Einzylinder sind auf der Achtelmeile Mangelware, KTM auch. Eine klar umrissene Mission für Verbrennungsfanatiker Reinhold Berreiter.
Da steht es nun, das Biest namens RBF One 796, scharrt mit den Hufen und will nur eines: übermächtige Gegner verschlingen. Momentan aber gibt’s nur einen Weg, ihm sein Mütchen zu kühlen: es in den Regen hinauszuschieben. Gegner jedenfalls wird es heute nicht mehr vertilgen, denn das Buffet – vulgo die Sprintstrecke am Glemseck – wird sich an diesem Sonntag nicht mehr öffnen.
Die KTM wäre kaum zu bändigen
Besser ist das. Auf nassem Asphalt würde Fahrer Sepp Frauenschuh, seines Zeichens KTM-Tuner, 57-jähriger Renn-Haudegen und in Oschersleben gerade frisch gekürter Supermono-Europameister, das Motorrad kaum bändigen können. Schon den durch konventionelle Tuningmethoden erreichten 96 Pferden können auf nassem Asphalt die Hufe gehörig durcheinandergeraten. Bevor die Lachgaseinspritzung zündet. Mit ihr und ihren 128 PS samt 148 Newtonmetern gäbe es dann gar kein Halten mehr: Bein gebrochen. Gnadenschuss.
Schade ist es trotzdem. Schon im Vorjahr war Sepp auf der Vorgängerin RBF One 675 ins Rennen um die am schnellsten zurückgelegten 201 Meter gegangen. Ein Rennen David gegen Goliath. Gleich im ersten Lauf stand ihm eine Rocket III von Triumph gegenüber. Hubraumdefizit? Mehr als 1,6 Liter. Leistung? Reden wir nicht drüber. Im Trainingslauf fehlte Sepp dennoch nur ein Wimpernschlag. Im Wertungslauf stieg ihm dann die Motivation zu Kopfe – und der One auch: Stolz hob sie ihr Vorderrad, verlor dabei aber die entscheidenden Zehntel.
Wer würde sich für den Kampf auf der Achtelmeile einen Einzylinder aussuchen? Ein KTM-Händler!
Das war der Moment, in dem Schöpfer Reinhold Berreiter beschloss, im Jahr drauf wiederzukommen. Aufgerüstet. Nicht auf Augenhöhe, aber doch gewappnet. Nicht auf Augenhöhe? Na ja, Einzylinder finden sich im Sprintzirkus praktisch keine. Zu wenig Dampf. Wer würde sich für den Kampf um die Meile trotzdem einen aussuchen? Richtig, ein KTM-Händler natürlich, so einer wie Reinhold. Fight the Fat, lautet der alte Supermoto-Slogan. Und so kehrt er aus dem bayerischen Neuötting, wo er das Team Berreiter betreibt, mit der RBF One 796 wieder. RBF wie Race Bike Factory, One wie ein Zylinder, 796 wie 796 Kubik. Und damit steht er am Glemseck nun im Regen.
Tuningspezialist ist der Mann, Mechaniker durch und durch, Porsche-Fan, Verbrennungsfanatiker, zugleich rennverstrahlt. Ein Sprintbike hat er vorher noch nie gebaut, als er 2016 zum ersten Mal am Glemseck ist und sich infizieren lässt. Hochgerüstetes Material sieht er da, mit Liebe, Leidenschaft und unbedingtem Siegeswillen gebaut. KTM kommt am Glemseck praktisch nicht vor. Für einen wie ihn ist das Ansporn und Mission zugleich.
Warnweste statt Leder
Und so rupft er, zurück zu Hause, eine LC4 Supermoto in der Erscheinungsform vor 2007 auseinander. Sound, Formen, Gefühl, Vibrationen, Dynamik: Eine Skulptur auf zwei Rädern will er bauen, ein Denkmal der Emotionen, das uns an die Quellen der Sucht zurückführt. »Warnwesten statt Leder, alles voller Elektronik, Sicherheit statt Spaß, Passagier statt Fahrer. Das ist wie künstliche Befruchtung statt schmutziger, ehrlicher Sex.
