In der Schweiz nahm ein ganzer Ort mit Begeisterung Anteil am Aufbau einer Harley-Davidson FXS. Markus und Werner präsentieren ihren Farmer-Fukker.

Als sich Markus und Werner aus der Schweiz zu unserem Fukker-Contest bewarben, war kaum abzusehen, was im Laufe der kommenden Monate über sie hereinbrechen würde. Die zwei Schreibtischtäter bastelten wohl privat und als Ausgleich zu ihren Bürojobs schon eine Weile zusammen an Bikes, aber diese Nummer war doch nochmal ein ganze Spur gewagter.

Harley-Davidson FXS – Ein Rahmen und ein zerlegter Motor

Aber gerade, weil die beiden schon in ihrer Bewerbung ganz schön viel Herzblut zeigten, ein ordentliches Konzept zum Bau ihrer Harley vorlegten und mit ihrer Privatbastelei genau das verkörpern, was wir speziell in diesem Wettbewerb suchen, wählten wir sie aus. So wurde aus den »Büroschlümpfen«, wie sie sich selbst in ihrer Bewerbung genannt hatten, das Team »Farmer-Harley«. Und dann entwickelte alles eine unglaubliche Eigendynamik.

Bunte Hunde: Seit der Fukker-Teilnahme sind Werner (links) und Markus die Helden ihres Ortes

Um im Budgetrahmen des Fukker-Contests zu bleiben, hatten die zwei Bastler auf Ricardo (Anm. d. Red.: Schweizer Online-Marktplatz) einen Harley-Motor und einen Rahmen mit diversen Anbauteilen ersteigert. Der Shovelhead war komplett zerlegt und deshalb ungewöhnlich günstig. Einige der Anbauteile konnten sie weiter versteigern, was auch die Kosten für den Rahmen überschaubar hielt.

Das fertige Bike sollte definitiv Schweizer TÜV erhalten

Da das Gesamtbudget von 5.000 Euro trotzdem mit den beiden Käufen schon relativ ausgeknautscht war, stand von vornherein fest, dass quasi alle Anbauteile selbst gebaut werden mussten und die Lackierung ebenfalls in Eigenleistung entstehen würde. Dazu lagen noch einige Brocken rum, die auf- oder umgearbeitet nützliche Dienste erweisen könnten. Da das fertige Bike definitiv Schweizer TÜV erhalten sollte, war außerdem klar, dass Rahmen, Schwinge und Gabel originalgetreu übernommen werden müssen.

Die beiden Auspuffklappen unterstreichen den Landmaschinencharme

Ein geflexter Rahmen hat bei unseren Nachbarn nicht mal ansatzweise eine Chance auf Zulassung, also eigentlich volle Konzentration auf die Anbauteile. Aber da war ja zunächst noch ein V2 zusammenzubasteln. Ein passendes Getriebe fanden Markus und Werner für gerade mal 250 Franken, allerdings war es nur für Elektrostarter ausgelegt. »Wir dachten: Kein Problem, und kauften einfach einen Kickersatz für 149 Euro. Falsch gedacht«, erzählt Werner.

»Die Hälfte des Gewindes an der Hauptwelle war weggenudelt«

Als die Jungs nämlich den Getriebedeckel entfernten, sahen sie den Mist. »Die Hälfte des Gewindes an der Hauptwelle war weggenudelt. Genau da hätte aber das Kickerritzel dran gemusst. Daher wohl auch die günstigen 250 Tacken fürs Getriebe«, erklärt Markus. Da für eine neue Hauptwelle das Budget fehlte, kam das Kickerritzel auf die Drehbank, drei Millimeter abgedreht, passte und funktionierte einwandfrei.

Instrumentenbrett: Tacho und Ampermeter für den Kontrollfreak

Es waren übrigens zahllose dieser kleinen Storys rund um den Bau der Harley, die unsere zwei Schrauber zusammenschweißte und als Team echt wachsen ließen. Noch ein paar Beispiele gefällig? Ok, der Heckfender war zwar günstig, allerdings für ein 17-Zoll-Rad vorgesehen. Die Jungs schnitten die Seiten des Fenders ein, schrumpften ihn und schweißten alles wieder zusammen. Da die zwei keinen brauchbaren Lenker finden konnten, nahmen sie einen alten, gebrauchten und bogen den um.

