Die Harley-Davidson Sportster Modelle haben eine lange Historie – die Ironhead ist eine der legendärsten Vertreterinnen

Der 18-jährige Jim Dolan sitzt im örtlichen Diner und saugt wütend an seinem Milchshake. Gerade wurde er beim Ampelsprint mal wieder von einer Triumph versägt. Wir schreiben das Jahr 1958 und es sieht schlimm aus für Harley-Fahrer wie Jim. Jim und seine Freunde fahren Harleys W- und K-Modelle, einer hat eine KH, sie ist zumindest etwas schneller als die anderen. Aber auch sie unterliegt den britischen Twins regelmäßig. Es ist zum Kotzen. Doch nur einen Monat nach Jims herber Niederlage an der Ampel ändert sich alles: Harley-Davidson bringt die Sportster XLCH auf den Markt.

Der Sprint entscheidet

Jim bügelt Überstunden in einem Sägewerk und hört nicht auf das Nörgeln seines Vaters. Schließlich hat er genug Geld für eine Anzahlung und bald steht er wieder an der roten Ampel, um die Triumph erneut herauszufordern. Es ist die Zeit, in der die Sprints über Sein und Nichtsein einer hungrigen Jugend entscheiden. Das Licht wird gelb, der leistungsstarke Motor der Sportster dreht das Hinterrad gewaltig, es bleibt ein langer schwarzer Strich auf dem Asphalt, die Triumph verblasst im Gummirauch. Die Ordnung ist wieder hergestellt und Jim der neue König an der Glastheke seines Diners.

Völlig autark: Der Magnetzünder liefert seine Funken auch ohne Batteriespannung

Fast sechzig Jahre später in Göteborg. Das Diner ist ein Café auf der Linnègatan, die Besucher sind älter und hören auf Namen wie Sebastian, Olaf und Peter, den sie hier nur »Longhair« nennen. Ihre Bikes sind die gleichen wie damals, auch wenn die Ampelrennen keine Bedeutung mehr haben. Aber Bräute, Rock ’n’ Roll und Moppeds sind immer noch das große Ding.

Schnauze voll vom Muscle Car

Peter hat einige Jahre in Motorradclubs verbracht, ein intensives Leben zwischen Choppern und Clubpolitik, zehn Jahre lang. Er hat die Schnauze voll und kauft ein MuscleCar, baut lange daran, eine vollständige Restaurierung bis zur letzten Schraube. Hier im Café beschließt er, dass die Zeit wieder reif für ein Bike ist. Auf einem Treffen sieht er eine 65er-Sporty.

Alu-Hochschulterfelgen gehörten bei Sportbikes damals zum guten Ton

Er, der über die letzten Jahre tief im Vintage- und Dragracing-Look der 50er und 60er Jahre gewühlt hat, weiß den sauberen und funktionalen Look des Bikes sofort zu schätzen. Schlicht aber schön, mit brauner Lackierung und sanften Flakes, die Basis für so viele frühere Rennmaschinen. Er hat Glück, der Besitzer ist zum Verkauf bereit, man einigt sich über den Preis, das Bike darf mit nach Hause.

Eigentlich sollte die Harley-Davidson Sportster original bleiben

Zunächst will er die Sporty so belassen wie sie ist, ein alter Amal-Doppelvergaser kommt ihm in die Quere. »Kennt ihr das, wenn ihr etwas unbedingt haben müsst und nur noch daran denkt, wenn ihr schon nicht mehr schlafen könnt?«, grinst Peter, der den Monobloc, der früher vor allem auf großen Einzylindern montiert wurde, schließlich kauft. Als er den Vergaser stolz den Kumpels vorführt, lachen die ihn aus: »Eine Ironhead mit Doppelvergaser und Magnetzündung? Könnte eine unzuverlässige Kiste werden«, grinsen sie.

Weiße Faltenbälge, passend zur Sitzbank und den Armaturen, ummanteln die original Harley-Gabel, der Scheinwerfer hängt am typischen Bottom-Mount-Halter

Das Gelächter ist vorbei, als Peter eine Adapterplatte zur Aufnahme anfertigt und eine klassische Magneto-Zündung sowie einen neuen Barnett-Gasgriff speziell für die Doppelkabel montiert. Auf den dritten Kick springt die Sportster an. Kein Lachen mehr in der Garage, das Bike läuft besser als je zuvor. Nur die Gangwechsel sind schwere Arbeit, ein verkürzter Schalthebel löst das Problem.

Es ist Frühling – das Eis schmilzt

Um mit den Beinen nicht am Vergaser hängen zu bleiben, muss Peter außerdem seine Sitzposition nach hinten verlegen. Mit einer Idee für eine Sitzbank-Heck-Kombi – sie soll historischen Rennmodellen ähnlich sein – macht er sich auf den Weg zu Pontus Abrahamsson, ein Metall-Spezi erster Klasse. Sie beginnen, Modelle aus Karton zu basteln, alles nicht das Richtige. Nach mehreren Stunden gönnen sich die zwei eine Pause und gehen hinaus.

Die ultrakurze Sitzbank-Heck-Kombi entsteht aus der Vorlage eines Eisblocks, der sich vom Werkstattdach löst und den Schraubern vor die Füße fällt

Es ist Frühling, das Eis schmilzt gerade, und so löst sich genau jetzt ein Brocken Eis vom Werkstattdach und fällt den Bastlern vor die Füße. Zum Teufel, er hat genau die richtige Form, und so entsteht nach Vorlage des Klumpens das Finish von Peters Harley. Viele andere Dinge lässt Peter, wie sie sind. Klar, er experimentiert lange mit einem anderen Tank, behält dann aber den alten bei, »weil ein Sportster-Tank schon von Haus aus richtig geil ist«.

Harley-Davidson Sportster starrgelegt

Die weißen Faltenbälge für die Originalgabel sucht er lange, bekommt sie am Ende geschenkt, den Auspuff fertigt wiederum Metallmeister Pontus, versieht ihn mit einer Megaphon-Tröte und verchromt das Teil vor dem Anbau, die Federbeine werden durch starre Streben ersetzt. Die vorhandene braune Lackierung übernimmt Peter, gönnt ihr aber eine Auffrischung mit silbernem Flake-Spray und Candylack.

Der braune Lack wird mittels Flake-Spray aufgehübscht

Die erste Ausfahrt endet übrigens mit einer Story, die noch gut für viele Benzingespräche ist. Peter fährt mit seiner zähen Lady in die Stadt, wird von der Polizei angehalten. Die bemängelt das in ihren Augen zu kleine Kennzeichen. Peter zuckt die Schultern: „Gucken Sie sich das Bike an. Es wurde in den 60ern gebaut. Wo, um Himmels willen hätte ich da Platz für eines eurer großen, modernen Bleche.“ Der Polizist lässt ihn fahren: »Sie haben recht, das kann ja gar nicht funktionieren!«

 

 

Sept. Media/Klimpke