Die BMW R 65 unter Customizern sehr beliebt. Das liegt an ihrer Bauart mit am Hauptrahmen abgestützten Federbein

Sie sollte zur Mutter aller Reiseenduros und zum Hauptpfeiler des BMW-Erfolgs des kommenden Vierteljahrhunderts werden: die 1980 erschienene R 80 G/S. Im französischen Avignon aber, wo die Maschine im September jenes Jahres der Presse vorgestellt wurde, standen die Journalisten erst mal ziemlich ratlos herum. So ein Motorrad hatte es bisher noch nicht gegeben. Die Schublade, in die man die G/S stecken konnte, hatte sie gerade erst selbst erfunden.

Das Monolever-Prinzip

Neu an ihr war im Grunde nur die Monolever-Einarmschwinge, der Rest entstammte dem hinlänglich bekannten BMW-Baukasten. Die neue Hinterradführung, ab 1987 durch den Paralever mit Momentabstützung nach und nach abgelöst, war torsionssteif, platzsparend und leicht und hatte einen großen Vorteil: Mit dem Lösen von nur drei Schrauben konnte das Hinterrad ratzfatz aus- und eingebaut werden. Für Customizer aber bietet der Monolever einen ganz anderen Vorteil. Da sich das Federbein am Hauptrahmen abstützt, kann das Rahmenheck ohne Probleme mit dem TÜV entfernt werden. Dadurch öffnen sich jede Menge Gestaltungsspielräume.

Eine R 65 in gepflegtem, regelmäßig gewartetem Zustand ist in der Regel unproblematisch. Wenn das gute Stück aber nach Jahrzehnten aus einer feuchten Scheune gezogen wird tauchen, all die üblichen Probleme mit den Standschäden auf

Die R 65 hat den Monolever ab Baujahr 1985 und wurde bis 1993 in dieser Form gebaut. Ihre etwas uninspirierten Räder mit den Y-Speichen sind bei den Individualgestaltern weniger beliebt. Eine Umrüstung auf die schönen Speichenräder der R 100 R ist möglich, wegen der nötigen Bearbeitung der hinteren Felge mit Gesamtkosten von 1.500 bis 2.000 Euro aber ziemlich teuer. Den Motor der R 65 gab es vor 1985 (Typ 248) in einer 45- und einer 50-PS-Version, ab diesem Baujahr (Typ 247E) dann nur noch mit 27 respektive 48 PS. Ab da trug sie die kleineren Zylinderköpfe der R 45, die 27-PS-Variante hatte kleinere 26er-Vergaser und eine geringere Verdichtung.

BMR R 65 – Motortuning gibt’s im Kit

Wie auch bei der R 45 – die es übrigens nicht als Monolever-Modell gibt – eignet sich der kurzhubige Motor mit den 32er-Bing-Vergasern gut fürs Motortuning. Bestückt mit dem Siebenrock-Power-Kit steigt der Hubraum der 650er auf 860 Kubik. Für Materialkosten unter 1.000 Euro ist damit ein Poweroutput von 60 PS und 80 Newtonmetern drin.   

 

Kosmetik
Nicht sonderlich auf Dauer haltbar ist der Schaum der Sitzbänke, der gern bröselt und dann jeden Komfort vermissen lässt. Im Bereich des Hecks treten gern hässliche Risse auf.

Zahnausfall
Bevor der Boxer seinen Geist aufgibt, meldet sich in der Regel erst mal das Getriebe krank. Hier ist bei der Probefahrt auf Heulgeräusche zu achten. Kommen sie nur in einem Gang vor, ist das Zahnrad einer Gangpaarung betroffen. Ein Dauerheulen weist auf einen Zahndefekt im Winkeltrieb am Hinterrad hin. Permanentes Rumpeln wiederum ist Zeichen für einen Defekt der Lagerwellen. Häufiger banaler Grund für einen Getriebedefekt ist das Abdeckgummi an der Durchführung der Tachowelle ins Getriebe, das genau im Spritzwasserbereich liegt. Ist es defekt, kann hier über die Zeit sehr viel Wasser eindringen.

Rostfraß an Auspuff und Tank
Die Tanks dieser Ära rosten gern, Kondenswasser in Verbindung mit dem heute aggressiveren Benzin verrichtet da oft und gern sein zerstörerisches Werk. Besonders im Bereich um den Benzinhahn herum sollte auf kleine Ausblühungen als verräterische erste Anzeichen eines Lecks geachtet werden. Ersatz für die Tanks ist rar und teuer. Ersatz für rostzerfressene Schalldämpfer ist besser verfügbar und günstiger.

Elektrik
Mit Anlasser, Zündspulen, Lichtmaschine und Diodenplatte sind wesentliche Darsteller der Elektrik nach so vielen Jahren durchaus defektanfällig und sollten auf jeden Fall überprüft werden.

Dauerläufer mit kleinen Schwächen
Vom grundsätzlichen Aufbau her ist der Kurzhuber verschleißarm und für mindestens 100 000 Kilometer immer gut. Trotzdem sollte man bei Gelegenheit einen Blick unter die Ventildeckel werfen, um das Ventilspiel und ggf. auch das Spiel der Schäfte in den Ventilführungen zu prüfen. Erst ab 1988 kamen Ventilsitze in einer Legierung zum Einsatz, die den permanenten Gebrauch bleifreien Benzins ermöglichen. Vorher hielten die Sitze auch bei regelmäßiger Spielkontrolle kaum mehr als 50 000 Kilometer. Frühe Steuerkettenspanner sind defektanfällig und fallen durch Klappern bei Leerlaufdrehzahl auf. Ein defekter Dichtring am hinteren Kurbelwellenlager sorgt bisweilen für Inkontinenz.

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben