Blick zurück: 2011 gewinnt Andreas Halbrecht mit seiner Harley Panhead unseren CUSTOMBIKE-Wettbewerb. Der Umbau gefällt auch heute noch

»Stell dich nicht so an«, die Ansage von Andreas’ Frau ist kurz, knapp und auf den Punkt. Sechs Monate hatte er immerhin an seiner Panhead gebastelt, getüftelt, geschwitzt. Und nun ziert sich der Allgäuer so dermaßen, sein Mopped zu unserem diesjährigen Custombike-Wettbewerb einzusenden.

Nur mittelmäßig erfolgreich

Vielleicht noch zu frisch die Erfahrung von zwei Jahren zuvor, als er mit einer eingeschickten Custom-WLA nur mittelmäßig erfolgreich war. Doch was soll Mann machen, wenn Frau nicht locker lässt. Also findet Andys Pan doch den Weg in die Redaktion und schließlich auch den ins Heft.

So sehen Sieger aus: Auf unserer Messe CUSTOMBIKE 2011 werden Andreas Halbrecht und seine Harley-Davidson FLH ihren Siegerpokal live in Empfang nehmen

Den Rest erledigen unsere Leser. Mit ebenso klarer Ansage wie Andys Frau küren sie den Oldschooler zum Sieger. »Ich freu mich wie Sau, das ist echt total unerwartet«, ist der Woringer von den Socken, als wir ihn über seinen Sieg informieren. Dabei ist so ein Erfolg letztlich nur die Konsequenz einer langen Leidenschaft.

Harley Panhead, am liebsten im Originalrahmen

Mit 12 bekommt Andy eine Hercules geschenkt, baut sie um, ist infiziert. Und fährt gerne schnell. Mit 16 der Führerschein, mit 18 die GSXR 750, danach eine 1100er Gixxer – eine Karriere, wie sie sicher viele von euch hinter sich haben. Und das Schrauben gehört immer dazu. Als der Nachwuchs kommt, legt unser Held drei Jahre Bike-Pause ein, danach gehts weiter: Ducati Monster, was Schnelles für zwischendurch. Und doch ist da auch der Wunsch, mal richtig was zu Schrauben, was Altes am besten und am allerliebsten eine Panhead im Originalrahmen.

Die Räder ersetzt Andreas vollständig, vorne und hinten rollt er auf 16 Zoll-Speichenfelgen. Und selbstredend wird angekickert, nicht angekleckert

Andy beginnt mit seiner Suche nach einer Basis und findet … nichts. Nach eineinhalb Jahren vergeblicher Mühe kauft er günstig eine WLA, nimmt sich den Flatty zur Brust, Rest wie eingangs beschrieben. »Und dann ging plötzlich alles ganz schnell«, erzählt uns Andy. Von einem Kumpel erfährt er von einer Pan, die zum Verkauf steht. Andere bekommen auch Wind davon, es wird hektisch. In einer Blitzaktion plündert Andy sein Konto, informiert die Familie und schlägt zu. Durchatmen.

Der Aufbau läuft fast zu gut

Ohne einen einzigen Kilometer zu fahren, zerlegt Andy das Bike bis zur letzten Schraube. Alle Teile, die von altem Lack bedeckt sind, werden sandgestrahlt, neu pulverbeschichtet beziehungsweise lackiert. Den Motor überholt der Bastler komplett, spendiert neue Teile, modifiziert und überarbeitet alte, bessert nach und säubert. »Ich habe kein einziges Teil wieder angebaut, ohne es vorher zu bearbeiten, zu optimieren oder optisch aufzupeppen.«

Sämtliche Halterungen, egal ob für Minitacho oder Selbstbau-Fender, werden im eigenen Keller konstruiert und gefertigt und verbaut. Lediglich die farbenfrohe Lackierung übernimmt Fachmann Siggi Zimmer

Wie sonst erklären sich auffälligunaufällige Details wie die kleinen Totenköpfe an den glänzenden Zylinderstreben, die vielen Halterungen und Anbauteile, die im eigenen Keller konstruiert und gefertigt werden, die selbst gedengelten Fender, eine eigenhändig verlegte Elektrik oder das Rücklicht aus einem anderen Klassiker, dem Ford Model A. Der Aufbau seines Traumbikes läuft für Andy wie geschmiert, »fast zu gut«, wie er gesteht.

Harley Panhead in 270 Arbeitsstunden

Als Custompainter Siggi Zimmer seine Endlackierung vornimmt, stecken in der Pan zwar 270 Arbeitsstunden, aber dafür steht auch ein quasi perfekter schmalsportlicher Bobber in Andys Garage. Nach fast 1000 Kilometern purem Starrrahmen-Fahrgefühl reißen knackende Geräusche aus dem Maschinenraum den stolzen Besitzer aus seinen Träumen. Bei der Demontage zeigt sich ein massiver Riss im hinteren Zylinderkopf.

Dem Motor widmet Andreas beim Umbau höchste Aufmerksamkeit. Jedes einzelne Stück Aggregat wird überarbeitet oder ersetzt. Feine Details wie die Skulls machen die Sache rund

Eine Reperatur würde einen sehr großen Aufwand bedeuten. Ungefähr zu dieser Zeit rufen wir das erste Mal bei Andy an und fragen vorsichtig nach einem Fototermin. Immerhin liegt seine Pan in unserem Wettbewerb-Voting von Anfang an in den Top Five.

Start-Ziel-Sieg

Ein letztes Mal muss es schnell gehen. Andy entscheidet sich, Repro-Zylinderköpfe von STD zu verbauen. Wieder gehen viele Stunden mit Basteln drauf, und wir scharren währenddessen mit den Hufen. Erst drei Tage vor der damaligen Magazin-Deadline können wir endlich fotografieren. Am einzigen regenfreien Tage einer komplett wetterversauten Woche. Start-Ziel-Sieg auf der ganzen Linie.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.