Nachdem Stefan aka Flaui sein Honda-VT600-Projekt fertiggestellt hat, stürzt er sich direkt in die nächste große Herausforderung: eine Softail mit Evo-Motor.
Wer über Monate an seinem Motorrad schraubt, umbaut, hirnt, nach Lösungen sucht und immer wieder Widerstände überwinden muss, ist irgendwann in seiner ganz eigenen Welt und hat einen völlig anderen Rhythmus als sein Umfeld. Ist das Projekt dann fertiggestellt folgt quasi ein kalter Entzug. Zwar ist der Stress weg, aber auch die Aufgabe. Für Stefan vielleicht der Grund, sich nach der Fertigstellung seiner Honda Shadow nach einer neuen Herausforderung umzusehen. Und was wäre naheliegender, als sich endlich mal einen Eisenhaufen aus Milwaukee vorzunehmen? Schließlich steht eine Harley schon seit Längerem auf seiner Liste. Zeit, sich umzusehen und eine passende Basis für die Wintermonate zu finden.
Ein Winterprojekt muss her
Über eBay-Kleinanzeigen findet Stefan eine Softail Heritage Classic, Baujahr 1989. Die Harley steht sogar in der näheren Umgebung und soll für 5.500 Euro den Besitzer wechseln. »Leider war das Bike in einem, vorsichtig gesagt, erbarmungswürdigen Zustand, was aber für zehn Jahre Standzeit nicht weiter verwunderlich war«, so Stefan zur ersten Besichtigung. Trotzdem geht er volles Risiko und übernimmt die Harley, um sie umzubauen. Doch die anschließende Bestandsaufnahme ist ernüchternd. »Die Ummantelung der Benzinleitungen war inzwischen fast wie Kaugummi, fast alles, was mit Sprit in Berührung gekommen war, war verharzt und die Bremsen waren leider auch fest.«
Die Basis ist erbarmungswürdig
Trotzdem bleibt Stefan im guten Glauben, nicht allzu viel Kohle in seiner Neuerwerbung versenken zu müssen. Ein Irrtum, wie er während des Umbaus feststellen muss. Zudem hat er sich, wie bei seinen Projekten zuvor, die Messlatte wieder hoch gelegt. Nichts weniger als ein Bobber im Frisco-Style schwebt im vor, natürlich mit Springergabel.
Auf den Custombike Summer Days in Mannheim nimmt das Projekt dann aber eine weitere Wendung. Am Stand von Custom Corner entdeckt er die New-School-Girder-Gabel. Damit ist die Springergabel Geschichte und Stefan direkt eine Menge Scheine los. Doch gleichzeitig gibt ihm das neue Bauteil einen Schub. Der Bobber soll jetzt flach werden, mit blankem Metall, reduziert auf das Wesentliche, dazu Speichenräder mit Radialreifen. An Inspiration mangelt es ihm jedenfalls nicht.
Erleuchtung auf den Custombike Summer Days
Mit den Monaten nimmt der Umbau immer mehr Fahrt auf und bekommt die typische Eigendynamik, der man sich bei solchen Projekten selten entziehen kann. Dazu kommen immer wieder Überraschungen, die neue Lösungen erfordern. So entpuppt sich der Motor als revisionsbedürftig. Stefan überlegt, ihn zu einem Spezialisten wegzugeben, doch die Wartezeiten sind lang, zu lang für ihn. Er entschließt sich, das selbst zu übernehmen. Wozu gibt es YouTube? Auf der Plattform sind zu fast jedem Thema ausführliche Tutorials zu finden, und so gelingt auch die Motorrevision. Das Bike ist inzwischen komplett zerlegt und der Wiederaufbau nimmt langsam Gestalt an. Selbst die Elektrik bremst den Schwarzwälder nicht mehr aus. »Ja«, meint Stefan lachend, »die habe ich dann auch noch selbst gemacht.« Wieder dank der Unterstützung aus dem Netz.
Die Anleitung kommt von YouTube
Da der Autodidakt nun voll im Rhythmus ist, sind auch die Metallarbeiten kein Hindernis mehr. Was er nicht selbst erledigen kann, gibt er ab, oder kauft entsprechende Parts wie Lenker und Auspuffanlage hinzu. »Die großen Dinge waren nicht das Problem, meist sind es Tausende von Kleinigkeiten beim Umbau, die dir das Leben schwer machen und unfassbar viel Zeit kosten.«
430 Werkstattstunden und reichlich verbrannte Kohle
Da kommt es dann auf die Umrüstung von Zahnriemen auf Kette auch nicht mehr an. Über die Wintermonate ackert Stefan durch, weit bis ins Frühjahr hinein. Mit dem Mai kommt auch die letzte Hürde, der TÜV. Im zweiten Anlauf bestehen Stefan und sein Bike die Prüfung und dürfen ab sofort mit amtlichem Segen ihre Umwelt verunsichern. Vergessen sind nun die rund 430 Stunden in der Werkstatt, und über die verbrannte Kohle sollte man besser nicht mehr nachdenken. Schließlich steht jetzt auch entsprechender Wert dagegen. Wie geht es nun weiter, jetzt, da der kalte Entzug ansteht? »Ich bin für alles offen«, meint Stefan verschmitzt. Vielleicht hilft ja Sich-den-Arsch-Abfahren gegen die Entzugserscheinungen. Während der Stunden auf der Straße sollen einem ja angeblich die besten Ideen kommen.
…tausend Danke für den tollen Bericht und die mega Bilder.
Wie immer geniale Berichterstattung von Christian Heim…
Danke und Gruss,
Flaui