Wen wundert es da, dass die Jugend Motorradfahren öde findet? Echt beschämend ist das«, echauffiert sich Reinhold im vollen Bewusstsein unserer Anteilnahme. Sein gelebtes Credo: Mit Minimum zum Maximum, wie Porsche im Rennsport früher. Übertragen aufs Motorrad: ein Zylinder, zwei Räder, vier Takte und die direkte Verbindung von der rechten Hand zum Asphalt.
Ein böser Motor
An den Motor lässt er Sepp Frauenschuh. 675 Kubik verpasst der ihm, Rennnocken, High-Flow-Zylinderkopf, 41er-Keihin-Flachschieber, K&N, Rennkupplung und eine Titan-Anlage von Akrapovic. 75 PS und 80 Newtonmeter spuckt der Single nun. Um die Peripherie kümmert sich Reinhold. Den Gitterrohr-Heckrahmen baut ihm Metallkünstler Jackson aus Neumarkt St. Veit, bei dem Reinhold alle Metallarbeiten machen lässt. Reinholds Mitarbeiter Hans Wagner hängt unzählige Stunden in die Elektrik: Schaltpläne machen, Taster verkabeln, Kabelbaum bauen. Den Höcker am Heck modellieren sie selbst, das erste Mal, Neuland. Auch das kostet Zeit und noch mehr Nerven, „wir haben aber auch viel gelernt“.
Reinhold integriert einen Exzenter zur Höheneinstellung in die Aluschwinge und verpflanzt ein WP-Fahrwerk in Racing-Abstimmung – als WP-Spezialist kennt sich der Mann damit aus –, dazu einen Brembo-Vierkolbensattel vorn und Excel-Speichenfelgen. Unter anderem. 130 Kilo zeigt die Waage am Ende. Kein schlechtes Leistungsgewicht. Und dann gibt’s noch grauen Lack, schiefergrau genau genommen. Wie Steve McQueens Porsche 911 in »Le Mans«. Doch wie wir schon wissen: Es reicht nicht.
Die nächste Chance
Neue Basis ist eine 690er Duke III von 2008: 796 ccm, Racing-Nocken, Racing-Zylinderkopf, 96 PS für den Start. Dann der Nachbrenner aus der Lachgasflasche unterm Heck: 128 PS und 148 Newtonmeter wirken auf 133 Kilogramm. Siegfähig. Theoretisch. Die Enttäuschung ist groß. Aber die nächste Chance wird kommen. Dann wollen Reinhold und Sepp noch mal angreifen.
Zwei straßenzulassungsfähige Ableger seiner Race-Bikes hat Reinhold schon gebaut, eines auf Duke-690-Basis an den Rennfahrer und zweifachen Le-Mans-Sieger Manuel Reuter verkauft. Der Motor muss dann serienmäßig bleiben, Gewichtstuning und Edelparts gehen aber natürlich immer. So einen Typ würde er auch anderen Interessenten wieder bauen. „So etwas wie die RBF One bauen wir nicht mehr, das ist für uns als kleiner Betrieb zu aufwendig.
Brotlose Kunst
»Selbst wenn wir da 25.000 bis 30.000 Euro bekommen, ist es immer noch brotlose Kunst.« Für besondere Aufträge aber ist Reinhold immer zu haben. Das hört man aus seiner Begeisterung heraus, wenn er über seine RBF-Modelle spricht, über Motor- und Fahrwerkstuning, über KTM, über den Wettbewerb. Irgendwann fällt in unserem Gespräch das Kürzel RBF Two. Phantasie Marsch! Da scheint uns noch einiges zu erwarten.
Guido Kupper
Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben