Die Kawasaki VN 800 von Dirk Röver ist schon ein Klassiker der Umbauszene. Selten bekamen wir zu einem Motorrad mehr Resonanz

Ich erinnere mich gut, wie ich mit meinem Redakteurskollegen seinerzeit über die gerade fertig gestellte Bikeshow auf der Custombike-Show in Bad Salzuflen stromerte. »Schöne Harley«, entfuhr es mir, als wir an einem grauen Bobber vorbeischlenderten. »Nix Harley«, meinte der Kollege und ich schaute genauer hin. Ich hatte mich von Peanut-Tank und Springergabel derart blenden lassen, dass ich gar nicht auf den Antrieb geachtet hatte.

Keine bessere Nicht-Harley

Und ich war erstaunt, als ich einen Kawa-Mittelklasse-Cruiser identifizierte. Eine bessere Nicht-Harley kam uns danach nicht mehr vor die Füße. Es war folglich keine schwere Entscheidung, den Bobber damals zum »Best Metric«-Bike unserer Show zu küren, »was mich sehr gefreut hat«, wie uns Erbauer Dirk Röver später erzählte.

Der Minitacho klebt seitlich neben dem Kühler

Dirk war uns nicht ganz unbekannt, wir hatten seine Garage – ein riesiges Sammelsurium aus Motorrädern, Autos und halbfertigen Fahrzeugbaustellen – nämlich schon mal in unserem Magazin präsentiert. Doch mit seiner Kawa setzte er seinem Treiben die vorläufige Krone auf. Dabei beginnt die Geschichte des Aufbaus ziemlich unspektakulär mit einem Unfallmotorrad, das in Dirks Garage landet.

Kawasaki VN 800 – aber bitte mit Springergabel

Mit Japan-Eisen kennt sich der Norddeutsche aus, und so wird er auch für den unbeschädigten Zweizylinder der Kawasaki VN 800 Verwendung finden. Zumal er schon lange darüber nachdenkt, wie so ein Japaner wohl mit einer klassischen Springergabel aussehen würde. Schnell ist klar, dass die gewünschte W&W-Gabel nicht an den Unfallrahmen passt, da die unteren Rahmenzüge zu breit sind. Aber Dirk gibt nicht so schnell auf und beginnt zu recherchieren.

Die schmale Vance&Hines-Tüte sorgt für Musik

Besonders interessiert ihn dabei die Bauweise des Rahmens einer VN Drifter. Deren Lenkkopf ist aufgrund des ausladenden Fenders des Originals ein ganzes Stück weiter nach vorne gestreckt und bildet quasi einen Mini-Gooseneck. »So würde die Gabel vermutlich nicht an die unteren Rahmenzüge stoßen«, rechnet Dirk sich aus.

Original Drifter-Rahmen

Er geht das Risiko ein und ersteht einen original Drifter-Rahmen. Alle Vermutungen waren korrekt, die Gabel passt extrem willig an den Rahmen, Dirk ist entzückt. »Arbeiten wie das Anpassen der Lenkkopflager, das Entfernen des Lenkschlosses und das Aufschweißen der Anschläge am Rahmen muss man natürlich in Kauf nehmen», erklärt er, »aber abgesehen davon war es schon erstaunlich, wie gut das passte.« Obwohl die Sache mit der Gabel eigentlich nur ein Versuch sein sollte, ist Dirk nun Feuer und Flamme, das Bike komplett aufzubauen.

Dieses hübsche Heck könnte auch von einem Bobber aus den 50er-Jahren stammen. Die Kawa aber ist Baujahr 1996

Zunächst schneidet er alles Unnötige vom Rahmen weg und lässt ihn sandstrahlen, und er kämpft mit japanischer Handwerkskunst: »Ich habe ehrlich noch nie beschissenere Schweißnähte gesehen. Durchtropfungen, Poren, Spritzer, teils stand sogar der Draht noch raus … ganz furchtbar«, erzählt er. Die Arbeit am Rahmen wird zum Hauptakt des Umbaus. Dirk setzt Bohrungen für die Verlegung der Kabel, schweißt Kabelkanäle ein und den Sitzhalter auf.

Die Springer passt nach einigen Modifikationen

Den Zündspulenhalter schneidet er ab und setzt ein neues Abstützrohr ein. Alle originalen Schweißnähte werden runtergeflext, nachgeschweißt und neu verspachtelt, alle unnötigen Bohrungen zugebraten und ebenso verspachtelt. Danach erhält der Rahmen eine Lackierung in Betongrau und Dirk macht sich an sein Schmuckstück, die Gabel. Der hintere Gabelteil kommt von einer W&W 2“ over inline, eigentlich konstruiert für Knuckle oder Pan. Die Gabel passt nach einigen Modifikationen wunderbar, Dirk ist zufrieden.

Gefedert: Mehr Komfort, als dieser kleine Ledersattel bietet, muss nun wirklich nicht sein

Die Hinterradfelge punziert Dirk persönlich, dafür baut er extra eine Apparatur. Dazu wird das 5,5 x 16 Zoll-Rad gebohrt, lackiert und eingespeicht. Auch die Behr-Vorderrad-Felge versieht er eigenhändig mit 40 schwarz gepulverten Speichen. Die komplette Elektrik zieht der Uelzener durch Rahmen und Lenker, der Motor wird lackiert und eingebaut, die Federbeinstreben werden für eine hintere Tieferlegung verlängert.

Kawasaki VN 800 – ein preisverdächtiges Motorrad

Das Hinterrad wird zentriert, Reifen draufgezogen und der Tanktunnel geweitet, eine Sicke auf den Mustang-Tank aufgeschweißt. Den Lenker baut Dirk selbst, ebenso den neuen Zündspulenhalter. Tank, Gabel und Spulenhalter werden lackiert, fertig für die Show. Nur zwei Monate Bauzeit hat Dirk in seine VN investiert und »nicht mal sehr viel Geld«, wie er zugibt. Letztlich nicht entscheidend, sondern preisverdächtig.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.