Leider hat es das Dirtquake nicht geschafft, sich zu etablieren. Daher ein wehmütiger Blick zurück zu unserem Besuch 2015

Lypisch englischer Humor und untypisch englisches Wetter, die Voraussetzungen für einen Trip auf die Insel hätten nicht besser sein können. Es ist 2015, wir hängen uns an den gelben Bus der Jungs von W&W aus Würzburg und gondeln Richtung King’s Lynn und die dortige Norfolk Arena. Immerhin hatte uns Thomas, alter Dirttracker und Rennexperte versprochen, dass wir ordentlich was zu sehen bekommen auf dem Dirtquake, dieser einzigartigen Rennveranstaltung für Freunde gepflegter Schmutzstrecken.

Dirtquake – Fahren in vier Klassen

Zum vierten Mal hatten die Kollegen vom Sideburn Magazine die Sause bei unserem Besuch angezettelt und nur in England ist das Ding wirklich original, der damalige amerikanische Ableger des Events kam später ins Spiel. Beim Dirtquake wird in vier Klassen gefahren: »Chopper«, »Street Tracker«, »Ladies« und – unsere liebste Kategorie – »ungeeignete Straßenmaschinen«. Markengebunden ist innerhalb der Klassen aber nichts mehr, von der BSA-Antiquität bis zur aufgeputschen Vespa fährt alles mit, was zwei Räder hat.

Motorrad-Limbo für Fortgeschrittene. Die leichten Tracker schaffen den tiefen Drift am ehesten

Und weil unser Freund Thomas mit der alten  Panhead, die schon auf der PanAmericana im knietiefen Schlamm gesteckt hatte, fahren wollte, erlaubten sich die W&W-Mannen, rechtzeitig noch eine weitere Rennklasse auszurufen, die »Harley Class«. Auf dem Dirtquake nimmt man alles nicht so genau, ihr merkt es schon. Und vor allem nehmen sich alle Beteiligten nicht wirklich ernst, oder wie sollen wir Programmpunkte wie Motorrad-Limbo, Moped-Seilziehen oder Kinder-Fahrradrennen sonst erklären. Ganz zu schweigen von den Comedy-Moderatoren oder den zahlreichen Verkleidungen, in denen hier die Strecke geentert wird. 

Endlich Dreck fressen

Und dann gehts ab. Nach einer kurzen Parade aller Fahrer wird endlich Dreck gefressen, die Harleys dürfen als Erstes. So brettern mehrere Evo Sportster, eine aufgebohrte Flathead, drei Eisenkopf-Sportster und eine Starrrahmen-Shovelhead volle Pulle im Kreis, unter großem Jubel der bunt gemischten Zuschauerschar, für die diese hochverdichteten drei Stunden Lärm und Staub ganz klar beste Familienunterhaltung sind.

Das Dirtquake ist ein massiver Spaß, der sogar gestandene Rennfahrer wie Guy Martin auf den Plan ruft

Die anderen Klassen stehen dem Vergnügen, das die Harleyjungs verbreitet haben, dabei in nichts nach. Das Dirtquake ist einfach nur ein massiver Spaß, der sogar gestandene TT-Fahrer wie Guy Martin auf den Plan ruft. Der war mit einer bissigen Evo-Sportster mit dezent verlängerter Gabel angetreten und holt sich am Ende den Harley-Klassensieg. Ein paar Stürze gab es übrigens auch, alle gingen glimpflich aus – mal abgesehen von einem ausgekugelten Finger, einer gebrochenen Rippe und einem Schneidezahn, der beim sportlichen Handschuhausziehen im Handschuh blieb statt im Kiefer.

Dirtquake – Bierstarre inklusive

Dazu mag die eine oder andere Bierstarre nach den Rennen gekommen sein. Und Thomas? Der hat sich wacker geschlagen und erreicht einen fünften Platz – mit einer Maschine, die normalerweise im Museum zu Hause ist. Einen Eindruck von der lustigen Sause findet ihr unten in der Bildergalerie. Immerhin bis 2019 findet das Dirtquake im Anschluss noch statt, nach der Corona-Pause ist es aber wie viele andere Events aus dem Kalender verschwunden. Schade drum!

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.