Man könnte meinen, ein kleines Budget und fehlende Schrauberfahrung erschweren ein Projekt. Nicht für Mirko, denn genau aus diesen beide Punkten ergaben sich tolle, neue Erfahrungen, die in eine rostige Yamaha XVS 650 Dragstar mündeten.

Ein etwas moderneres Ratbike könnte man die Yamaha XVS 650 nennen, eigenwillig und unangepasst. Und damit passend zu Mirko, dem Mann aus dem Bunker. Fürs intensive Schrauben hat der sich nie wirklich interessiert, aber trotzdem immer versucht, aus wenig viel rauszuholen und zumindest die Optik von Rollern, Autos oder Bikes so zu verändern, dass sie aus der Masse rausstechen. Die ersten Mopeds waren Supersportler, technisch bis auf vielleicht mal einen neuen Auspuff wenig verändert.

Auf Tour inmitten von schwarzem Cruiser-Einheitsbrei schwingt sich der rostige Vogel gar zum Eyecatcher auf

Vor fünf Jahren entscheidet er mit seiner damaligen Freundin, ein einhundert Jahre altes Haus zu kaufen und zu sanieren, obwohl er keine Ahnung davon hat. Aber von anderen lernen, selbst probieren, sich Dinge beibringen, das liegt ihm. Nach eineinhalb Jahren ohne Freizeit, Wochenenden und kaum Urlaub kann er ins neue Domizil einziehen, Kohle für andere Dinge ist nach der Aktion allerdings keine mehr da.

Die Motorradträume, die holt sich Mirko zu der Zeit woander

Er ist ein großer Fan von OCC und deren extremen Umbauten, und er hat die Zweiradschmiede Thunderbike quasi vor der Haustür – das, was beide Firmen bauen, bleibt für ihn finanziell allerdings unerreichbar. Also muss er sich was ausdenken. Er verkauft seine Ninja und kauft vom Erlös eine Suzuki LS 650 – allerdings für seine Freundin, einfach, um ein gemeinsames Schrauberprojekt zu haben. Die Freundin revanchiert sich, kündigt ihren Bausparvertrag und schenkt Mirko die XVS 650.

Scheinwerfer und Oldschool-Hupe ersteigerte Mirko für zusammen 60 Euro

3.000 Euro hatte der Cruiser, komplett original erhalten, top gepflegt und mit jeder Menge Chromanbauteilen, Taschen und Zierrat, gekostet. »Es war nicht so, dass mir das nicht gefiel, aber ich hab da doch anderes Potenzial gesehen«, erklärt Mirko rückblickend. Und außerdem hatte er natürlich keinen Bock, Chrom zu polieren. Also baut er sämtliche glänzenden Teile ab, verkauft sie und finanziert so fast die gesamten Umbaumaßnahmen.

Der Umbau sollte komplett abgefahren werden

Danach verbringt er viel Zeit im Netz, surft in Foren oder schaut sich auf YouTube Filme an, die zeigen, wie was geht. Das hatte schon beim Hausbau gut funktioniert und sollte jetzt nicht anders sein. »Wie schon beim Haus hat niemand dran geglaubt, dass ich das schaffen werde. Gerade deshalb wollte ich das Bike möglichst abgefahren umbauen. Viele meiner damaligen Arbeitskollegen fuhren Harley und haben mich nur müde belächelt«, erinnert sich Mirko an die Anfänge seines Projektes.

Yamaha XVS 650 Dragstar – das moderne Ratbike

Ursprünglich hatte er einen Military-Look angedacht, das aber schnell wieder verworfen. Unter anderem weil von Harley damals ein ähnliches Konzept verkauft wurde und er beim Burgeressen bei Thunderbike gleich vier solche Kisten auf dem Parkplatz standen. Und Mainstream, das ist halt einfach nicht sein Ding. Also besann er sich auf seine Leidenschaft für Rost und altes Design, dazu die Liebe zu den Comics, in diesem Fall dem Roadrunner und seinem Mitgefühl für Will E. Coyote – die Idee war komplett.

Los ging die Teilesuche für das »Rostbike«

Bei eBay Kleinanzeigen besorgt er sich einen Auspuff für kleines Geld, genauso wie beim großen Bruder eBay ein tiefergelegtes hinteres Federbein, einen hinteren Blechfender von Dock66, einen günstigen Scheinwerfer und einen Zubehör-Tacho. Von Louis gibts zur Ergänzung Lenker, Spiegel und Blinker. Griffe und Federn für den Sitz besorgt er sich auf der CUSTOMBIKE-SHOW.

Nach hinten blinken die LEDs von Louis

Tatsächlich stellt der Wunsch nach einem speziellen Sitz auch eine große Herausforderung für den Neuling dar. »Ich wollte unbedingt diesen Oldschoollook mit hoch aufgesetztem Scheinwerfer, breitem Lenker und dieser Sitzform, wie sie die Bikes der 20er und 30er Jahren hatten. Mein Budget gab dies aber leider nicht her«, es musste Hilfe her.

Die Ideen kamen über WhatsApp-Gruppen

Und die kam über Umwege und zwei Schraubergruppen bei WhatsApp. Hier lernte Mirko Sebastian kennen, der eine ziemlich hart umgebaute Shadow fährt und den wir auch schon in unserem Magazin vorgestellt hatten. »Er bot mir an die Sitzplatte zu bauen und das Leder zu nähen. Ich besorgte das Leder, schnitt die Form zurecht und probierte mich am Punzieren, er baute und nähte für einen wirklich mega freundschaftlichen Preis alles zusammen«, ist Mirko sehr dankbar. »Und überhaupt, so viele hilfsbereite Menschen kennenlernen zu dürfen, das war eh die wertvollste Erfahrung.«

Die Sitzplatte baute ihm Sebastian. Dieser nähte auch gleich noch das Leder zusammen

Zu einer extremen Optik fehlt nun noch der Stollenreifen. Eigentlich wollte Mirko für beide Reifen Stollen haben, konnte aber für die originale 15-Zoll-Hinterradfelge keine finden. Immerhin, auf der vorderen lässt er den Hinterradreifen einer Crossmaschine aufziehen, »der sich übrigens, auch wenn man es nicht erwartet, sehr bequem fahren lässt«, wie uns Mirko versichert.

Dynamitstangen stammen von Will E. Coyote

Für die tiefere und bulligere Optik schiebt er die Gabelholme außerdem bis zum Maximum weiter durch und bringt Staubhülsen, Lochgitter und Hupe an. Die Taschen gab’s gebraucht auf ’nem Trödelmarkt. »Die Dynamitstangen stammen von Will E. Coyote, genau wie der Baseballschläger, in den er RR-Killer eingraviert hat.

Die Initialen im Baseballschläger stehen für Roadrunner-Killer – die unendliche Aufgabe des Comic-Coyoten Will E

Er versicherte mir, dass alles unbedenklich und sicher ist«, grinst unser Schrauber, der die Halterung des Schlägers aus einer leeren Graffitispraydose gebastelt und ihn vorsichtshalber mit einer alten Kette am Fender gesichert hat. Fehlt noch die Rostoptik, für die zwanzig einzelne Schichten Lack notwendig waren, für jedes lackierte Teil wohlgemerkt.

Schlanke 500 Euro kostete der Cruiserumbau am Ende

Über eineinhalb Jahre hat sich der Umbau am Ende hingezogen, aber egal. Denn das Bike fällt auf. »Und egal, ob die Leute es mögen oder nicht, es sorgt immer für nette Gespräche, wenn ich damit unterwegs bin.«

Die Punzierarbeiten waren Mirkos Jungfernfahrt im Lederbereich

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.