Unser Magazin, ein tschechischer Bike-Builder und der eigene Grips lieferten die Vorlage für eine zupackende Harley-Davidson Shovelhead

»Ich habe zwei Jahre in einer Harley-Davidson Werkstatt gearbeitet, da wurden die Dinger immer unfahrbar tiefgeprügelt«, Kai Richter hat seine Erfahrungen auf dem Custom-Sektor gemacht. Der gelernte Baumaschinist und Schweißer erinnert sich gut an Umbauten, »wo du zwei, drei Männer brauchtest, um ’nen Hinterrad einzubauen, weil es breit und breiter sein musste.« Vielleicht auch deshalb setzte Kai bei seinem eigenen Bike auf einen völlig anderen Look und bobberbeliebte 16-Zöller an beiden Fahrzeugenden. Dass seine Harley im Stil der 40er-Jahre fahren sollte, war dem Vogtländer nämlich von Anfang an klar. Und nachdem er 14 Jahre seines Lebens auf MZs RT unterwegs war und immer selbst geschraubt hatte, auch sicher die richtige Wahl eines Nostalgikers, der altes Eisen liebt.

Harley-Davidson Shovelhead – ungefedert, logisch!

Dass die 70er-Jahre Harley-Davidson Shovelhead ungefedert unterwegs ist, ist ebenfalls logisch, Hardtail faktisch Pflicht. Ebenso die originale Springer-Gabel. Dem 1200 Kubik-Motor ersparte Kai größere Änderungen. Vergaser und Luftfilter durften neu, der Auspuff wurde selbst gebaut, handgeschaltet wird mittels Viergang Ratchet Top-Getriebe und den Jockey-Shifter ziert nur mehr eine morbide Schrumpfkopf-Attrappe. Um die Kosten der optischen Details gering zu halten, konnte Kai neben seiner Eigenleistung auch auf seine Freunde zählen. So manche Vogtländer Nacht verbrachten die Jungs in der Garage. Und die Dreh- und Frästeile wie Armaturen sowie den Bau der Minimal-Elektrik erledigte Kumpel Ronny in seinem Reichenbacher Motorrad-Teile-Laden. 

Fußkupplung und Handschaltung. Wer das fahren kann, ist echt oldschoolig unterwegs

Ihr merkt schon, wir handeln die technischen Details des Bobbers relativ zügig ab, und das hat seinen Grund. Denn wir brauchen noch Luft, um über DAS besondere Merkmal dieses Bikes zu sprechen. Kai verpasste seiner Harley-Davidson Shovelhead nämlich solch wuchtig-auffällige Bremsanker, dass es sich gewaschen hat. Und die vor allem erstaunlich gut zum klassischen Look der Harley passen. Was aussieht wie Doppel-Duplex-Trommeln aus den 60er-Jahren sind gekapselte Scheibenbremsen. Und die verhießen mal die Zukunft des Motorradbaus. Honda stellte an seinem Serienmotorrad CBX 550 F im Jahr 1982 diese neuen Bremsen vor. Zur Verbesserung der Bremswerte hatte man die Bremsscheiben aus Grauguss hergestellt und die dadurch rostanfälligen Scheiben mit der aufwendigen Verkleidung im Alu-Gehäuse versteckt.

Seltene Bremsen

Zahlreiche Kühlluftschlitze fächeln den Bremsscheiben Luft zu. Und es sieht insgesamt verdammt sexy aus. Ein Erfolg waren die Honda-Teile allerdings nicht, sie verschwanden nach kurzer Zeit wieder aus der Produktion. Unser Schrauber Kai dagegen verliebte sich sofort in die Dinger. Und er gibt freimütig zu, dass die Verwendung genau dieser Bremsen nicht seinem Kopf entsprungen ist: „Ich habe ein Motorrad in eurem Magazin gesehen, und wollte die Bremsen unbedingt haben“, grinst er. Und so ist der tschechiche Customizer Roman Bus, der vor zwei Jahren einen aufsehenerregenden Bobber mit eben jenen Honda-Ankern baute, ein stiller Mithelfer der Vogtländer Schrauberszene.

Die Springergabel ist original alt

Die Kapselbremsen dürfen ihren Dienst am Bobber übrigens in ihnen bekannten Rädern verrichten. Da die gewünschten 120-Speichen-Räder nämlich schlicht das Umbau-Budget gesprengt hätten, verwendete Kai einfach Originalräder einer 82er Honda CB 550, baute Naben um und fertigte alle Speichen neu an. Eine Drecksarbeit, die sich gelohnt hat. Der Vogtland-Bobber war vollendet. Kai und die Kumpels sind stolz, da kann das nächste Projekt kommen. „Sicher wieder was nach altem Stil, denn damit könnse dich alle mal fett lecken!“, kommentiert unser Schrauber im breiten Vogtländer Dialekt und braust davon.

Carsten Heil, hat die typische Zweiradkarriere der 80er-Jahre-Jugend durchgemacht: Kreidler Flory (5,3 PS), 80er-Yamaha DT und mit achtzehn dann die erste 250er Honda. Nach unzähligen Japanern über Moto Guzzi ist er dann schließlich bei Rohrrahmen-Buell gelandet. Seit 1992 mit Fotoapparat und Schreibgerät in Sachen Kradkultur unterwegs.