären, dann könnten sie sich kollektiv darüber freuen, dass man sie im Leitmagazin der kreativen Motorradintelligenz kritisiert. Also surfen sie weiter durchs Netz auf der Suche nach neuen Trends, nach weiteren Versatzstücken des Vergangenen. Nach Reminiszenzen an eine gefühlt gute alte Zeit, die sich schick kombinieren lassen mit dem neuesten Gadget von Apple.
Instagram und Facebook voraus
Vielleicht ist es das, was uns so anstrengt beim Anblick des retro angehauchten Neorockers: Dass er vorführt, was es bedeutet, unter heutigen Bedingungen modern und kreativ zu sein. Immer unterwegs im Web, vernetzt durch Instagram und Facebook, einem Nicht-Ort, dessen biketechnische Hipness sich in permanenter Bewegung befindet. Dann hat diese atemlose Nostalgie fast etwas Rührendes. Denn im echten Draußen weht ein kalter Wind. Aber weil des Hipsters Draußen ein virtuelles Drinnen ist, wird der das vermutlich nie erfahren.
Abschließend muss ich noch einen Satz aus der aktuellen arabischen Revolution loswerden, der von den Damen dieser Revolution gerne verwendet wird: »Grow a brain instead of your beards«.