Ein Trip zur Ace Cafe Reunion zählt zum Pflichtprogramm für Cafe Racer-Fahrer, Anfang September ist es wieder soweit

Zwei Uhr morgens, Treffpunkt Aral-Tanke, BAB Abfahrt Stelle/Maschen. Kaum einer hier hat nennenswert geschlafen. Nach einer kurzen Begrüßung geht es auf die Bahn in Richtung Frankreich. Zum Glück vertreibt massive Vorfreude die Müdigkeit. Duisburg, Eindhoven, Antwerpen, Gent, Dunkerque – knappe zehn Stunden später stehen wir dann vor dem P&O-Fährterminal in Calais.

Das Knistern der Motoren

Die Mittagssonne brennt, die Motoren knistern. Schon jetzt scheint sicher: Das wird ein fantastisches Wochenende. Erst nachdem die Bikes fest auf dem Zwischendeck der »Spirit of France« verzurrt sind, wird es Zeit für ein verdientes Schläfchen an Deck. Ein paar der Mitglieder der Rockers Hamburg hatten schon lange davon gesprochen, dass, wenn man ein klassisches Sportmotorrad fährt, ein Trip zum Ace Cafe unausweichlich sei.

In vielen Kulturen gilt die 13 als Unglückszahl. Bei den Rockers Hamburg sieht man das anders. Außerdem ist die 13 die sechste Primzahl. Oder was?

Und zwar zum Reunion Weekend, an dem zwei Tage lang zunächst mit ein paar Tausend Gleichgesinnten in London abgefeiert wird, und dann am Sonntag beim Brighton Burn-Up unfassbare 40.000 Motorräder gnadenlos über das schicke Seebad Brighton herfallen. Beim Rest der Truppe haben sie damit offene Türen eingerannt. Blümerante Fährfahrt, Newcastle Brown Ale, stechende Schultern ob der fragwürdigen Ergonomie von Clip Ons und verkehrt herum durch den Kreisverkehr: Das klänge nach einem seriösen Freizeitvergnügen, war man sich einig.

Eine breite Bike-Palette

Schon bald hatten sich 13 Mitglieder der Cafe Racer-Fahrgemeinschaft zusammengefunden, um den Trip im September gemeinsam anzugehen. Von stilsicheren Norton- und Guzzi-Racern über je zwei Honda CB 750 in mint condition, gecafften Thunderbirds und Yamaha XJs bis zu Ducatis und einer Z 1000 sollte die Palette der Motorräder reichen.

Cafe Racer im Wortsinn: Diese BSA A 65 parkt vor dem Ace

Nach eineinhalb Stunden Fährfahrt folgt ein schneller Ritt von Dover vorbei an Canterbury und durch den Dartford Tunnel bis in den Westen von London, bald stehen wir vor dem Ace, dem bekanntesten Biker Cafe Englands. Um diese Zeit brennt hier schon die Luft. Junge Kerle aus den Suburbs dezimieren lautstark das Reifenprofil ihrer Streetfighter, alte Recken in Nietenjacken erzählen von Zeiten, als sie Fausthiebe einer ethischen Debatte vorzogen, Moto GP-Legende „Fast Freddie“ Spencer gibt Autogramme, dazu spielen Bands wie die Sureshots auf.

Das Ace Cafe – Pflichtprogramm für Cafe Racer

Wir ertränken den Schlafmangel mit Boddingtons Bitter, was gut funktioniert. Und am nächsten Morgen fahren wir nach einem sausage- und bohnenhaltigen Breakfast erst einmal ins Zentrum der britischen Hauptstadt – im Getümmel von Camden Town. Szene-Kids, Hooligans, studentische Veganer und konsumfreudige Touristen – Londons größter Open-Air-Markt ist bunt, laut und abgedreht, vor allem bei bestem Spätsommerwetter.

Den Tresen in Sichtweite: Ein Stellplatz direkt vor dem Café ist an diesem Wochenende heiß begehrt

An den Häuserfassaden kleben Flugzeugrümpfe und überdimensionale Converse-Turnschuhe, gespeist wird hier auf hunderten abgesägter Rollerhecks als seltsame Sitzmöbel. Bereits am frühen Nachmittag kehren wir jedoch zurück zum Ace Cafe, wollen wir doch die unvergleichliche Atmosphäre und die Bikeshow, die 3rd annual Cafe Racer Review, nicht verpassen. Besucher aus Frankreich, Italien und sogar Japan sind mit ihren Maschinen angereist. Kompressor-Commandos parken neben Harris-Specials, GSX-R-Ratten neben Clubman-Enfields.

Brighton Burn Up

Sonntagmorgen reihen wir uns um 10.30 Uhr ein in die Kolonne zum Brighton Burn Up vom Ace Cafe zum Madeira Drive im Seebad Brighton. Die gesamte Strecke ist gesäumt von Motorradfahrern, immer mehr Bikes folgen dem gigantischen Strom in Richtung Süden. Die Guzzi kämpft mit Zündaussetzern, die Norton verliert einen Amal-Vergaser, erst nach ein paar Bastelarbeiten erreichen wir daher die Küste der Insel.

Als wir gegen 16 Uhr verspätet auf der Promenade von Brighton einlaufen, machen sich die ersten der Biker – manche sprechen gar von fast 100.000 Teilnehmern – bereits auf den Heimweg. Aber dennoch bleibt der Eindruck imposant. Mod-Clubs mit chrombehangenen Scootern, lärmende Supersportler, Harley-Gangs und überall Cafe Racer (die meistgesehenen Bikes waren eindeutig die Bonneville- und Thruxton-Modelle von Triumph) bevölkern die 150.000 Einwohner-Stadt.

Der Ansturm der Ton Up Boys

Vergeblich krächzen die Möwen gegen den ungedämpften Klang der Zweizylinder an. Fish and Chips-Buden, edle Strandcafés und asiatische Hinterhof-Karaoke-Schuppen – kein Ort ist sicher vor dem Ansturm der Motorradfahrer. Auch die Besucher der Spielhallen und Restaurants auf dem neon-gleißenden Brighton Pier bestehen an diesem Wochenende vornehmlich aus Lederjackenträgern.

Mit den Cafe Racern durch London

Da das Motorradfahren auf der Insel bislang fast ausschließlich aus Fahrten über schnurgerade Motorways bestand, fehlt zum vollendeten Glück noch ein Fahrtag über geschwungene britische Landstraßen. Kein wirkliches Problem, sind doch die Küstenwege zwischen Eastbourne, Hastings und Rye kurvenreich, gut ausgebaut und bieten fulminante Ausblicke auf die weißen Klippen.

Ahoi Rockers!

Vorbei an Beachy Head und kleinen Pubs, macht der 170-Kilometer-Ausritt am letzten Tag den Trip zu einer runden Sache. Kurz vor Folkstone erleidet eine der XJs einen Elektrik-Totalausfall, den wir zum Glück schnell beheben können. Als wir den Hafen von Dover am Horizont erblicken, läuft gerade unsere Fähre ein. Jetzt noch zehn Stunden die Zähne zusammenbeißen, bis die Elbe die Rückkehr ankündigt. Ahoi Rockers!

Infos | acecafelondon.de

 

 

Dirk Mangartz