Martien Delfgaauw ist infiziert: Seine Honda Dominator ist der Beweis für die vor ein paar Jahren aufkeimende Flat-Track-Leidenschaft

Die Geschichte des hier vorgestellten Bikes fängt damit an, dass sein Besitzer an einem Krowdrace-Flat Track-Rennen teilnahm – auf einer 200er Vespa. Freilich ein für diesen Zweck denkbar ungeeignetes Fahrzeug, doch es genügte, um Martien anzufixen. Es folgte eine Saison auf einer Zweitakt-Enduro, dann aber stand endgültig fest: Ein Flat Tracker musste her, selbst gebaut, na klar.

Die interne Messlatte

Die interne Messlatte lag hoch: 2016 hatten Martiens damaliger Kompagnon Felix Pilz und er einen kompromisslosen Dragracer namens »Shiny Harry« für den Sprint beim Glemseck 101 gebaut, der dank strikter Fokussierung und unkonventioneller Ideen prompt gewann – unter anderem gegen Carl Fogarty auf einer Werks-Triumph.

Gut sichtbar, der seitlich herausstehende Vergaser. Nötig wurde das, um das Rahmendreieck gewünscht sauber zu bekommen. Und weil ein Hauch XR mitschwingt. Die Verlegung gelang mittels gewinkeltem Silikonansaugstutzen

»Dass beim Flat Track Geometrie, Fahrwerk und Sitzposition sehr wichtig sind, war klar. Aber vom Wie und Was hatte ich als blutiger Anfänger keine Ahnung.« Als die 1994er Honda Dominator in gutem Zustand auf Martiens Hof kam, gab’s trotzdem kein Halten mehr. 650 zuverlässige Kubikzentimeter im schmal bauenden Eintopf, eine denkbar gute Basis. Vom Rest des Bikes hingegen sollte kaum noch was übrig bleiben.

Welcher Look darf’s sein

Nachdem die Maschine gestrippt war, kam der viel zu steile und hässliche Heckrahmen zum Vorschein. Die Überlegung, einfach ein Stück herauszuschneiden und in einem passenderen Winkel wieder zusammenzuschweißen, wurde schnell verworfen: Also ab damit! Ein verschraubter Heckrahmen sollte es werden, praktisch für die Wartung und bei eventuellen Sturzschäden.

Da der Heckfender sowieso laminiert werden musste, passte Martien eine quaderförmige Vertiefung unterhalb der Sitzbank ein, in der nun saugend die CDI samt Sicherungen sitzt

Nachdem das klobige Gestänge also aus dem Weg geräumt war, kam damit auch die Notwendigkeit eines Tanks auf, der auf den Rahmen passen würde. Freie Wahl! Martien bediente sich in seinem Gebrauchtteileregal und schnitt mehrere alte Spritfässer auf. Im Fokus standen dabei Länge (möglichst kurz) und Lenkeinschlag (möglichst viel). Die Wahl fiel auf das schmächtige Teil einer 70er-Jahre Honda CB 200.

Honda mit moderner Flat-Track-Optik

Damit war es an der Zeit, über ein Gesamtdesign nachzudenken. »Ich wollte weder den klassischen Flat-Track-Look, denn ein Motorrad Baujahr 1994 ist nun mal nicht klassisch, noch die Optik moderner DTX-Flat-Tracker.« Eine eigenständige Idee musste her. Und die war schnell gefunden: Wie könnte ein europäischer Flat Tracker aussehen, wenn es keine Vorbilder aus dem Mutterland dieser Motorsportdisziplin gäbe?

Beim Blick von oben gut zu erkennen ist der Kill­­- switsch mit Reißleine. Er ist Vorschrift bei den meisten Rennen und sorgt im Fall eines Sturzes für eine schnelle Zünd­unterbrechnung

Der Blick in die jüngere europäische Bahnsportvergangenheit führte schließlich zum Langbahn-Speedway – und landete auf den Hinterradkotflügeln dieser spindel­dürren Maschinen. Ein solcher sollte als Vorlage für das Dominator-Heck dienen. Nach kurzer Recherche war schnell ein Anbieter gefunden und die Formvorlage geliefert. Hersteller: Maier! Nee, nicht aus Deutschland, auch nicht aus Österreich oder Tschechien. Die Firma Maier aus den USA. Das nennt man dann wohl Ironie.

Ein Blick auf die Technik

Nachdem die grobe Linie stand, galt es, sich der Technik zuzuwenden: Geometrie, Gabel, Federung und Räder. Die Dominator musste deutlich tiefer werden und vorne mehr Offset kriegen. Von den Original­teilen war dazu nichtszu gebrauchen. Die Wahl fiel auf eine Yamaha R6-Gabel, wie sie bei vielen Flat-Trackern zum Einsatz kommt.

