Wenn eine Indian Chief bereits 1997 zum Bobber umgebaut wurde, dann unterscheidet sie sich deutlich von aktuellen Old School-Bikes

Michael Schneider hat einiges erlebt und vieles zu erzählen. Während seines Maschinenbaustudiums baute er bei einem Sportwagenservice Autos für Oldtimerrennen auf, er hat Harleys und Indians professionell lackiert, ein Volontariat bei einem Verlag absolviert und später die redaktionelle Leitung bei einer Motorradgazette übernommen. 1993 dann machte er sich mit einem Restaurationsbetrieb für klassische Indians und Harleys im Taunus selbstständig. Zu seinem Repertoire zählten Motorinstandsetzungen, Aluguss schweißen, Rahmen stretchen und vor allem der Handel mit Ersatz- und Zubehörteilen für die alten US-Bikes.

Bobber in den Neunzigern

Schon 1997 erhielt er den Auftrag eines Kunden, eine 1947er Indian Chief in einen klassischen Bobber zu verwandeln. Michael verwendete dazu Rahmen, Trapezgabel, Geradewegfederung sowie das Motorgehäuse vom Original. Alle weiteren Parts stammen aus dem eigenen Lieferprogramm. »Vieles sind Reproduktionsteile, die zu dieser Zeit verfügbar waren«, zeigt Michael auf den Supertrapp-Endtopf und den gefederten Solosattel.

Der 42°-V2-Motor schöpft seine 44 PS aus den serienmäßigen 1200 ccm

Hinten hatte der Hesse damals eine 15-Zoll-Akront-Felge mit 5.00-Bereifung verbaut, vorne einen 80/90-21-Reifen. Zudem legte er die Maschine tiefer. Das hintere Schutzblech führte Michael als freitragenden Eigenbau aus, den Lenker mit innenliegendem Gaszug fertigte er ebenfalls selbst an. Beim V2-Motor wurden die originalen 1200 ccm beibehalten.

Leistungssteigerung für die Indian

Polierte Kanäle, andere Nocken und ein 38er Dell‘Orto-Vergaser steigern die Leistung jedoch auf 44 PS. Eine elektronische Single-Fire-Zündung ermöglicht die Einstellung jedes einzelnen Zylinders – und außerdem erübrigt sich die manuelle Zündverstellung am Lenker. So bewegte ihr Besitzer die Chief regelmäßig, etwa zu Treffen nach Skandinavien und auch im Alltag.

Seitlicher Kennzeichenhalter, neuer Lack und frisches Öl: Fertig ist die Chief für einen weiteren Lebensabschnitt

Erst nach 2004 wurde sie mehr und mehr vernachlässigt, da der Besitzer eine Indian Four von 1938 erwarb und die Restaurierung der Four die volle Aufmerksamkeit benötigte. 2010 dann erweckte Michael die alte Dame aus dem Tiefschlaf. Sie bekam eine große Inspektion, eine neue cremefarbene Lackierung auf Basis des Wassertransferdruckverfahrens, und das Kennzeichen wanderte an die rechte Seite. Viel mehr Zuwendung war kaum nötig, um die Indian wieder auf die Straße zu bringen.

Indian Chief – noch nicht perfekt?

»Sicher, heute würde man vieles anders machen. Die Rundung vom Schutzblech zum Reifen wäre wohl der Reifenrundung angeglichen und auch die 15-Zoll-Felgengrößen würden heute eher nicht mehr verwendet.« Aber gerade das macht ja den Reiz dieser Maschine aus. Sie stellt so etwas wie ein Old-School-Bike vor dem großen Old-School-Hype dar.

 

 

Dirk Mangartz