Harley-Davidson FXS mit unappetitlichem Lenker

»Da der aber danach total unappetitlich aussah, haben wir kurzerhand eine alte Lederjacke von Markus’ Frau geklaut und einen Überzug für den Lenker genäht«, grinst Werner. Oder das Kickerpedal, das aus zwei eineinhalb Zentimeter dicken Stahlplatten ausgeschnitten wurde, eine gefräste Kerbe für die Pedalachse erhielt und mit Schlossernieten vernietet wurde. »Sauschwer das Ding, aber das kann ja beim Kicken nicht Schaden«, schmunzelt Markus.

Schwergewicht: Ein Kickerpedal wie ein Amboss

Und wir sind nur froh, dass die Jungs alle ihre Salzsäure-Aktionen gut überstanden haben. Die Säure aus dem Drogeriemarkt wurde nämlich zum Alleskönner. Schließlich kamen Stahlblech, Metallstangen und Alublech vorwiegend aus der Altstoffsammlung. Die Salzsäure half dabei, die verzinkten Bleche zu entzinken und blankes Metall zum Vorschein zu bringen. Das war Grundlage für die anschließende Brünierung der Teile. Und das war ein eigenes Kapitel für sich.

Harley-Davidson FXS mit ruppiger Metall-Optik

Brünieren oder auch Schwarzfärben heißt nämlich das Verfahren, mit dem Markus und Werner einen Großteil ihrer Teile behandelten und so auch eine weitere Lackierung überflüssig machten. Am Beispiel ihres Tanks erklärt Markus die Arbeiten: »Blech und Schweißnähte müssen zunächst blank gemacht werden, danach werden alle Oberflächen mit Öl behandelt. Damit bleibt das Blech sichtbar, also nix Spachtelmasse oder so. Danach wird alles abgeschliffen und brüniert.

Benzin & Petroleum AG Zürich: Aus einem alten Kanister entstand der Öltank

Durch dieses Verfahren wird eine schwarze Schutzschicht aus Eisenoxiden auf den Oberflächen gebildet. Das sorgt für Korrossionsschutz auf der einen und ruppige Optik auf der anderen Seite. Zahlreiche Teile wurden dieser Prozedur unterzogen, auch die Sitzpfanne eines Treckers, die mal Ursprungsidee für den Aufbau war. Der Sitz wurde sandgestrahlt, glatt geschliffen und brüniert, danach ein Polster zugeschnitten. Die Kanten sind mit der Lochzange bearbeitet, mit Lederband umflochten, der Schriftzug eingeschnitzt und mit Schlossernieten auf den Treckersitz montiert.

Wir sind auf jeden Fall mächtig stolz auf unsere »Büroschlümpfe«

Und so ging es Stunde um Stunde, Tag um Tag der Vollendung entgegen. Mit massiver Unterstützung des ganzen Dorfes. Die lokale Zeitung berichtete, immer wieder schneiten Leute herein, um zu schauen, wie weit die beiden sind und längst war geplant, dass es zur Vollendung der Harley eine Riesenparty geben würde. Anfang Herbst dann der große Tag: Mit TamTam und Musik und Bier wurde eine Fukkersause nach unserem Geschmack gefeiert. So muss es sein!

Der stählerne Traktorsattel erhielt ein Farmer-Polster

Wenn da nicht noch ein Problem gewesen wäre. Da die Harley noch keine Zulassung hatte, war es eigentlich nicht möglich, sie aus einem Nicht-EU-Land (in diesem Fall die Schweiz) in ein EU-Land (hallo Deutschland) vorübergehend auszuführen. Markus und Werner setzten trotzdem alle Hebel in Bewegung, um ihr Bike zu unserer Show nach Bad Salzuflen zu bringen. Gefühlte 100 Telefonate mit dem Zollamt später die Lösung. Über das Handelskammer-Abkommen Carnet A.T.A, dem 73 Staaten angeschlossen sind (zum Glück auch die Schweiz), wurde der Trip zur Show doch noch möglich. Den nötigen Pfandbetrag, der dafür zu hinterlegen ist, leistete Markus’ Arbeitgeber. »Danke Chef!« Wir sind auf jeden Fall mächtig stolz auf unsere »Büroschlümpfe«, fetten Respekt Markus und Werner.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.