Für die hübsche Harley-Davidson FL 1200 von Privatschrauber Lars Sell schicken wir unsere Frau Reuter aufs Land
Wenn mein Chefredakteur mich bittet, »mal raus auf Land« zu fahren, um ein Motorrad zu knipsen, hat das seine Gründe. Zum einen natürlich, weil es wohl ein tolles Bike zu knipsen gibt. Zum anderen ist aber sicher, weil er Bäume, Sträucher und Rasen grundsätzlich scheiße findet. Ein Vollblutstadtmensch sozusagen, der sich lieber auf frisch gelegtem Estrich bettet als auf einem Tannennadelbett oder gar einer – oh Graus – bunten Sommerwiese.
Wiesen, Felder, Matschwege und Misthaufen
Für den ambitionierten Knipser gibt es vor Ort tatsächlich ein Problem: Location und Hintergründe beschränken sich auf bekackte Scheunenwände, Wiesen, Felder, Matschwege, Hecken und Misthaufen. Als Models stehen maximal ältere Damen mit Kopftüchern und Mistforken oder mal ein Pferd oder ’ne blöde Kuh zur Verfügung. So und nicht anders präsentiert sich der Standort von Lars, der uns (oder besser: sich) diesen wunderbaren Chopper auf Basis einer Harley-Davidson FL 1200 gebastelt hat.

Ich hätte es mir dreimal überlegt, ob ich meinen Samstagnachmittag opfere, um mich mit meiner Dienstsporty durch Kuhscheiße und Maulwurfshügel zu manövrieren, wenn ich nicht gewusst hätte das a) Lars ein krankhafter Bastler ist, der alles anders machen will als die anderen und b) Micha – ein uns wohlbekannter Lackmeister – Hand an Rahmen und Blechteile gelegt hat, was immer für einen bunten Blumenstrauß der Überraschungen sorgt.
Harley-Davidson FL – Ein Chopper ist ein Chopper
Und natürlich werde ich nicht enttäuscht. Ein Chopper ist ein Chopper, wenn er einen Starrrahmen mit zwei Rädern und einem Motor hat. Vielmehr braucht es nicht zum Chopper. Na klar: Gabel und Lenker und einen kleinen Tank. Dann ist aber wirklich Schluss. Höchstens noch Schutzbleche, eigentlich nur eines, und zwar hinten. Licht kann, muss aber nicht. Nach diesen Grundregeln hat Lars geschraubt. Und seine Harley-Davidson FL 1200 ist damit ein Vorzeige-Oldschooler.

Als Basis präsentiert sich ein 52er Starrrahmen mit passendem Motor, der allerdings momentan auf der Werkbank steht. Um fahren zu können, hat Lars sich als Ausweichaggregat für einen S&S Panhead entschieden. Mit 1600 Kubik, die natürlich per Fuß angetreten werden, kann man mittels Burnout sogar angetrocknete Kuhfladen entzünden.
Wahre Geschihcten aus dem Schwedeneck
Hier oben im Schwedeneck eine bewährte Methode, das Heizmaterial in Brand zu stecken. Wer also mal nach Norddeutschland kommt und einen alten Mann oder eine alte Frau auf einer ebenso alten Kreidler oder Zündapp sieht, die mit Vollgas auf der Stelle steht und massig Qualm verursacht, der weiß: Aha, hier wird Heizmaterial entzündet. Der glühende Fladen wird dann in feuchte Decken eingehüllt und zum heimischen Ofen getragen. Diese Geschichte ist ziemlich wahr.
Doch zurück zu Lars. Das geometrische Konzept stand bereits Anfang 2012. Das Bike wurde komplett zusammengebaut, bevor es ans Lackieren ging. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass man sich sicher sein kann, dass alle Teile zueinander passen und es später keine Probleme mit Passungenauigkeiten gibt, die stets für unliebsame Lackschäden sorgen. Wieder zerlegt, haben Lars und Micha erstmal ’ne Riesentüte geraucht und sich „Aladin und die 40 Wunderlampen“ auf Video angeschaut. Das hat etwa drei Tage gedauert.
Halrey-Davidson FL 1200 mal in orientalisch bunt
Danach stand das Konzept der Lackierung fest: Orientalisch bunt mit Anleihen an chinesische E-Gitarrenlackierungen und dem Gästeklo von Friedensreich Hundertwasser. Damit es romantisch bleibt, wurde dem orangegelben Lack goldenes Flake in unterschiedlichen »Anlassfarben« verpasst, bevor die Klarlackschicht drüber kam. Die Rottöne sind Verwandte des »Candy Apple Red«, das vielen Fender-Gitarristen bestens bekannt ist. Um noch einen draufzusetzen, hat Micha geflammte Blattgoldapplikationen hinzugefügt.
Insgesamt eine Scheißarbeit, die sich gelohnt hat und sich wohltuend zum mittlerweile salonfähigen Mattschwarz vieler Serien- und Custombikes abhebt. Was die beiden geritten hat, allerorten noch Strasssteine aufzukleben, entzieht sich meinem Verständnis, sorgt aber für spitze Aufschreie bei weiblichen Betrachtern des Motorrades. Das ist natürlich auch viel wert. Insgesamt also ein Outfit, das sich an der Grenze zwischen gewagt tuckig und akademisch freigeistig künstlerisch bewegt. Einigen wir uns auf Letzteres, sonst hab ich morgen eine Mistforke im Arsch.
Flügelmuttern als Steckenpferd
Aber das Erscheinungsbild eines Choppers besteht nicht nur aus Lackarbeiten. Auch die technischen Details laden zum Verweilen ein. Lars Steckenpferd sind seit frühester Kindheit Flügelmuttern. Psychoanalytiker hätten wohl die wahre Freude an ihm. Wo man auch hinschaut: Flügelmuttern. Dazu noch aus Messing.
Klar: Das Messing macht sich optisch sehr schön neben den Gelb- und Rottönen. Der Vorteil bei der Wahl von Messing – auch bei vielen anderen Anbauteilen bevorzugt – ist seine wunderbare Formbarkeit durch Fräser, Bohrer und Drehbank. Messing ist weich und selbstschmierend, bekommt an der Luft auf Dauer eine sympathische Patina und lässt sich jederzeit wieder problemlos auf Hochglanz polieren.
Urologiezentrum Bornhöved-West
Ganz wundersam wird es bei den metallenen Krönchen, die auf den Federn der Springergabel sitzen und sich sogar als Tankdeckel wiederfinden. Speziell der Tankverschluss – ein ausrangierter Rektalfräser aus dem Urologiezentrum Bornhöved-West – ist ein echter Eyecatcher. Die Zacken sind frei Hand eingefräst, in der Mitte findet sich ein Glasstein in knalligem Rot, das mich an den Lemberger Rotwein von gestern Abend erinnert. Auch hier sind am Rand wieder klare Strasssteine aufgeklebt.

