Er war Stuntman und Schauspieler, aber zu allererst war er ein Chopperbauer. Sargtanks und Stunts machten Gary Littlejohn berühmt. Wir staunen, mit wem er sich so rumtrieb.
Es ist blanke Nostalgie. In alten Choppermagazinen und Bikermovies aus den Sechzigern oder frühen Siebzigern fallen uns schon mal Details an den Choppern auf, die uns zu denken geben: Wer hat’s erfunden? Wann gab es das zum ersten Mal und wer hat das Zeug vermarktet? Okay, diesmal werden wir etwas Licht auf einen Mann werfen, der sowohl in den Filmen mitwirkte, als auch maßgeblich hinter den eckigen Tanks steckte, die in der ersten Blütezeit der Chopper so oft angebaut waren.
Die Serienfertigung der Sargtanks hatte mit Littlejohn angefangen
Wir nennen sie Sargtanks und sie sind mittlerweile wieder an vielen trendigen Bikes zu sehen. Sicherlich gab es auch schon vorher Leute, die sich Benzintanks aus geraden Blechstücken zusammenschweißten. Die Serienfertigung der eckigen Spritbehälter jedenfalls hatte mit dem Allrounder Gary Littlejohn angefangen. Gary Littlejohn, geboren 1947 im US-Staat Vermont, war einer, der vor nichts zurückschreckte. In Michigan hatten sie ihn in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gesteckt. Dann kam die Navy. Schließlich zog es ihn nach Kalifornien, nach Arleta, in den Norden des San-Fernando-Tals.

In dem ärmlichen Arbeitervorort konnte er sich ein Haus leisten. Er war Lackierer, war Metaller, einer der Autos modifizierte, ihnen ungewöhnliche Farben verpasste. Einer, der Motorradrahmen änderte, selbst zusammenschweißte, der Tanks abänderte, neue entwarf und schweißte, was das Zeug hält. Er tat das mit seinen eigenen Projekten oder arbeitete gegen Bezahlung. Wenn du das gut machtest – vor allem in der Nähe von Hollywood – wurdest du dadurch recht schnell bekannt. Es blieb nicht aus, dass Littlejohn auch für Schauspieler arbeitete. Meist Lackgeschichten. Eine Hand wusch die andere. Da wurde ihm schon mal eine Statisten- oder Nebenrolle zugeschustert.
»Cinderella Cart« – rosafarbenes Trike mit 6-Zylinder-Corvair-Motor
Mit seinen geschweißten Teilen belieferte er auch andere Schrauberbuden, manchmal arbeitete er mit ihnen Hand in Hand. Er setzte schon in den sechziger Jahren Zeichen. Noch bevor es spezifische Motorrad-Customizing-Zeitschriften gab, schafften es Littlejohns Chopper in diverse Magazine. Natürlich dann auch in das von »Big Daddy« Roth herausgegebene »Choppers Magazine«. Hier hatte er mit »Cinderella Cart«, einem rosafarbenen Trike mit 6-Zylinder-Corvair-Motor, im Juli 1969 die zweite Story im Magazin und nun auch die Titelseite.

Die Szene wuchs noch langsam und das Trike war so ungewöhnlich, dass es im August 1971 nochmal eine Titelseite bekam: Diesmal waren Gary und seine Frau Evelyn mit auf dem Cover von »Custom Chopper«. Die besserverdienenden Hot-Rod-Auto-Typen hatten britische Custombikes, die Arbeiterklasse fuhr Harley. Garry entwickelte bald ein besonderes Faible für die Marke Triumph. Für Evelyn hatte er aus einer Triumph T 100 das Bike »Tinker Toy« gebaut. Der Chopper trug Garys Markenzeichen auf dem oberen Rahmenrohr: Einen selbstgebauten Coffin Tank (engl. Coffin = Sarg).
Plötzlich wurde Gary Littlejohn zum Schauspieler
Die Littlejohns verliehen das Bike an Filmgesellschaften und alleine in »Angels Die Hard« hatte Tinker Toy seine Kosten eingespielt. Auch das »Cinderella Cart« war für diesen Film verliehen und Gary arbeitete als Schauspieler mit. Die Geschäftsidee zündete. Wer einen Triumph-Chopper wollte, wurde nur bei Littlejohn oder bei »Triumph of Burbank« bedient. Ron Hargest, der Besitzer von Triumph of Burbank, war unter anderem bekannt geworden, weil er nagelneue Triumphs mit langer Gabel, Sissybar und Cobra-Sitz auslieferte. Das waren quasi Factory-Chopper, die Ron unter dem Namen »Sunset Tripper« auslieferte. Wenn Gary Littlejohn für die Filmleute Chopper aufbaute, arbeitete er schon mal mit Triumph of Burbank zusammen.

Garys eigene Stunt- und Schauspielkarriere war mit Peter Fonda ins Rollen gekommen. Zunächst wirkte er ausschließlich in Bikerfilmen mit. 1966 holten sie ihn für Roger Cormans Film »Wild Angels« (deutscher Titel: »Die Wilden Engel«), um die Bikes instand zu halten. Auch 1967 bei »Devil‘s Angels« (deutscher Titel: »Rebellen in Lederjacken«) war er für die Bikes zuständig und er hatte dem Hauptdarsteller John Cassavetes das Motorradfahren beizubringen. Bei den Dreharbeiten zu »Easy Rider« war er mit Stunts beschäftigt.
BMW-Chopper mit Stereoanlage im Tank und Lautsprechern in der Sitzbank
Littlejohn spezialisierte sich zusehends auf das Filmgeschäft. Eines Tages bekam er Dan Haggerty vorgestellt. Dieser hatte schon bei »Easy Rider« mitgemischt, wo er einen Hippie spielte. Haggerty hatte ein eigenes Motorrad, lange Haare, eine kräftige Figur und einen Vollbart und Gary konnte ihn für eine Nebenrolle in einem weiteren Biker-Film empfehlen. Danach arbeitete Haggerty eine Zeitlang in Garys Werkstatt, wurde aber später entlassen. Angeblich fertigte Dan zu oft Parts für seine eigenen Bikes.

Eine andere schillernde Figur im US-Fernsehen war Earl »Madman« Muntz. Jeder kannte ihn aus seinen Werbesendungen. Mal verkaufe er Autos, dann Fernseher, dann Stereoanlagen. Immer im allergrößten Stil. Gary Littlejohn war der Mann, der ihm einen BMW-Chopper bauen musste – mit einer Stereoanlage im Tank und Lautsprechern in der Stufensitzbank. Danach musste er Muntz auch noch das Fahren beibringen.
Littlejohn kaufte Police-Harleys für 300 Dollar pro Stück
Längst war Littlejohn nicht mehr auf Triumph festgelegt, holte sich stattdessen alte Harleys von der Polizei in Los Angeles. Gary zahlte damals 300 Dollar pro Stück, choppte sie und verkaufte die Bikes dann für bis zu 10.000 Dollar. In Kalifornien gab es zu der Zeit Verchromereien und Autosattler an jeder Straße. Als Ed »Big Daddy« Roth 1968 den ersten Artikel über ihn im »Choppers Magazine« veröffentlichte, betrieb Gary einen Customshop in Van Nuys.

1974 hatte er sein Geschäft nach Tujunga in den Norden von LA verlegt. Hier begann er mit der Fertigung von BMX-Fahrrädern, stellte eigene Rahmen dafür her. Und genau hier war es auch, wo schließlich die meisten Benzin- und Öltanks entstanden. Gary fertigte natürlich auch Varianten seiner Tanks, die dann Firmen wie AMEN, Carlini und Denver’s Choppers als ihre eigenen Produkte verkauften. Selbst Arlen Ness hatte so einen im Programm. Aber es gab langsam auch Nachahmer, die teilweise im großen Stil in Fernost fertigen ließen.
»Is the custom tank your game?«
In einem mehrseitigen Bericht in der Zeitschrift Custom Chopper mit der Überschrift: »Is the custom tank your game?« zeigte er zwar, wie man sich selbst einen Tank machen kann, wohl aber auch, wie viel Geschäft man mit dem Selbermachen hat. Für Littlejohn war die Story jedenfalls wieder ein großer Aufwind in seinem »Nebengeschäft«, das ihm neben der Filmerei ja gutes Geld brachte. Aber die Filme waren für ihn die Hauptsache, irgendwie wie Urlaub.

Er war ein gefragter Stuntkoordinator, war oft mit den ganz großen Stars unterwegs und genoss es, ein Teil der Maschinerie zu sein. Bis … ja, bis Burt Reynolds 1978 den Film »Hooper – The Stuntman« (deutscher Titel: »Um Kopf und Kragen«) drehte! Dann kamen sie: Tausende junger Männer überfluteten Hollywood in Folge, wollten als Stuntmen arbeiten. Sie nahmen der Littlejohn-Mannschaft und sich selbst gegenseitig die Arbeit weg, drückten die Löhne ins Nichts.
Littlejohn arbeitete an über 300 Filmen mit
Gary zog sich zurück, ging wieder nach Vermont und ließ die Sache etwas ruhiger angehen. Die Filmmaschinerie erinnerte sich trotzdem immer mal wieder an ihn. Bis weit über die Jahrtausendwende hatte er regelmäßig Arbeit als Stuntkoordinator, Stuntman oder Schauspieler. Insgesamt waren es über 300 Filme, an denen er mitarbeitete, 23-mal war er dabei als Schauspieler tätig. Hot-Rods und Motorräder sind bis heute seine »Nebenbeschäftigung«. Die Zeiten der Sargtanks schienen für immer vorbei. Doch nun gibt es eine Renaissance für die eckigen Gebilde. Ist das nicht ein triftiger Grund, den Kerl wieder mal ins Rampenlicht zu zerren?

Horst Heiler
Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.