Eine Honda CB 750 als Hochzeitsüberraschung … Kiyo weiß, was Frauen wünschen. Und er weiß, wie man einer Legende zur Unsterblichkeit verhilft

Das Bike ist klasse, können wir es für unser deutsches Magazin fotografieren?« Unsere Frage versetzt Kiyo in Hektik. »Ja super, schon sehr gerne. Aber wie lange dauert das? Ich muss gleich noch heiraten.« Redakteurin und Fotograf gucken sich verdutzt an.

Irgendwo im Nirgendwo

Wir sind im ziemlichen Nirgendwo von Südkalifornien, kein Haus in Sicht, nur ein paar schöne Bikes auf der Treffenwiese. »Ähm ja, also wenn wir Gas geben, dann schaffen wir es in einer halben Stunde«, antworten wir. Kiyo gibt sein Okay und fährt seine Honda zum ausgesuchten Platz. Wir müssen uns bei dieser Hochzeitsnummer irgendwie missverstanden haben, zumal der Japaner nur gebrochen Englisch spricht, da kommt schon mal was falsch rüber. Also reden wir lieber über Kiyo selbst – und vor allem natürlich über sein Motorrad.

Cherry Blossom, Kirschblüte: Auf dem Tank findet sich der dazu passende Baum wieder. Lila Metalflake erledigt den Rest

Etabliert in der kalifornischen Szene ist der Japan-Auswanderer schon lange. Besonders einer hat ihm in den letzten Jahren auf die Sprünge geholfen, da nämlich schraubte Kiyo für Garage Company-Besitzer Yoshi in Los Angeles. Yoshi ist sowas wie der Gralshüter japanischer Moppedkultur in Kalifornien, einen besseren Platz zum Arbeiten und Kontakte knüpfen konnte Kiyo also kaum finden.

Eine Honda CB 750 für die Dame

Und so entstanden seine ersten Umbauten auf amerikanischem Boden in der Garage Company – meist Harleys im alten Stil, auf Knuckle- oder Panhead-Basis. Dabei hat er eigentlich eine ganz andere Leidenschaft: Racingbikes auf Nippon-Basis – Kenny Roberts und Eddy Lawson, die waghalsigen Superbike-Piloten, nennt er als seine Vorbilder. Und so liegt es nahe, dass er als erstes Projekt seines eigenen Ladens – Kiyos Garage – eine Honda CB 750 der 70er Jahre auswählt, zum Racebike zu mutieren.

Der Eigenbau-Rahmen ist eigenwillig konstruiert und an den Doppelzügen geschweißt sowie unterm Turbo-Motor geschraubt

Alles entscheidend für dieses Vorhaben ist der Turbolader, den er dem Vierzylinder verpasst. Und der hat richtig Geschichte. Bereits 1974 war es nämlich so weit: Die amerikanische Firma ATP (American Turbo Pak) brachte einen passenden Turbolader auf den Markt und ermöglichte es damit jedem CB-Fahrer, mit seiner 750er einen Wheelie bis in den vierten Gang hinzulegen.

Turbo für die Honda CB 750

Später vertrieb ATP das Baukastensys-tem »RayJay« für die CB 750, das neben dem Turbolader einen speziellen Mikuni 34-mm-Vergaser beinhaltete – dafür entfallen die vier Keihin-Vergaser ersatzlos, eine neue, verchromte Ansaugbrücke, Luftfilter, Dichtungen, Auspuffanlage und sämtliche Befestigungsteile. Das komplette Kit, das auch Kiyo – er tauschte den Mikuni lediglich gegen einen S&S-Vergaser – für seinen Aufbau verwendete, lässt sich in nur einem Tag montieren.

Wir wollen uns nicht vorstellen, was passiert, wenn Kiyo den Vierzylinder in die hohen Drehzahlen treibt und anhalten muss. Große Verantwortung liegt dann bei der hinteren Scheibe, während die Trommelbremse am Vorderrad nach Kräften mithilft

Die Einsatzweise des ATP-Turbos ist so erschreckend wie gleichermaßen unwiderstehlich. Dass der Motor der Leistungsspritze ohne Probleme standhält, ist klar. Ob das auch für den Fahrer gilt, ist da schon eher fragwürdig. Aber Kiyo, der das Bike zum Zeitpunkt unseres Termins noch nicht voll ausgefahren ist, lässt das kalt: »Ich will damit racen, also so richtig, das wird schon klappen.«

Digger-Rahmen im EIgenbau

Neben dem alles überragenden Turbolader sind aber auch die optischen Details am Bike nicht zu unterschätzen. So baute Kiyo den Rahmen, der das Vierzylinder-Monster trägt, selbst. Der Rahmen ist dabei teils geschraubt, die doppelten Downtubes enden in der Motoraufhängung, wo die Unterzüge als gelochte Streben weitergeführt werden, um in einem ebenfalls gelochten Starrrahmendreieck ihr furioses Finale zu finden.

»Bis 4000 Umdrehungen sollte alles ganz normal Honda sein, danach wirds dank Turbo-Kit kritisch. Ab 5000 hat man Mühe sitzen zu bleiben. Der gewaltige Durchzug steigt ins schier Unermessliche. Und keiner hat den Mut, den Motor bis in den roten Bereich des Drehzahlmessers zu zwirbeln«, das zumindest berichten Männer, die die gewagte Kombination schon gefahren sind. Kiyo lässt das kalt: »Ich will sie endlich richtig racen.«

Ein Oil-in-Frame-System ermöglicht es Kiyo außerdem, auf einen seperaten Öltank zu verzichten. Den Alu-Benzintank fertigte Kiyo ebenso wie den renninspierenden Sitzhöcker mit integriertem LED selbst, sein Racer steht auf schmalen Rädern, 19 Zoll vorne, kleine 16 hinten. Und warum die ungewöhnliche Farbe? »Pink, wie eine Kirschblüte, Cherry Blossom – der Name des Bikes, und der Spitzname für mein Mädchen«.

Der Pastor wartet schon

Wie auf Kommando kommt eine zierliche Frau auf uns zugelaufen und ruft: »Beeil dich, der Pastor wartet schon.« Kiyo bleibt ruhig und bittet uns, »noch schnell ein Hochzeitsbild zu schießen.« Also doch. Wir schieben das Bike zurück zum Treffenplatz. Dort steht schon eine kleine Gruppe von Freunden und Customizern parat, ein Typ in kurzen Hosen und bunten Socken stellt sich als Pastor vor. Und dann heiratet Kiyo sein Mädchen, irgendwo mitten im Nirgendwo.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.