Nicht viel dran und doch alles, was man braucht. Dazu ein Design wie aus einem Guss. Der Chopper von Counter Balance Cycles auf Basis einer Triumph TR6 ist ein Custombike wie aus dem Bilderbuch.

Vor etwas mehr als 50 Jahren sahen sich die Amerikaner einer Motorrad-Invasion gegenüber. Und die kam nicht aus dem eigenen Land. Man muss sich das mal vorstellen: Da waren diese Amis gerade noch auf dem Mond gelandet und dann zeigt ihnen motorradmäßig das alte Europa, wo der Frosch die Locken hat. Eine Insel auch noch. 

Triumph auf der Leinwand – Mit Eastwood, McQueen und Brando

Genau dort nämlich hatte Triumph einen quirligen, kleinen Paralleltwin vom Band geworfen. Und den hatten alle so dermaßen lieb, dass er die Briten zum erfolgreichsten Motorradhersteller der Welt machte – kurzzeitig zwar, aber immerhin. Spätestens als die schönen Engländerinnen auf die Filmleinwände fuhren, getrieben von Clint Eastwood, Steve McQueen oder Marlon Brando, und Ende der Sechsziger gleich dreimal hintereinander die amerikanische AMA Grand National Championship gewinnen konnten, war der Kultstatus geboren und sollte nie mehr ganz verschwinden. 

Zwar mangelt es so einer Triumph an Hubraum, die Leistung ist aber ähnlich zu vergleichbaren Harleys à la Ironhead

Selbst heute, wo alles anders und nicht unbedingt schöner ist, haben sich die alten Zweizylinder ihren Platz gesichert und werden gerade in den USA immer noch häufig umgebaut. Nun sind Zweizylinder im Starrrahmen im Prinzip ein über einhundert Jahre altes Thema, verloren haben sie von ihrer Faszination allerdings nichts. Findet auch Weston »Wes« Boege, seines Zeichens eine Art Sitzbank-Koryphäe aus Rhode Island.

Ein cooler Typ – nicht nur an der Nähmaschine

Wes ist ein cooler Typ, nicht nur so allgemein, sondern im Besonderen an seiner Nähmaschine. Polstern als Lebensaufgabe, warum nicht? Und weil eine schöne Sitzbank am besten auf einem schönen Motorrad wirkt, ist Wes ein bisschen fremdgegangen und hat als Drumherum für die schwarze, schlanke King-and-Queen-Sitzbank mal eben ein Bike gebaut. Teufelskerl. 

Für den alten Motor gab’s einen Mikuni als Aufwertung

»Counter Balance« heißt seine Firma, übersetzt: Gegengewicht. Zu was denn? »Customizing ist immer ein Gegengewicht«, erklärt uns Wes, »in dem Moment, wo du individuell bist, bist du anders als die meisten um dich herum.« Vielleicht auch ein Grund, warum er eine Triumph als Vorzeigeobjekt wählte, denn Harleys, das machen in Amerikas Umbauszene die meisten anderen ja schon. 

Triumph TR6 – Charakterstarker Rüttler

Abgesehen davon ist auch so ein Unit-Twin ein charakterstarker Rüttler, der sich in Sachen Unterhaltungswert nicht hinter einem V2 verstecken muss. Im Vergleich zu einer Ironhead-Sportster mangelt es der Triumph zwar an Hubraum, die Leistung ist aber ähnlich und wird halt eher über die Drehzahl generiert. Aber auch der Brit-Twin hat einen markanten Langhubschlag, der bestens zum lässigen Rigid-Feeling eines Choppers passt.

In die King-and-Queen-Sitzbank passt wahlweise ein bisschen Werkzeug oder eine kleine Flasche Hochprozentiges

Und weil Weston zwar gut nähen, aber nur begrenzt gut schrauben kann, kommt ihm ein Chopper eben sehr entgegen. Denn schon Captain America wusste: Ein Chopper ist die Quintessenz eines Motorrades, bestehend aus Motor, Rahmen, Rädern und der Kunst des Weglassens statt dranzuschrauben. 

Triumph TR6 mit starrem Bolt-on-Heckteil

Nur ein Goodie gönnt er sich, das starre Heckteil ist Bolt-On-Ware aus dem Zubehör. Räder samt Trommelbremsen, Gabel, Elektrik – das alles bleibt original. Der Motor bekommt eine Komplettüberholung, für den Auspuff gibt’s hübsche Trumpets. Der schmale Fender kommt von Lowbrow, der Tank von Cycle Standard. Der Lenker ist selbst geschnitzt, Riser braucht es nicht. Armaturen schon dreimal nicht – it’s a Chopper, Baby.

Immer noch sexy: In Charakterbikes wie die britischen Paralleltwin-Schlegel passen die antiquierten Anker einfach am besten und sind ebenso wie Räder und Gabel weitgehend original

Die Sitzbank, wir sagten es bereits, ist Wes‘ eigenes Werk, sie sorgt zusammen mit der Sissybar für das betörend sauber Backend der Triumph. Dazu die schlichte Lackierung in Schwarz mit goldenen Scallops – ein Klassiker. Lang ist die Teileliste an Wes‘ Motorrad am Ende nicht, seine Leistung schmälert das aber nicht. Denn auch den Blick aufs Gesamte nicht zu verlieren, gehört im Customizing dazu. Und das ist in diesem Fall perfekt gelungen.

Info | counterbalancecycles.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.