Die großen Kawasaki Zweitakter gelten als unberechenbare Raubeine. TGS hat eine 500 H1 Mach III und eine 750 H2 Mach IV gezähmt. Obwohl, zahm?

Mad Max ist schuld! Als Tobias 1982 den ersten Teil des Endzeit-Streifens gesehen hatte, stand für ihn fest, dass er irgendwann auch einmal eine dieser fiesen Zweitakt-Kawasakis haben musste. Dummerweise war der Niederbayer zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig. Also baute er seine Zündapp im Stil der Kawa Mach III um und legte den Traum vom eigenen Dreizylinder im Hinterkopf ab.

Erst Harley-Customs, dann Kawasaki

Ab dem 18. Lebensjahr fuhr Tobias dann erst einmal GSX-R, arbeitete als Motorradmechaniker und gründete 1998 seine eigene Firma TGS, die diverse internationale Preise mit spektakulären Custombikes abräumte. Und noch immer war von einer 70er-Jahre-Kawa nichts zu sehen. »Vor einigen Jahren hielt ich es dann nicht mehr aus«, lacht Tobias. Er erwarb eine 500 H1 Mach III, den legendären 500 ccm-Dreizylinder-Zweitakter mit der berüchtigt spitzen Leistungscharakteristik.

Bremsen und Fahrwerk der optimierten Kawasakis sind jetzt top – wenn man es nicht wüsste, dann würde man meinen, auf aktuellen Maschinen zu fahren. Ob Handling, Wechselkurven oder bei Topspeed: Die Zweitakter ziehen unbeirrt ihre Bahn. Die Motoren jedoch unterscheiden sich gewaltig von handzahmen, modernen Viertaktern. Das Drehzahlband ist schmal, die Leistungsentfaltung explosiv. Geschaltet werden die getunten Motoren bei 10500 und nicht mehr bei 7800 /min. Und unter 7500 ist tote Hose.

Die ersten Fahrten mit dem bissigen Klassiker endeten jedoch ernüchternd: »Bei 130 km/h begann das große Pendeln, bei 140 km/h wurde es dann richtig gefährlich. Mir riss es fast den Lenker aus der Hand.« Nun war der Ehrgeiz des Schraubers geweckt. Tobias zerlegte das komplette Bike, verbaute eine stabile, nadelgelagerte Yamaha-Schwinge, Ikon-Stoßdämpfer, die Gabel einer Kawasaki ZX9R mit selbstgefrästen Gabelbrücken und einen Scheibenbrems-Mix aus Fireblade-, Ducati 748- und GSX-R 600-Teilen. Er stellte das Bike auf 3,5 x 18“- und 4,25 x 18“-Räder, hinten zog er einen 160er Michelin Pilot Road auf.

Volle Konzentration

Das Fahrwerk der Mach III war nun auf aktuellen Stand gebracht, nun folgte der schon ab Werk nicht schwächliche Motor. Köpfe und Zylinder wurden bearbeitet, die Kupplung verstärkt und eine Rennauspuff-anlage verbaut. »Die Motorcharakteristik entspricht der einer Moto-Cross-Maschine. Entweder null oder volle Leistung, deshalb muss vor allem in Kurven schon etwas konzentriert gefahren werden«, warnt der 40-Jährige.

Modernisiert: Die Umbauten an der H1 sind dezent, aber wirksam

Auch die Optik der 500er erhielt bei TGS eine dezente Überarbeitung. Tobias kürzte Heckrahmen und Sitzbank, er ersetzte den Lenker gegen ein LSL-Teil und passte das Instrumentarium an den eigenen Geschmack an. Nun aber hatte der Motorrad-Techniker-Meister Lunte gerochen. Eine 750er H2 Mach VI, die große Schwester der 500er, musste er jetzt auch noch haben.

Lange Schwinge für den Zweitakter

»Im Serienzustand fuhr sich die 750er schon ganz gut, erst ab 170 km/h begann eine leichte Unruhe im Fahrwerk. Na ja, und die Bremse war auch nicht gerade der Hit«, erzählt Tobias. Eine fünf Zentimeter längere Schwinge, Nadellager und Ikon-Stoßdämpfer sowie progressive Gabelfedern kurierten das Wackeln. Außerdem montierte der Dreizylinder-Freund eine Doppelscheibenbremse mit gelochten Scheiben samt Stahlflex-Leitungen an das von 19 Zoll auf 18 Zoll umgebaute Vorderrad.

Unbändige Drehgier: In den Siebzigern beschleunigte die 750er alles andere locker an die Wand. Mit dem getunten Motor reichts noch heute für die meisten Big Bikes

Hinten müht sich nun ein 140er- Gummi um Bodenkontakt. Und das meist ziemlich hilflos, denn der gemachte Dreizylinder leistet fast 100 PS und katapultiert die nur 180 Kilo Motorrad atemberaubend nach vorne. »Aber Vorsicht, gefühlvolles Gasgeben ist wichtig, sonst überschlägt man sich in Sekundenschnelle rückwärts.«

Kawasaki und die Leistungsexplosion

Die Leistungsexplosion von serienmäßigen 74 PS auf satt über 90 PS verdankt der schlitzgesteuerte Triple unter anderem größeren Mikuni-Vergasern und einer Rennauspuffanlage von Zweitakt-Tuner Paul Gast. Um der unbändigen Motorkraft gewachsen zu sein, erhielt die Kupplung eine zusätzliche Reibscheibe und eine leichtgängigere Kupplungsschnecke.

»Beide Bikes verlangen unbedingt nach einem unerschrockenen und höchst gefühlvollen Fahrer, der auch bei schnellerer Fahrt im Grenzbereich eine normale Herzfrequenz hat«, beschreibt Tobias das Fahrgefühl mit den beiden Zweitakt-Schwestern. »Die giftigen Kawas sind greenpeaces-worst-nightmare. Mit 12 bis 20 Litern Benzinverbrauch auf 100 km muss ich an manchen Sonntagen drei Mal zum Tanken fahren. Aber Sound, Fahrspaß und das 70er-Lebensgefühl sind einfach unbezahlbar.«

 

Dirk Mangartz