Martien ist zwei Meter groß, ein Gardemaß für ihn, aber nicht ideal fürs Flat-Track-Fahren. Umso mehr müssen Geometrie, Fahrwerk und Sitzposition stimmen

Da ohne Vorderradbremsegefahren wird, befreite Martien die Tauchrohre von allen Halterungen, das Einpassendes originalen Dominator-Gabeljochs in dieR6-Gabelbrücke übernahm Marvin Diehlvon KRT Framework – wie immer mit Bravour. Ins Heck wanderte ein individuell aufge­bautes YSS-Federbein, das Martien bei Szenegröße Bart Verstijnen aus den Niederlanden orderte. »Anfangs hatte ich einen BMW R 1200 C-Stoßdämpfer montiert, aber der hat in dem Motorrad noch schlechter funktioniert als erwartet. Immerhin ergab sich dadurch aber ein Anhaltspunkt für die richtige Länge«, wie Martien erzählt.

Schingenverlängerung für den harten Einsatz

Nun waren die Räder dran: Vorne verrichtet nun eine KTM-Nabe mit geänderten Radlagern ihren Dienst, ergänzt um eine 2.15-19-Felge. Hinten dreht sich die Original­nabe, die mit einer 2.50-19-Felge versehen wurde. Um Platz für das größere Rad zu schaffen, wuchs die Schwinge um 1,5 Zentimeter in die Länge.

Die Gabel der Yamaha R6 ist die bevorzugte Frontend-Wahl für Flat-Track-Umbauten, für die Dominator musste sie angepasst werden, damit sie in das originale Gabeljoch passt

Jetzt war es endlich an der Zeit, Rohr zu biegen und den Heckrahmen zu bauen. Auch hier half der Griff ins Regal, denn dort lag noch ein Prototyp aus der Zeit, als Martien gemeinsam mit Marvin Diehl unter dem Label »BHCKRT Customparts« Teile für BMW-Zweiventiler entwickelt und vertrieben hatte. Der passte zwar weder in Höhe, Breite noch Länge, machte aber das Anfertigen einer Rahmenlehre überflüssig. Breite und Linie ergaben sich dabei durch den CB 200-Tank, der einen neuen Tunnelsamt Gummilager und edler Golan-Products-Benzinhähne erhalten hat.

Vierzehn neue Halterungen

»Der eigentliche Heckrahmen war relativ schnell gebaut. Unten ist er an den originalen Aufnahmen der Beifahrerfußrastenträger verschraubt, oben an zwei am Hauptrahmen angeschweißten Laschen.« Deutlich zeitaufwändiger wurde es, all die Bauteile zwischen und an den Rohren unterzubringen und die dafür notwendigen Halterungen anzufertigen. Vierzehn an der Zahl sind es, teils gewinkelt, teils mit Gummilagern versehen.

Honda NX 650 Dominator – Hart infiziert

Die Elektrik basiert auf dem originalenSchaltplan, nur massiv reduziert auf das­Nötigste und ergänzt um eine Lithium-Ionen-Batterie für Gewichts- und Platzersparnis sowie eine moderne CDI für einen effizienteren Zündfunken. Spritzschutzwand und Startnummern­tafeln laminierte Martien mit Carbon­fasern, die Sitzgrundplatte formte er aus Thermoplast, polsterte sie mit Moosgummiund bezog sie mit 1,5-Millimeter-Rindsleder. »Die Sitzbank habe ich dreimal komplett neu gebaut, weil ich erst mit dem Tankanschluss unzufrieden war, dann mit der Linie der Sitzfläche.«

Mehr Bumms für die Honda

Um die Gemischaufbereitung kümmert sich jetzt ein Mikuni TM 40 Vergaser, der in Kombination mit den umgeschweißten Honda Clubman-Tuningkrümmern für deutlich mehr Bumms sorgt. Damit letztere nicht für jeden Ölwechsel demontiert werden müssen, sind zwei Ölablassventile von Stahlbus montiert.

Honda NX 650 Dominator – Hart infiziert

Alles bis ins Detail durchdacht also. Bleibt abschließend nur die Frage, ob das »BHC Honda NX 650 FT« genannte Motor­rad gleichermaßen erfolgreich ist wie Shiny Harry seinerzeit. Martien schmunzelt: »Bisher sind meist die anderen schneller. Aber zumindest weiß ich: An meinem Bike liegt’s nicht.«

Info | berham.com

 

Brian Störming