Zweimal Harley WLA, zwei Stile, zwei Welten, aber nur ein Erbauer – in Schweden werden alte Traditionen fortgesetzt
»Alte Harley-Teile Kalifornien«, hatte Sebastian in die Netz-Suchmaschine eingegeben. Der Rechner spuckt ein paar Adressen aus. Die liegen prima dicht beieinander, Sebastian nimmt sie in seine Reiseplanung auf. Das ist schon einige Jahre her, der Mann aus Schweden ist damals sehr bekannt. Mitglied des Jokers MF, Tätowierer, Reisender zwischen den Fahrzeugepochen, viele Trends und Stile hat er gesehen und mitgemacht, er ist undurchsichtig, speziell und eigensinnig, eine Institution der schwedischen Szene.
Ein guter Ort
Wer seine Werkstatt in Göteborg gesehen hat, war an einem guten Ort: Hot Rods, Bikes, Teile und Maschinen. Sebastian ist mittendrin. In Kalifornien angekommen, hängt Sebastian mit den Buddys ab, die er über die Jahre in aller Welt getroffen hat, und macht sich auf den Weg, Teile zu finden. Ein Schild an einem alten Haus warnt: »Wer zu nahe kommt, wird erschossen.« Sebastian geht trotzdem hin – ein Hüne von Typ – unfreundlich, laut, bärtig – öffnet die Garagentür, hinter ihm türmt sich Motorrad-Schrott vom Allerfeinsten. »Hast du WL-Teile?«, fragt Sebastian sanft, er wird eingelassen.
Mit einer Sissybar für 150 Dollar verlässt er die Hütte. Einige Teile mehr kommen auf seiner Reise dazu. Zurück in Schweden gehts in die Garage, zu zwei WLAs, beide Baujahr 1942, beide reif für einen Umbau. Der 70er-Jahre-Aufbau in Pink fasziniert, aber wir werfen unseren genauen Blick auf die rattige Fücker-Karre, die noch einen Tacken cooler um die Ecke kommt und alte Rennluft schnuppert.
Die Ära der Harley WLA
Vor fast 100 Jahren raunt das Publikum, wenn Otto Walker sein Kinn gegen den schmalen Tank seiner 8-Valve drückt und den Lenker fest umklammert hält, wenn der Rennsprecher eine durchschnittliche Geschwindigkeit von fast 100 Meilen pro Stunde ankündigt. Harley-Davidson hat den schnellsten Rennfahrer seiner Zeit im Stall, die Europäer schauen nur erstaunt zu, wenn Harley wieder einen Rekord bricht. Aber der Tanz ist schnell zu Ende.
Ende der 20er Jahre kündigt Harley an, nur noch Sidevalve-Motoren zu bauen. Model W ist der erste V-Twin der neuen Generation. 1941 steigen die Amerikaner in den Ersten Weltkrieg ein und die Ws werden in Form der WLA zu den Basismotorrädern der Army. Zylinderköpfe in Alu und Kriegsausstattung unterscheiden sie von den Zivil-Ws. 88.000 WLAs werden im Krieg eingesetzt, 30.000 davon landen bei den Army-Streitkräften in Russland.
Abgeranztes Bike mit großem Herz
Als der Krieg vorbei ist, überschwemmt die Army den Markt mit den Motorrädern, viele davon landen in Schweden. Und zwei letztlich bei Sebastian in Göteborg. Warum wir die Renngeschichte von Harley angedeutet haben? Nun, Sebastian beschließt, die Fücker-Ratte racing-inspiriert zu bauen, zumindest was sein Aggregat angeht. Es ist schon bemerkenswert, dass in einem derart abgeranzten Motorrad ein solches Herz schlägt. Die Jungs von Ormens HD-Service haben ganze Arbeit geleistet.
Der Motor bringt nun fast doppelt so viel PS wie ursprünglich und hat 900 ccm auf der Karte. Mit Handschaltung, Fußkupplung und teurer, aber authentischer Rennmagnetzündung bleibt es trotzdem klassisch. »Die Kupplung geht furchtbar schwer«, räumt Sebastian ein. Sie ist mit massiven Shovel-Federn verstärkt, geschaltet wird per Hand, gekuppelt mittels einer alten Panhead-Mousetrap. Ein Ford T lieferte übrigens das hintere Schutzblech, um die Sissybar schlingt sich bei Ausfahrten eine Gepäckrolle, in der Sebastian eine Batterie für die Lichtversorgung mit sich führt.
Wassel-Tank für die Harley WLA
Was beim Motor an Akribie an den Tag gelegt wird, lässt der Rest des Fückers vermissen. Anarchismus und Nonkonfirmismus erreicht, wer Teile bunt mischt. »Ich nehme da, was kommt«, erklärt Sebastian. Nur der Wassel-Tank musste unbedingt sein, »weil er einfach schön ist«. Sebastian hatte Glück, bei einem schwedischen Schrauber konnte er gleich drei Wassels erstehen, zwei sind auf seinen WLAs verbaut, der dritte wartet noch in einer Werkstattecke auf seine Bestimmung.
Den Öltank ersteht Sebastian auf dem Teilemarkt, er kommt von einer alten Police-Shovelhead und war ursprünglich der Kasten, in dem das Polizei-Funkgerät seinen Platz hatte. Der Lenker ist ein Dragbar, der auf »Hundeknochen«-Risern montiert ist. Auf den schmalen Felgen sind Slicks im Sixties Style aufgezogen – alles ist Racing. Und die Teile nur zusammengeschraubt, nicht lackiert, egal wie alt – daher kommt der rattige Look. Sebastian kickt die Harley an, aus den Shortpipes dröhnt Musik, nicht zu laut, aber doch kraftvoll: »Don’t fück it, let’s ride!«