Als treues Familienmitglied hat die Harley-Davidson Model U die Jahrzehnte überdauert – und bleibt in genau diesem Zustand erhalten.

Die ersten 20 Jahre ist sie viel gefahren worden«, zeigt Uwe Ehinger auf die Abnutzungsspuren seines Harley-Davidson Model U von 1939. Die Standard-Flathead-Modelle waren bei Polizei und Militär beliebt, sie galten als nahezu unzerstörbar und ließen sich einfach reparieren. »Viel einfacher als die zeitgleich produzierten Knuckleheads“, deutet Uwe auf einen ohv-Motor, der auf einem Ständer in seinem Showroom steht.

Harley-Davidson Model U – 1957 gab’s eine Motor-Revision

Vermutlich hat die Robustheit der Konstruktion auch den Erstbesitzer aus Florida überzeugt, wollte dieser seine Harley doch im Alltag bewegen. Erst im hohen Rentenalter übergab er die 1200er an seinen Sohn, der zwar deutlich weniger, aber ebenfalls regelmäßig mit dem Bike fuhr. »1957 wurde der Motor überholt und alle Dichtungen erneuert«, kramt Ehinger einen Ordner hervor, »alle alten Rechnungen sind noch vorhanden, die Revision hat damals ein paar Dollar gekostet.« Erst als auch der gemeinsam mit der Harley gealterte Sohn das Fahren aufgab, hatte Uwe die Chance, das treue Familienmitglied zu erwerben.

Rost und vergilbter Lack haben keinen Einfluss auf die Fahrbarkeit der alten Harley. Denn technisch fühlt sie sich frischer an als so mancher Chrombomber. Dennoch will so ein 75 Jahre altes Gefährt mit Verstand gefahren werden. Auch und gerade weil es so serienmäßig ist

Die Flathead präsentiert sich heute in weitgehendem Originalzustand. Ein großer Teil der roten Farbe ist Erstlack. »Ölpumpe stimmt, Regler original, sogar der Benzinhahn ist noch der erste«, freut sich Uwe auch über die Details. »Nicht einmal der Tacho ist zerrüttelt, der funktioniert noch immer. Und der alte Auspuff wurde vor Jahrzehnten einmal geschweißt.« Lediglich Sattel und Kicker musste er gegen Aftermarket-Parts ersetzen, damit die Maschine fahrbereit bleibt.

Die sichtbare Abnutzung ist völlig egal

Uwe freut sich vor allem über den historischen Wert dieser originalen 1939er. Darüber, dass in jenem Jahr zum letzten Mal ausschließlich 18-Zoll-Räder verbaut wurden. Dass das Beehive-Rücklicht erstmals auftauchte oder die Schaltkulisse nur 1939 so aussah wie an seiner Überlebenden. Die überall sichtbare Abnutzung ist dem Norddeutschen dabei völlig egal. »Man darf ruhig sehen, dass die U jahrzehntelang hart gearbeitet hat«, streift er über einen tiefen Kratzer im Schutzblech. Und weil der Vorbesitzer das Gewinde der Getriebeeinfüllschraube zerwürgt hat, steckt der alte Korken noch immer in der Öffnung …

 

Uwe Ehinger entwickelt normalerweise aus Vorkriegs-Harleys reduzierte Chopper und Bobber. Wie steht der Hamburger zum Originalzustand?

CB: In deinem Showroom steht neben den Choppern die originale U-Flathead? Ist das die Basis für einen neuen Umbau?
Ehinger: Aus einem wirklich originalen Bike wie meiner U würde ich niemals einen Chopper bauen. Dieses Motorrad muss ich einfach original belassen. Es ist ein Stück Kulturgeschichte.

Uwe Ehinger

CB: Was sind deine Gründe dafür?
Ehinger: Es geht um die Arterhaltung. Unberührte Bikes werden immer seltener. Und viele interessante Dinge lassen sich an einem restaurierten Bike einfach nicht mehr nachvollziehen. Schon Neulack würde die Zeitkapsel zerstören.

CB: … doch gerade der würde dem rostigen Bike vielleicht gut stehen.
Ehinger: Ich mag den Charme der Benutzung. Dieses Bike ist wie ein Industriedenkmal. Man sieht hier genau die Qualität der damaligen Bauweise. Außerdem fährt die Big-Flattie auch rostig noch richtig gut. Daher: Never change a winning team.

Info |  ehingerkraftrad.com

 

Dirk Mangartz