Zwei Amerikaner auf ihrem Road Trip in Schweden – schwach gebremst und ohne Gore Tex beweisen die Yankees Eier. Grenzerfahrungen im Midsommar
Jeremiah Armentas Geschäfte laufen okay. Vor vielen Jahren hat er seine Firma Lovecycles in Phoenix/Arizona gegründet. Er baut traditionelle Chopper quasi am Fließband, hat sich einen echten Namen in der US-Szene gemacht, ist auf Harley-Modelle konzentriert. Und er fährt seine Bikes … jeden Tag, ganz schön viel und gerne weit. In diesem Sommer bekam Jeremiah die einmalige Chance, von ihm gebaute Motorräder durch Europa zu treiben.
Europäischer Oldschool
Zwei seiner Kreationen, eine Knuckle mit Monstergabel und eine Pan mit eigenwilliger Lenk-Sitzposition hatte er nämlich im Auftrag seines Luxemburger Freundes Andrea gebaut und nach Europa verschifft. Andrea wiederum ist selbst ein Motorradfreak, der seine Freizeit am liebsten den Harleys und seinen Buddies der Harley Brothers Luxemburg widmet. Was liegt also näher, als den Amis mal zu zeigen, was in Europas immer noch wachsender Oldschool-Szene so geht. Und so steigen Jeremiah und sein Kumpel Benji ins Flugzeug.

Nur 13 Tage können beide in Europa bleiben, der Zeitplan für die geplante Tour in Schweden und später nach Deutschland ist also knallhart kalkuliert. Bis zur Fähre in Kiel, wo wir zur Reisegruppe stoßen, werden die Moppeds – neben den zwei Lovecycles auch eine von Andrea selbst gebaute Shovel, sowie die Knuckle eines deutschen Kumpels – im Transporter zwischengelagert. Übers Wasser gehts ebenso verpackt, während wir uns auf Deck und an der Bar mit Smörrebröd und Lakritzschnaps einstimmen. Und Benji schließlich auf allen vieren in die Kabine kriecht.
Schweden und sein Wetter
Schweden ist wettertechnisch immer ein Abenteuer. Auch wenn die Sonne scheint, kann sie starken Wind im Rücken haben, der Moppedfahren durchaus zum Balanceakt werden lässt. Unsere Ankunft in Göteborg schenkt uns genau dieses Wetter, dunkle Wolken am Horizont heben die Laune nicht unbedingt. Wir verlassen die Fähre und suchen uns einen großen Parkplatz, um die letzten Vorbereitungen an unseren Ami-Cars und den Bikes zu treffen. Jetzt endlich dürfen die Harleys mit vereinten Kräften auf die Straße geschoben werden … dann heißt es: Tüfteln.

Laufen die Motoren rund oder müssen die Vergaser nochmal eingestellt werden? Sitzen alle Schrauben fest? Wer braucht noch Sprit aus einem der mitgebrachten Kanister? Regenhose oder lieber doch in Jeans und Sneakers, wie geplant. Lassen sich alle Bikes problemlos ankicken und, verdammt, wie fährt es sich überhaupt mit Handschaltung und Fußkupplung? Benji wird immerhin das erste Mal mit echt alter Schule on the Road sein. Bis alle Fragen geklärt und die Bikes fit für den Trip nach Tidaholm sind, vergehen schnell Stunden.
Der große Regen
Am Nachmittag setzt sich unser Konvoi in Bewegung. Eine halbe Stunde läuft alles bestens, die Jungs machen Faxen auf ihren Bikes, brechen immer wieder aus, geben Gas, ziehen sich gegenseitig ab – bis der große Regen kommt. Für die restlichen 150 Kilometer bis Tidaholm brauchen sie nur noch eines: Cojones! Ohne vordere Bremsen, in Stoffschuhen und Halbschalenhelmen wird die Tour zur Tortur, das erste Mopped gibt schnell den Geist auf.

Pause, für ordentliche Entlüftung sorgen, weiterfahren. Zwischendurch an der Tankstelle die Handschuhe zum Kurztrockenen auf die heißen Zylinder, die Brille mit Rainix einreiben, weiter kämpfen. Die Amerikaner bekommen die volle Breitseite europäischen Wetters geboten und sind trotzdem happy über schnurgerade Straßen in fantastischer Natur, das Blubbern der V2s unter ihnen. Und die Vans und Jeans werden nach einer ordentlichen Fönbehandlung auch irgendwann wieder trocken sein.
Die Schweden wissen zu feiern
Belohnt für die Mühen werden wir schließlich in Tidaholms Parken, einem Gelände inmitten der kleinen Stadt. Die harten Jungs vom Jokers C.C. empfangen uns freundlich auf ihrem jährlichen Treffen, und wir sehen Motorräder, wie sie in Schweden üblich sind. Harleys und Triumphs vorrangig, oldschool immer, knochenhart sowieso. Wir staunen, als die restlichen Besucher des feinen Treffens anreisen und im strömenden Regen ihre Bikes abstellen.

Die Finnen vorne weg, 1000 Kilometer auf der Uhr und das erste Bier fest im Blick. Sie lassen sich hier nicht abhalten von Wetter, TÜV und Reglements: „Fuck the system“ ist die Ansage, die Badass-Biker halten sich dran. Zwei Tage feiern wir und zwei Nächte obendrauf. Dunkel wird es im schwedischen Midsommar eh kaum und die Kofferraumbar unseres Chevy hat gegen die fetten Alkoholpreise in Schweden vorgesorgt.
Nur wer fährt, hat was zu erzählen
Bevor es für unsere Biker auf eine lange Rückreise geht, verabschieden wir uns. Unser Weg führt nach Stockholm, später nach Dänemark und zurück nach Deutschland, während die Biker noch ein paar Tage in Göteborg abhängen, bevor es auch sie die Rückfahrt antreten. In Deutschland wollen wir uns alle wiedertreffen, eine Woche später ist es soweit. Unsere Freunde aus Phoenix, München und Luxemburg, sowie die schwedischen Joker-Jungs treffen spät ein.

Quälen sich von ihren Rüpelbikes und beginnen zu erzählen. Von Regen, Pannen und Motorschäden. Von einer stundenlangen Tour, von schmerzenden Knochen und Reparaturen. Dann gibts das erste Bier für alle und die nächste Party beginnt. Nur wer fährt, hat was zu erzählen. Der Weg ist das Ziel.
Infos | lovecycles
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.