Alle Steinchen sind mit speziellem Schmucksteinkleber angeheftet, der auch bei ruppigsten Vibrationen garantiert hält. Mein persönliches Highlight ist jedoch die Kontrollleuchte für Öldruck und Fernlicht, die sich im mittleren Krönchen auf der Gabel befindet. Diese mehrfarbig leuchtende LED ist so wunderbar versteckt, so einfach ins Gesamtbild eingefügt, dass mir beim ersten Erblicken fast die Spucke wegblieb. Da muss man erstmal drauf kommen!
Oldschool: Ratchet-Top und Kickerdeckel
Unter dem vierteiligen Sattel, der einen kotzenden Wikinger samt skandinavischer Ornamentik zeigt, befindet sich der Öltank. Er wird von nur zwei durchgehenden Bolzen am Rahmen gehalten und ist im Falle des Falles in Sekundenschnelle ausgebaut. Das schöne, über 50 Jahre alte Ratchet-Top-Getriebe hat noch den rundlichen Kickerdeckel der Panhead-Ära.
Das Kickerpedal ist mir schlicht unheimlich. Es sind ja immerhin 1600 Kubik, die angetreten werden wollen. Und das mit einem Pedal ohne Gummi – ich sehe im Geiste blutige Schienbeine und abgerissene Schuhsohlen vor mir. Lars ist aber komplett entspannt: »Geht wunderbar. Man muss nur wollen.« Na denn …
Mehr Rake für die Harley-Davidson FL 1200
Die Springergabel hat Standardlänge, verfügt aber über 3 Grad mehr Rake. So bleibt der Rahmen schön parallel zum Boden, obwohl hinten ein 15“-Hinterrad verbaut ist. Zusammen mit dem 21-Zoll-Vorderrad ergibt sich eine seit Jahrzehnten bewährte Chopperbestückung in Sachen Reifen.
Dass so ein schönes, einfallsreich aufgebautes Motorrad zwischen Kuhfladen und kackenden braunen Pferden fotografiert werden musste, ist eine Schande, ich gebe es zu. Aber gerade hier, in der beschissenen norddeutschen Frühherbstlandschaft, hebt sich die Kiste in aller Pracht wohltuend von ihrer Umwelt ab.
Kuhfladen zum Glühen bringen
Ich breche nachhaltig hoch beeindruckt zur Heimfahrt auf. Unterwegs versuche ich noch, mit dem Hinterrad einen Kuhfladen zum Glühen zu bringen, was mir aber nicht gelingt. Ich bin eben kein Eingeborener. Und ich hab auch keinen Rektalbohrer als Tankverschluss. Man kann eben nicht alles haben.

Nur was für echte Spinner und kein Motorrad, unpraktisch und grottenhäßlich, Harley custom eben. Die Landschaft ist da deutlich besser!
Ich finde den Ofen gut gelungen, nicht zum Fahren geeignet aber dafür hat man ja noch das Serienmoped.
In Schwedeneck schraubt man nicht nur. „Do wad du wullt, de Lüüd schnackt doch“ . ALSO, der Lars und die Maschine sind perfekt. …UND zu einer 1200er gehört der Kick mit Start !!! ( Habe ich auch mal ein paar Wochen bewegt.)
Bis auf paar Kleinigkeiten ein schönes Moped. Allerdings sollte die Redaktion schon Wissen , dass 1. Kein Wishbone Rahmen (Bj52) verbaut ist, und 2. der Hinterreifen nicht in den Original Rahmen passt… Insofern nicht ungefährlich , wenn der an den richtigen Police Officer kommt.