Honda Shadow – Wolf im Wolfspelz



»Foi amor à primeira vista«, es war Liebe auf den ersten Blick. So heftig Danilos Bindung zur Honda Shadow ist, so knallhart seine Umbauten – der Softchopper hat seinen Meister in Brasilien gefunden

Er tief gräbt, findet zuweilen Gold. Freilich hätten wir uns das Porträt einer Honda Shado allein bei deutschen Schraubern bedienen können, zu gut und zahlreich wird der Softchopper hierzulande umgebaut – nicht auszuschließen, dass kein anderes Land der Welt so viele Custom-Shadows beherbergt wie das unsere. Aber wer wären wir, wenn wir auf der Suche nach den Meistern ihres Faches nicht auch viel weiter gehen würden – bisweilen sogar 10.000 Kilometer weit. 

Customizing weltweit: Ein Blick nach Brasilien

In Sao Paulo in Brasilien finden wir einen, der es auf die Spitze treibt. Danilo Bona agiert aus Liebe, zu Motorrädern im Allgemeinen, zur VT 600 im Besonderen. 2013 gründet er in der Garage seiner Eltern »Wolf Motorcycles«. Er legt sich nicht auf Umbaustil, Marken oder Hubräume fest, baut alles, was seine Kunden wünschen. Und doch begleiten ihn zwei Dinge durch sein Leben als Customizer. »Ich kann nicht leugnen, dass ich eine Vorliebe für Oldschool-Bikes habe, und eine für die Hondas, sowieso klar«, erklärt der Auto­didakt, dessen Bikes komplett in Hand­arbeit entstehen, und »die zwar immer im Sinne meiner Kunden gebaut werden, aber doch meine Handschrift tragen sollen.« 

In der runden Box im Heckrahmen sitzen Batterie, Elektrik und Zündschloss

Mehreren Shadows verhilft er zu neuem Leben, baut sie auf Bobber um, so konsequent, dass ein Bruder im Geiste auf ihn aufmerksam wird. Caciano Maciel heißt der Mann, der 2001 seine erste VLX 600, so die Bezeichnung der VT in Brasilien, kauft. Und dessen Liebe zu seinem Motor­rad so tief geht, dass eine Miniatur des Bikes seine Hochzeitstorte ziert. Als ihm ein Oldschool-Umbau der Shadow vorschwebt, wird es allerdings kompliziert. Kaum ein Schrauber will sich da ranwagen, »nimm dir doch ’ne Harley dafür«, ist der Ratschlag, den er immer wieder hört. Absurd für Caciano, der seine Honda-Story nicht beenden will und stur bleibt. Auf einer Bikeshow entdeckt er schließlich die Wolf-Umbauten und findet in Danilo Bona einen, der das Projekt nicht abwinkt, sondern einschlägt: Challenge accepted.

Die Honda Shadow nimmt Gestalt an

»Wer Oldschool will, muss radikal reduzieren«, weiß Danilo, »es braucht wenig Teile, aber die müssen harmonieren.« Ohne strenge Behörden wie hierzulande kann er eine der Schwachstellen der Honda Shadow direkt eliminieren. Das asymmetrische Heck samt Federbein wird gestrichen, ein starrer Heckrahmen verschweißt, »gefederter Old­school wäre nicht mein Ding«, grinst er. Dazu entscheidet er sich für klassische Radgrößen, auf 21 Zoll vorn und 16 Zoll hinten wird umgespeicht.

Der Jockey-Shifter ist keine Attrappe, Danilo kann wahlweise per Hand oder Fuß schalten

Und auch die Entscheidung fürs Frontend ist eine klare: »Springergabel, nothing else.« Entgegen seiner Gewohnheiten greift er hier auf Fremdhilfe zurück. »Die Gabel ist ein elementares Teil eines Motorrades. Sie selbst zu konstruieren, kommt einem Harakiri gleich. Das sollte nur tun, wer es wirklich kann.« 

Schmaler Lenker

Die Springer für die Honda Shadow wird entsprechend zugekauft, kommt von Lucky Friends Parts, »erste Adresse für Oldschool-Parts hier in Brasilien«, berichtet Danilo. Den eigens gebauten Lenker mit halbhohen Risern, schmal wie ein DIN-A4-Blatt, montiert er direkt auf die Gabel. Auch eine Vorderbremse muss zum Paket gehören, »klar wäre es ohne authentischer, aber bei sowas geht Sicherheit vor Style.« Die original Scheibenbremse der Honda wird installiert, ebenso wie die Trommel hinten. 

Hinten dreht ein 16-Zoll-Rad mit Shinko-Bereifung, die Sissybar ist selbstgebogen

Als wichtiges Teil für die Linie macht er den Tank aus, auch er entsteht in Zu­sam­men­­arbeit mit den Lucky Friends. Da die Honda keinen externen Öltank braucht, ist im Rahmendreieck Platz für eine hübsche Attrappe, die einen Trockensumpf-Look vergleichbarer V2-Umbauten suggeriert. Das bringt einen echten Mehrwert, denn in dem runden Behälter sitzt, sauber versteckt, die Elektronik samt Batterie und Zündschloss. Viel mehr braucht es für die Optik nicht, Sissybar, Sitzplatte und Heckfender sind vergleichsweise einfache Aufgaben für den Customizer, der sich entgegen aller Gepflogenheiten erst am Schluss an den Motor wagt und hier sein Meisterstück abliefert.

Honda Shadow mit Jockey-Shift

Der Umbau von zwei auf einen Vergaser, dazu die Handschaltung mit Jockey-Shift – die zwar funktioniert, aber die Danilo nur ab und zu benutzt – sind der eine Part. Aber die eigens gebaute Auspuffanlage, innerhalb des Rahmens verlegt, ist schon großes Kino. Ebenso wie die aufwendige Lackierung, die ein kleines Kunststück aus zahlreichen Lackschichten mit diversen Blattgold-Details ist und in der sich der Name des Bikes wiederfindet: Orion Nebula – der Orion-Nebel. 

Aus einem Guss: Danilo Bona muss sich mit der VT 600 vor keiner Harley verstecken. Das Potential der Honda für Oldschool-Umbauten hat er übrigens zwischenzeitlich erneut unter Beweis gestellt. Schaut euch auf seinen Kanälen unbedingt noch seinen aktuellen VT-Chopper-Umbau an

Was im Prinzip aus wenigen, ausgewählten Teilen zusammengefügt ist, wirkt letztlich wie aus einem Guss. Und kann tatsächlich jedem vergleichbaren Harley-Umbau locker das Wasser reichen. Da sind sich auch Bikebuilder Danilo und sein Kunde Caciano sicher. 

Eine arrogante Einstellung

»Viele sagen, es ist Bullshit, soviel Geld und Zeit in ein Bike wie die Shadow zu investieren«; eine ziemlich arrogante Einstellung, wie Danilo findet, »zumal es doch schwieriger ist, aus einer optisch vergleichsweise biederen Basis etwas Schönes zu machen. Und abgesehen davon zählt am Ende sowieso nur das, was dir wichtig ist und nicht, was die anderen denken.« Auch im fernen Brasilien hat da einer das Wesen der Individualität verstanden.

Info | Instagram: @wolfmotorcycles


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Fotos: Renan Roberto
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