Treffen deutsche Akribie auf japanische Perfektion, österreichische Feierkultur und schwedische Qualität kommt entweder ein Eichenregal aus Alpenbambus einer gelb-blauen Möbelkette raus oder ein hammergeiler Custom-Racer. Bitteschön: Yamaha XSR 900 von LSL für den Club of Newchurch – ein ziemlich schneller und animierender Hocker.

Als Lisel mich beinah abwirft, weiß ich: »Das wird ein schöner Tag.« Lisel ist eine Yamaha XSR 900, gebaut von LSL in Krefeld für den Club of Newchurch. Und sie bekommt ihren Namen von mir, da das ständige Aussprechen von „LSL-Newchurch-Karre“ oder „New­church One“ immer wieder einen Knoten in meine Zunge dreht. Lisel ist beileibe keine nervige Zicke oder unfahrbare Diva.

Yamaha XSR 900 – Endlich Dämpfung am Heck

Lisel ist das Beste, was aus einer XSR 900 werden kann und das – im Grunde einfach – nur durch den Tausch von Gabel, Federbein und Lenker. In den Rohren der Forke steckt statt der lab­brigen Seriendämpfer nun ein voll einstell­bares Cartridge-Kit von Öhlins, ein Federbein aus gleichem Hause bringt endlich Dämpfung ins Heck und unter der Serienbrücke mon­tierte LSL-Sport-Clips erlauben feinen Bezug zum vorderen Gummi. Der Rest des schönen Krades ist einfaches, aber fundiertes Custo­mizing fürs Auge: reduziert, anspruchsvoll, stilecht – LSL eben.

Die neue Kommandozentrale von Lisel: Serieninstrument, LSL-Sport-Match-Stummel, LSL-Halbschale mit Scheinwerfer und natürlich das Öhlins-Kit für die Seriengabel. Voll einstellbar und perfekt passend zur Yamaha XSR 900

Die Änderungen am Fahrwerk sind ab dem ersten Meter präsent und spätestens bei der ersten Kurve synapsenflutend. Genau vor dieser ersten Kurve befinde ich mich gerade, bremse rein und will wie gewohnt eine hüftweiche XSR 900 in den Radius werfen. Hoppla, niemand konnte ahnen, dass Lisel mit straffem Fahrwerk und Stummeldruck auf dem Vorderrad derart reagiert: Beinah telepathisch stürmt sie in Schräglage und überrascht durch fast überhandliches Einlenken.

Auf die Yamaha XSR 900 muss ein anderer Reifen drauf

Jederzeit ist man in der Kurve schräger und schneller, als man es will – oder wenigstens glauben will. Eigentlich toll, wäre da nicht die XSR-Serienbereifung: Bridgestones Battlax S20. An und für sich ein guter Reifen, können er und Lisel sich nicht ­richtig anfreunden. Ab halber Schräglage kippt der Pneu kräftig in den Radius hinein, da stockt dir erst mal der Atem. Eine ­Tendenz, die der Reifen auch an der Serien-Yamaha hat, die sich mit Stummeln statt Rohrlenker aber deutlich verschärft.

Die abgenutzte Phrase des spielerischen Handlings ­bekommt bei Lisel eine neue Qualität. Mit den Öhlins-Komponenten und der LSL-geschärften Ergonomie werden selbst die engsten Kurven fast schon reizlos

Ab dem zweiten Mal ist das zwar kontrollierbar, aber zur absoluten Perfektion von Lisel muss auf die Felgen ein anderer Reifen drauf. Ein ruhigerer Tourensportkandidat würde sich sicher gut machen à la T30 aus gleichem Hause, Dunlops Roadsmart III oder ­Metzelers Roadtec 01. Genug gemotzt, denn in der Zeit der Konzentration auf den wuschigen Pneu erfreut man sich unterbewusst schon an der einstellbaren LSL-2Slide-Fußrastenanlage. Die passt das eigene Fahrwerk dem Motorrad an und macht das Hanging-off vom neu und sehr apart bezogenen Sattel fast natürlich.

Die Öhlins-Abstimmung passt perfekt für die Landstraße

Die Füße sind leicht ­weiter hinten und höher platziert, in Kombination mit den Sport-Match-Stummeln wird die Sitzhaltung sportlich-komfortabel, aber auch kampfeslustig. Diese Haltung bringt nicht nur viel Bezug zum Vorderrad, sondern zur gesamten Front. Das Seriencockpit kommt dem Kinn nun sehr nah und die gefrästen Gabelstopfen der Öhlins-Cartridges springen einem keck in die Iris. Da will man gleich mal fummeln, doch die von den Schweden gelieferte Abstimmung passt für die Landstraße perfekt.

LSL-2Slide-Fußrastenanlage: voll einstellbar und mit toller Ergonomie für das eigene Fahrwerk. Plötzlich werden die Schaltvorgänge ganz knackig und genau – tolles Teil

Rummachen müsste man aber mal an der Akrapovic-Anlage. Die liefert zwar exakt Serienleistung, aber in Sachen Sound ist die Anlage Euro-4-gerecht etwas mau – diplomatischer ist es nicht auszudrücken. Auf der anderen Seite kommt so das mechanische Knurren des 847-Kubik-Triples besser zur Geltung. Dessen 115 PS und 86 Nm stehen wie gehabt über ein schier endloses Drehzahlband zur Verfügung und egal welcher Gang: Die nur noch 190 Kilo schwere XSR reißt an.

Fancy Lauflichtblinker, wie an den Vorwerk-Vetreter-Audis

Knapp sieben Kilo spart sich Lisel also gegenüber ­einer unberührten Yamaha XSR 900. Geschafft wird das auch durch die Umgestaltung des Serienhecks. Hier fliegt der balkenlange Kennzeichenträger aus Plastik raus und wird durch einen kurzen aus Alu aus den LSL-Kantbänken ersetzt. Daran blinken nun fancy Lauflichtblinker, wie sie die ganzen Vorwerk-Vetreter-Audis haben.

Gutes Motorrad, die Serienoptik ist aber eher mau. Dabei braucht es nicht viel, um aus der XSR was Hübsches zu machen

Mehr als zwei Kilo spart die Auspuffanlage, teilweise aus Titan gefertigt, den Rest bringen die eingesparten Guss-Riser samt Rohrlenker. Die Massen sind nun noch stärker um den Motor zentriert, was auch zur neu gewonnenen Fahrdynamik beiträgt. Und der Lack? Der stammt aus dem schönen Odenwald. Michael Schönen alias Lackmuss ­verpasste der Yamaha ein mondänes Kleid in seidigem Weiß mit ­einer ­Portion Creme, das er schlussendlich mit dem bärtigen Logo des Club of ­Newchurch garnierte, wo der LSL-Umbau zur Primetime auf der Hauptbühne ­präsentiert wurde.

Yamaha XSR 900 – Einfach fahren

Doch ehrlich gesagt: Dafür ist sie eigentlich zu ­schade. Lisel ist kein Showbike und will es auch nicht sein. Schon die XSR 900 ist eine veritable Kurvenräu­berin, die LSL-Kur macht sie zu einem echten Renner ­ohne Anspruch an Marketing oder Werbeleistung. Einfach fahren. Selten ­geworden dieser Tage, wo das Metaphysische am Krad oft wichtiger scheint als das Grund­legende. Einfach fahren.

 

Jens Kratschmar