Ab in den Oktober mit unserer Frau Reuter. Heute im beliebten Werkstatt-Praxis-Test: Buchsen, Schalter und Schnaps
Es ist aber auch wirklich eine trostlose Zeit. Die Nachbarn sind im Urlaub, ich muss mich nun alleine um deren Hühner kümmern, die mir immer auf die Stiefel scheißen, wenn ich ihnen frisches Wasser gebe. Und Hippi und Köppke sind als Aufpasser mit einer Pfadfinder-Gruppe unterwegs – ein Unternehmen, das eigentlich zum Scheitern verurteilt ist. Also kümmere ich mich um das Wesentliche. Ganz wichtig: Das schon ewig wackelnde Bremspedal meiner alten E-Glide. Erstmal zerlege ich alles brav und schaue, wo das Wackeln herkommt. Siehe da: Das Pedal ist ausgeschlagen und der Haltebolzen ist ebenfalls rundgelutscht. Was tun? Richtig: Eine Buchse muss her. So was gibt es für mein Modell aber nicht.
Frau Reuter und die handgemachte Buchse
Den Bolzen hab ich mühevoll etwas angeschliffen, dass er nicht mehr so arg ballig ist, und das Auge vom Pedal kann ich aufbohren. Der Bolzen hat nun 17 mm Durchmesser, das Pedal müsste ich auf 18 mm aufbohren, dann ließe sich eine 0,5 mm starke Buchse einsetzen. Ich entscheide mich als Buchse für ein VA-Rohr aus dem Internet, das hat genau die Maße, die ich brauche: 18 mm außen, 0,5 mm Wandstärke, macht also innen 17 mm. Ich säge es so ab, dass noch etwas übersteht, schleife mit Schmirgel zart in meinem bereits aufgebohrten Pedalauge rum, bis das Rohr ganz knapp rein passt. Auf den Bolzen passt es bereits super. Dann alles schön einfetten, überstehendes Rohr mit der Fächerscheibe entfernen, alles zusammenbauen – super!
Solche Arbeiten kann man nur machen, wenn alle anderen weg sind und man die nötige Ruhe hat. Grundsätzlich ist VA nicht das ideale Material für Buchsen, aber Messing oder Bronze wären bei dem ungeraden Bolzen ganz schnell an den Rändern aufgebrochen. Gerade bei Bauteilen, die ab Werk ohne Buchse auskommen, ist so eine handgemachte Buchse mit 0,5 mm Wandstärke DIE Lösung. Das Rohr hat rund 20 Euro gekostet und ist 50 cm lang. Gefunden hab ich es über eBay bei »Zimmermann-Schalldämpfer«. Die haben reichlich Rohre mit kleinen Wandstärken. Den 18-mm-Bohrer musste ich natürlich mit reduziertem Schaft nehmen, weil meine Bohrmaschine maximal 13 mm aufnehmen kann. So ein Bohrer kostet zwischen 6 und 10 Euro im Fachhandel.
Blinkschalter
Jetzt zum Herbst will ich einen kurzen, frechen Lenker an mein Zweitmotorrad bauen. Weil es Baujahr 76 ist, brauche ich leider Blinker. Und somit einen Blinkschalter und ein Relais. Der Enrico von Wannabe-Choppers haben mir mal einen minimalistischen Blinkerknopfhalter samt Tastern und Relais angedreht, das wird nun zum Einsatz kommen. Während die Taster einen durchweg guten Eindruck machen, ist das Tastergehäuse aus gegossenem Alu etwas gewöhnungsbedürftig. Es wirkt etwa so, als wäre es in der Sandgussepoche eines Waldorfkindergartens entstanden. Nach einigen Schnäpsen und einem Tütchen würde es mein Freund Hippi für prähistorische Roboterkacke halten. Das dennoch charmant wirkende Gehäuse muss vom Customizer selbst am Lenker fixiert werden. Ich muss also ein Loch reinbohren und das Geraffel mittels Madenschraube am Lenker festmachen. Kein Problem, das hatten die Wannabes auf ihrer Homepage bereits angedeutet. Je ein Pol der Taster wird an Masse gelegt, der zweite kommt zum sensationellen Wanna-Cator plus Blinkrelais. Das Relais haben wir Paaschburg & Wunderlich zu verdanken, es ist im Durchmesser nur knapp größer als ein Euro-Stück, komplett wasserdicht vergossen und idiotensicher anzuschließen.
Der Anschlussplan in der Anleitung war für mich allerdings anfangs etwas irritierend, weil hier bei den Anschlüssen von »Eingang« und »Ausgang« die Rede ist. Das ist natürlich kompletter Bockmist, gemeint sind die Leitungen ZUM TASTER und ZUM BLINKER. Das Relais wird also an Plus und Minus angeschlossen, zwei Leitungen gehen zu den Tastern links und rechts und zwei gehen zu den Blinkern links und rechts. Fertig! Die Blinkfrequenz ist immer gleich, egal, ob ihr LEDs oder Glühbirnen mit 18 Watt anschließt. Insgesamt verkraftet das Relais 45 Watt!
Bedienung per Antippen
Der Clou an der Sache ist die Bedienung: Einmal kurz antippen lässt die Blinker drei mal blinken. Einmal etwas länger drücken lässt es zehnmal blinken. Lange drücken bewirkt endloses Blinken, was durch erneutes Tippen gestoppt wird. Finde ich klasse. Und als Bonbon gibt es noch die Warnblinkschaltung, wenn man beide Taster gleichzeitig drückt. Einmaliges Tippen auf einen der beiden Taster beendet das Warnblinken. Das Relais kostet rund 59 Euro und ist definitiv jeden Cent wert, schon wegen der einfachen Verkabelung. Eine Befestigungsöse gibt es nicht, ich lege es einfach ins Lampengehäuse. Der Blinkschalter-Alu-Klumpen samt Tastern kostet um die 120,00 Euro, das ist nicht zu viel, denn er trägt am Lenker nur sehr schmal auf und ist für Minimalisten wie mich ideal. Mal sehen, wie lange die Taster einem Dauerregen standhalten. Mein Freund Christoph ist damit allerdings seit zwei Jahren – direkt in den Lenker geschraubt – unterwegs und hat noch keine Ausfälle zu beklagen. Folglich bin ich optimistisch.
Frau Reuter im Kopfgetriebeöl-Rausch
Ganz zum Schluss sei euch noch dieser köstliche Tropfen empfohlen, den mir letztens jemand mitgebracht hat: 10T30 Kopfgetriebeöl ist eine Art Nuss-Karamell-Likör, geschmacklich irgendwo zwischen abgelaufenem Jägermeister und Sahnebonbon angesiedelt. Mit nur 30% Alkohol ganz klar an die Schwuchtelfraktion gerichtet, finde ich ihn doch aufgrund seiner Aufmachung ganz apart. In jedem Fall ein originelles Mitbringsel in einem bruchsicheren, leichtgewichtigen Behältnis.
Wenn das Ding leer ist, werde ich darin meinen Wein transportieren. Kostet um die 20 Euro im gut sortierten Getränkehandel.
So, ihr kleinen Urlaubshasen, ich werde mich jetzt mit einer gefüllten Wasserpistole und einem leckeren Rotwein neben die Hühner setzen und meinen Spaß haben, da könnt ihr einen drauf lassen. Es grüßt, von allen guten Geistern verlassen, Euer Martin
Frau Reuter
Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.