So lange Philip zurückdenkt, so lange dreht sich das Leben seines Vaters um Motorräder, um US-Bikes im Speziellen. Kein Wunder, dass die Liebe auf den Junior abfärbte und sich schnell im ersten eigenen Umbau manifestierte – einer Harley-Davidson Shovelhead.
Vater Rainer ist Teilhaber von G. und L. Bikes in Tanna in Thüringen. Zeitweise war er sogar offizieller Händler der Company, aber das ist eine andere Geschichte. Wichtiger für diesen Artikel ist vielmehr Rainers Sohn Philip, der die Liebe zu den Ami-Eisen früh übernahm – genauso wie ein Projekt, das seit zwanzig Jahren in der Garage des Vaters geschlummert hatte.
2015 war es, bei einem Vater- und Sohn-Ausflug zur Kustom Kulture nach Herten, als bei Philip die Idee zum eigenen Projekt reifte. Eines, das man schon in den bevorstehenden Semesterferien beginnen könnte. Die Basis würde Rainer, der Jäger und Sammler, stiften. Eben jene komplett zerlegte und ziemlich desolate FLH, die seit Langem in seinem Besitz war.
Rundschwinge und Springergabel
Um die Optik musste sich der Sohn selbst kümmern, das war der Deal. Philips bevorzugter Look für die Shovel war klar. Oldschool sollte es werden, außerdem zeigten Magazine und Webseiten klar, in welche Richtung vor allem amerikanische und japanische Umbauer bei der Arbeit an Harleys Swingarm-Modellen mit Shovelmotoren so tendierten. Klar war dabei schnell: Eine Springergabel musste es sein, außerdem vorn ein 21-Zoll-Rad, hinten reichten 19 – und die Rundschwinge, die natürlich auch.
Und weil der 25-jährige Maschinenbau-Student nicht nur Theoretiker, sondern auch geschickter Handwerker ist, standen auch direkt erste Schweißsessions auf dem Programm, das Umschweißen eines alten NSU-Tanks, den er mal auf einem Teilemarkt in Dresden-Ottendorf erstanden hatte, zum Beispiel.
Handschaltung und Fußkupplung waren für die Shovelhead gesetzt
Vater Rainer hatte zwar Bedenken und meinte, man könne doch erst mal an normalem Blech ein paar Übungsstunden einlegen, aber seinen Sohn reizte die »Learning by doing«-Variante weitaus mehr. Tatsächlich gestaltete sich das Erstlingswerk erfolgreich. Bis auf ein paar kleine Löcher, die später wieder geschlossen werden mussten. Und so wagte sich der Youngster weiter nach vorn, baute Öltank, Fender und Auspuff für seine Shovel.
Bei Motor und Getriebe dagegen sprang der Papa gern ein. In dessen Profi-Werkstatt wurde die Antriebseinheit einer kompletten Überholung unterzogen. Handschaltung und Fußkupplung waren übrigens gesetzt, »egal wie ich später damit zurechtkommen würde«, erinnert sich Philip. Nach Wiederaufbau des Motors stand noch das Strahlen der Aluteile auf dem Programm. Auch das übernahm der Vater, der Sohn polierte aber anschließend intensiv. Zeit auch, sich schon mal Gedanken zu Lack und Finish zu machen.
Das Harley-Davidson-Logo stammt aus der Spraydose
Ein schönes tiefes Blau würde ihm gefallen und der Maschinenbauer wollte unbedingt seine Emblem-Idee umsetzen und ein H-D-Logo im NSU-Originaldesign auf den Tank lackieren. Wenn man bedenkt, dass dafür die Spraydose herhalten musste, super gemacht. So ging das Projekt zügig voran, schon auf der ersten Bikeshow-Präsentation der Kiste gab es einen »Best of«-Pokal. Zeit für Philip, sich eine schöpferische Pause zu nehmen. Nicht ganz freiwillig, aber ein Jahr Auslandspraktikum in Michigan in den USA stand an.
Neben seiner Arbeit konnte Philip die Zeit in den Staaten nutzen und möglichst viel von dem besuchen, was dort so motorradtechnisch los ist. Es ging zum Race of Gentlemen genauso wie zur Fuel Show in Cleveland und nicht zuletzt zur Born Free Show in Kalifornien, wo ausgerechnet wir dem jungen Kerl in die Arme liefen. Philip zeigte uns ein paar Bilder seiner Shovel auf dem Handy und wir verabredeten ein Shooting, sobald er zurück in Deutschland wäre.
Die Customleidenschaft hat sich tief gefressen
Mit den Eindrücken aus der US-Szene im Gepäck ging es irgendwann nach Hause – viel Inspiration und Motivation hatte das Jahr gebracht. Nach Philips Rückkehr gabs deshalb erst mal den TÜV-Stempel und viel Zeit auf dem Motorrad, nun als frischgebackener Ingenieur. Reichen wird das nicht auf Dauer, die Customleidenschaft hat sich tief gefressen. »Ich will das Ganze noch mal durchziehen, diesmal an einem alten Auto«, sagt Philip uns abschließend, »… einem Ami natürlich.«
Customizerkurt
Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.