Eigentlich hat Flaui, wie Stefan gerufen wird, einen Hauptberuf. Doch in seiner Freizeit wird geschraubt, was das Zeug hält. Wir hatten bereits seine VN 800 vorgestellt, hier zeigen wir ein weiteres Projekt aus der Schwarzwälder Customschmiede: eine Honda VT 600. Denn Flaui kann’s nicht lassen …

Mit seinem eigenwilligen Stil, dem Einsatz von rohem Metall und dem weitgehenden Verzicht auf Farbe, hat Flauis Kawa-Umbau beeindruckt. Dementsprechend war es keine große Überraschung, das neueste Projekt des Schwarzwälders zu sehen. Wohl aber, dass er sich als Basis erneut ein populäres Japan-Modell als Basis ausgesucht hat – eine Honda VT 600 Shadow.

Honda VT 600 – Bereits zwei Shadows »ausgebeint«

Ein Rückfall, wie er zugibt, denn in der Vergangenheit hat er schon zwei VT 600 »ausgebeint«, wie er es nennt. Dabei wollte er doch endlich Hand an ein Milwaukee-Eisen legen. »Der Grund sind schlichtweg die Kosten. Ein Japancruiser reißt ein weitaus kleineres Loch in die Haushaltskasse als eine Harley.«

»Ausbeinen« nennt Flaui seine Art des Customizings. Neuestes Opfer: Eine Honda VT 600 Shadow, die aus ihrem biederen Dasein befreit wurde

Die Honda ersteht er für bescheidene 2.000 Euro, mit gerade einmal 24000 Kilometern auf der Uhr. Für den Umbau investiert er weitere 2.200 Euro. »Für das Geld kann ich leider kein amerikanisches Eisen nach meinen Vorstellungen umbauen«, gibt Flaui zu bedenken.

»Solange geschraubt wird, kommt man auch nicht auf komische Gedanken«

Dem Umbauvorhaben tut das keinen Abbruch, denn solange geschraubt wird, kommt man auch nicht auf komische Gedanken. Er strippt die Shadow und befreit sie erst einmal von dem Plastikunrat, der am Bike wuchert. Dann geht es auch schon ans Eingemachte.

Ein Schlachterbeil als Markenzeichen und eine Sissybar, die schon fast eine Genehmigung für den Luftraum braucht. Der Umbau zum Chopper ist gelungen

»Das Erste, was ich immer an meinen Bikes mache, ist eine Tieferlegung. Dadurch bekommen sie einfach eine aggressivere und vor allem längere Optik. Im Heck erreicht Flaui das durch den Einbau eines kürzeren Zentralfederbeins von HM Deluxe, das die Honda satte acht Zentimeter näher an den Asphalt bringt.

Honda VT 600 – »Optik hat absoluten Vorrang«

»Das Ding ist zwar knüppelhart«, wie Flaui zugibt, »aber Optik hat bei mir absoluten Vorrang.« Vorn steckt er die Gabel durch und verpasst ihr Faltenbälge. Dadurch bekommt die Gabel zwar einen steileren Winkel und auch der Nachlauf ändert sich, dennoch soll sich das Fahrverhalten nicht negativ verändert haben. 

Die Auspuffanlage ist, bis auf die Silvertail-Endtöpfe, eine Eigenkonstruktion

Das große »Ausbeinen« beginnt am Subframe, diesem riesigen Metallgeschwür, das unter dem Plastikfender sitzt, die Sozia stützen soll, aber jedem Shadow-Treiber beim Umbauen die Zornesröte ins Gesicht treibt. Für Flaui dagegen Routine. Er weiß, was wie gemacht werden muss, um anschließend auch beim TÜV keine Überraschung zu erleben.

Honda VT 600 – Hackbeil an der Sissybar

Den Heckfender baut er selbst, mitschwingend natürlich. Dazu konstruiert er eine Sissybar, die am Übergang zum Fender ein Hackbeil trägt, das er auf einem Flohmarkt für satte 1,50 Euro erfeilscht. »Das Hackbeil zitiert mein Logo, die sich kreuzenden Metzgerbeile, die symbolisch für das Ausbeinen von Motorrädern stehen.« Gleichzeitig dient das Accessoire aber auch als magnetischer Halter für den Rückstrahler, den die Herren der Rennleitung sonst bei jeder Kontrolle suchen und bei Fehlen mit einem Punkt ahnden. 

Rohes Metall ist Flauis Lieblingsfarbe. Das schimmernde Material wird höchstens gebürstet und klarpulverbeschichtet. Einzigen Kontrast bilden die Symbole und Motive, die er aufbringen lässt

Da Flaui überhaupt nicht auf Plastik steht, tauscht er auch gleich die Seitendeckel durch Eigenbauten aus Metall aus, bevor er sich des Tanks annimmt. Mit einem Holzhammer treibt er das Blech nach innen und gibt dem Tank somit eine neue Form. Eine der letzten Arbeiten ist der Sitz, eine weitere Eigenkonstruktion. Das Polster schneidet er mit einem elektrischen Brotmesser aus einem Schaumstoffklotz und lässt es anschließend von einer Sattlerin mit Kunstleder überziehen.

Honda VT 600 – Tief sitzen, hoch greifen

Und wer tief sitzt, muss natürlich hoch greifen – so besagt es eine alte Chopperweisheit. Doch der Z-Lenker strapaziert Flauis Nerven bis aufs Äußerste. »Die Kabelinnenverlegung hat einfach ewig gedauert und war eine echte Qual.« 

Der Originaltank musste ein paar kleine Modifikationen über sich ergehen lassen

Dafür wird die Modifikation der Auspuffanlage zu einem Spaßakt und echten Blickfang. Mit zwei 45-Grad-Rohwinkeln reckt Flaui die Endtöpfe Richtung Himmel und verpasst der Anlage mittels Auspuffband und zwei Hitzschutzschilden eine ziemlich rohe Optik. Genau wie bei der Lackierung übrigens, die, oh Wunder, in der Farbe »Natur« gehalten wird.

Handgemaltes Logo auf dem Tank

Flaui versteht darunter nacktes Metall, das klar kunststoffbeschichtet wird. »Wie bei meinem letzten Projekt eben«, grinst der Schwarzwälder, der sonst normalerweise hinter einem Schreibtisch seinen Lebensunterhalt verdient. Für ein wenig Abwechslung und so etwas wie Kontrast sorgt das handgemalte Logo auf dem Tank.

Soll sich mal einer über moderne Zeiten beschweren. Nie war es einfacher leuchtstarke Blinker fast unsichtbar unterzubringen. Vorbei die Zeiten von abstehenden und klobigen Plastikgeschwüren

Nach rund 140 Stunden ist das Projekt abgeschlossen, die Honda getüvt und fahrbereit. Doch was bedeutet das schon für einen wie Flaui, der mehr Befriedigung aus dem Schrauben zieht, als aus dem Fahren. Gut möglich, dass die Shadow bald zum Verkauf steht, schließlich ist das Projekt Harley nur verschoben und nicht aufgehoben. Wer Flaui in Action sehen möchte, sollte mal bei YouTube nach Flaui74 suchen. Auf seinem Kanal kann man sich verschiedene Videos zu seinen Umbauten anschauen und möglicherweise ein paar Inspirationen sammeln.

Christian Heim