Kai treibt in Florida seine BMW R 90 als Chopper um die Kurven, denn klar: Wer auswandert, sichert sich trotzdem gern ein Stück alte Heimat

»Als ich nach Florida kam, konnte man hier eine BMW für unter 500 Dollar kaufen. Ich war im Paradies.« Gut, es wäre vermessen, zu behaupten, dass Kai Stauch sich aufgrund der guten Gebrauchtpreise für ein Leben in Florida entschied. Vielmehr war seine Frau, die er während eines einmonatigen Aufenthaltes hier kennenlernte, der Grund für die Auswanderung. Bis dahin war der gelernte Feinmechaniker schon viel unterwegs gewesen.

Schon immer Motorräder

Mit 25 das große Abenteuer: Einmal quer durch Griechenland, die Türkei, Syrien, Jordanien und Agypten. Nach den Erfahrungen dieser Reise fiel es ihm schwer, in Deutschland wieder Fuß zu fassen. Nur Motorräder, die waren immer am Start. Eine Zündapp auf 90 km/h gezwirbelt, schon während der Ausbildung.

Tief sitzen, hoch greifen: In den frühen Siebtigern kam die Chopper-Welle aus den USA nach Deutschland. Mit dieser BMW aus Florida schließt sich der Kreis

Dann mit 18 eine 750er Honda K6, danach Enduro-Rennen und der Traum von der Teilnahme an der Paris-Dakar. Ein Wunsch, der am fehlenden Geld scheiterte. 1997 schließlich der Schritt in die USA und ein Job als Mechaniker. Bis dahin gehörte Kais Herz in Sachen Motorrädern eigentlich immer den Cafe Racern und Enduros, aber wer einmal in den USA gelandet ist, wird doch recht schnell von anderen Customs fasziniert sein: »Bobber sind halt so einfach zu fahren und kommen immer gut«, begründet er seine Umorientierung.

BMWs sind selten auf US-Treffen

Immer ist er der einzige auf den Runs, der auf einer BMW unterwegs ist. »Die meisten haben noch nie eine Geländekuh gesehen und sind immer ganz überrascht, wenn das Ding wie ein Trecker durch alles durchpflügt.« Gut, das mit dem Trecker stimmt nicht ganz, wenn wir mal ein genaues Auge auf Kais R 90/6 werfen.

Leicht, handlich und ein Motor mit einem ordentlichen Vorwärtsdrang. Die Youngtime-BMW ist eine Fahrmaschine, die Spaß macht. Durch den 22 Zentimeter längeren Radstand sitzt man auf der Maschine sehr tief, was der Apehanger aber locker wieder ausgleicht

Ziemlich schlank und gestripped kommt der Bajuware daher, Kai baute die Maschine komplett aus übrig gebliebenen Teilen auf. Der Rahmen einer Unfallmaschine war nach hinten hin so stark verbogen, dass er ihn einfach unterm Tank durchschnitt – fein, fast wieder gerade. Das starre Heck baute er selbst, aus heißgebogenen, zölligen Wasserrohren.

BMW R 90 gut 20 Zentimeter länger

Mit einem zusammengeschweißten, offen laufendem Kardan. 20 Zentimeter länger als das 70er Jahre-Original ist sein Chopper durch das neue Heck geworden, eine tiefere Sitzposition gibts dazu. Nachdem seine Frau sich nicht recht für den Boxer begeistern konnte, entschied sich der Auswanderer direkt für den Solobetrieb. Der schmale Sitz nimmt dank seiner zwei Federn schonmal eine Menge Bumms aus den reichhaltigen Schlaglöchern der Florida Roads. Die Füße ruhen während der Hoppelei auf alten Schlittschuhen, die als Fußrasten dienen.

Hardtail Frame: Original BMW ist nur das Vorderteil. Rahmenoberzug und starres Heck hat der Wahl-Amerikaner selbst gedengelt

Den gebrochenen Motorblock konnte Kai durch das Einschweißen des abgebrochenen Stückes retten. Auch die meisten anderen Teile sind Marke BMW. So dauerte der komplette Umbau gerade mal einen Monat. Allerdings kein Grund, nicht hier und da immer wieder zu dengeln. So entstand der innenliegende Gasgriff. Zwei Dell‘Orto-Vergaser, eine erleichterte Schwungscheibe, eine Springergabel und ein 150er Vorderreifen liegen auch schon bereit. Doch zuvor muss er noch eine BMW R 100 GS zu Ende bauen und verkaufen, um Geld für die nächsten Umbauschritte zu verdienen.

Mit Winkelschleifer und Bohrmaschine

Wichtig ist dem Mechaniker noch ein letztes, »nichts an meinem Bike ist gefräst oder auf einer Maschine gemacht. Alles entstand in meiner Garage mit Winkelschleifer und Bohrmaschine. Einfach eben, aber so stabil wie nötig.«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.