Arlen Ness – Godfather of Custom Motorcycles



Arlen Ness gilt auch fünf Jahre nach seinem Tod als berühmtester Customizer der Welt. CUSTOMBIKE blickt auf die Legende zurück

Ob dieser Text nun von US-Amerikanern, Japanern, Franzosen oder Russen gelesen wird, spielt überhaupt keine Rolle. Jeder wird ihn verstehen, denn jedes »Mitglied« der globalen Motorcycle-Community kennt Arlen Ness. Und jeder kennt seine Wegbereitenden Motorrad-Kreationen. Fast 50 Jahre lang betätigt sich Arlen als Trendsetter, ohne Pause hat er einige der mutigsten Custombikes der Welt entwickelt und gebaut.

Arlen Ness und sein großer EInfluss

Seine Innovationen gaben der Szene Impulse und hatten sogar Einfluss auf das Design von Serienmotorrädern. Jahr für Jahr, auch in Zeiten, als das Auf- und Umbauen von Motorrädern weniger populär war als heute, überraschte der Kalifornier mit sensationellen Entwürfen. Daneben etablierte er seine Marke als Teil der Motorradindustrie.

Auf der East 14th Street in San Leandro eröffnete Arlen Ness 1970 seinen ersten kleinen Shop. »Arlen‘s Motorcycle Accessories« hatte zunächst ausschließlich am Abend geöffnet. Schnell entwickelte sich sein Laden als Treffpunkt für die wachsende Chopper-Szene der Bay Area

Bereits in den 70er-Jahren Jahren betrieb Arlen sein Business mit vollem Elan, sein Terminkalender war stets prall gefüllt, die Werkstatt sein Zu Hause. Anders als viele andere Customizer experimentierte er mit allen erdenklichen Stilrichtungen und schuf so oftmals völlig Neues. Seine Kreativität ruhte zu keiner Zeit, was dazu führte, dass Arlen Ness heute als bekanntester Customizer der Welt gilt. Arlen Ness ist der »Godfather of Custom Motorcycles«.

Die erste Harley eine Knucklehead

Arlen begann bereits 1963 mit der Umgestaltung von Motorrädern, als er seine erste Harley, eine 1947er Jockey-Shift-Knucklehead, kaufte. Schnell wurde Ness ein Teil der Szene, er ritt mit Freunden aus, hing in Garagen ab und versackte in Biker-Kneipen. Die Qualität der ersten Chopper wurde vor allem daran gemessen, wie viel Aufmerksamkeit sie vor der Bar in der Nachbarschaft erregten und wie viel Rebellion sie verkörperten.

Das Zubehör-Sortiment war 1970 eher bescheide

Doch das war Arlen schon bald zu wenig. In »Harry Brown’s Garage« in Hayward half Arlen, die Bikes für die lokale Szene zu lackieren. Als Mitglied des Biker Clubs »The Questionmarks« fuhr er regelmäßig in San Fransciscos Haight-Ashbury-District. Der »Summer of Love« erreichte seinen Höhepunkt, die Bay Area war voll von Hippies, Drogen und Musik.

Der Schritt in die Professionalität

Während ein Teil seiner Freunde von der Hippie-Szene aufgesogen wurde, schloss sich der Rest Biker-Clubs wie den Hells Angels an. Doch Arlen hatte andere Ziele. Er wollte Motorräder bauen, von seiner Liebe zu Bikes leben und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Anfänglich fertigte er ausschließlich Einzelstücke. Wenn dann mehrere Biker Teile von ihm haben wollten, baute er Kleinserien von vielleicht 20 Stück.

1987 schmückte das Promobike »Two Bad« den Showroom von Arlens Laden

Nachdem er Flyer verteilte und kleine Anzeigen in Biker-Magazinen aufgab, begann das Geschäft zu florieren. Von nun an gewannen seine Kreationen regelmäßig bei Bikeshows. Die Zeitschriften waren voll von seinen Custombikes und viele Kunden wollten Parts oder Lackierungen von Ness. Zu dieser Zeit wurde auch die Doppelgarage an seinem Haus zu klein für das wachsende Business.

Lackieren in der Doppelgarage

Weil auch die angebaute Lackierkammer den Platzbedarf nicht annähernd befriedigen konnte, eröffnete Arlen 1970 einen kleinen Laden mit Schaufenster. Von sechs bis elf Uhr abends stand Arlen nun hinterm Tresen. Am Vormittag baute er an seinen Bikes oder lackierte für Kunden in der alten Doppelgarage.

Im Obergeschoss des heutigen Ladens befindet sich ein privates Museum mit über 40 Ness-Bikes

Im Laufe der Jahre sollte Arlen noch einige Male umziehen, weil das Geschäft unaufhörlich wuchs. Heute residiert Arlen Ness Enterprises, Inc einen stattlichen 6500 Quadratmeter-Komplex in Dublin, California, in dem unter anderem ein privates Museum mit über 40 Ness-Bikes integriert ist. Auf dem langen Weg zum erfolgreichen Customizer erhielt Arlen jede Menge Unterstützung.

Freunde und Weggefährten

Seit den Anfangstagen stand ihm sein jüngerer Bruder Kevin zur Seite, sein Schrauber Johnny Lopez wollte anfänglich nur von Arlen lernen, Jim Davies aus der Drag-Racing-Szene fertigte Chrom-Molybdän-Rahmen, Dick DeBenedictis und Jeff McCann übernahmen spezielle Lackieraufgaben. Ob Techniker Bob Munroe oder Polsterer Danny Gray: Arlen Ness hatte fähige Leute um sich geschart, um »Quality Motorcycle Parts from California Craftsmen« fertigen zu können.

Arlen pilotiert das Signature Bike, das er als Design-Berater von Victory selbst gestaltet hat

Mit Bikes wie der »Top Banana« hat der »Godfather« an mehreren Biker Build-Offs teilgenommen. Für Victory arbeitet er als Design Consultant, daneben fertigt er unaufhaltsam Funbikes, etwa die »Two Bad 2«, das schmuckvolle »Jewel Bike« oder moderne Interpretationen der schlanken Bay-Area-Digger der Siebzigerjahre, deren Stil er einst populär gemacht hatte.

Kein Gedanke an die Rente

Fünfzig Jahre nach seiner ersten eigenen Knucklehead entwickelte Arlen noch immer Custombikes. Ans Rentenalter mochte er nie denken, zu sehr brauchte er die tägliche Arbeit mit »seinen« Motorrädern. Er liebte es, um den Globus zu Bikeshows zu fliegen und alljährlich mit dem Bike nach Sturgis zur Black Hills Rally zu fahren.

2004: Top Banana – Nach vielen Jahren der ausschließlichen Entwicklung von Fun-Bikes wollte Arlen dieses Mal ein kraftvolleres Motorrad erschaffen. Im Eigenbau-Rahmen pocht ein 145 cui S&S-V2, der auf obenliegende Nockenwellen umgebaut wurde. Zudem sorgt ein Kompressor für zusätzliche Leistung. »Long and low« stand im Lastenheft, außerdem wollte Ness einen 300er-Hinterreifen verbauen. Im Dezember 2004 fand eine Build-Off-Fahrt mit Roland Sands in Puerto Rico statt: Arlen und seine Top Banana gewannen den Wettstreit

Neben seiner Familie war ihm die Customszene das Wichtigste. Apropos Familie: Sohn Cory ist als Vize-Präsident der Firma verantwortlich fürs Tagesgeschäft, Tochter Sherri kümmert sich ums Marketing. Und selbst Corys Sohn Zach, der mit den Bikes seines Großvaters aufgewachsen ist, arbeitet heute Fulltime bei Arlen Ness Enterprises, Inc. Am 22. März 2019 verstarb Arlen Ness – vergessen wird der Godfather of Custom aber nie!

 

 


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Fotos: Michael Lichter
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