Ein wahrlich stimmiger Cafe Racer war die Yamaha XS 650 von Ringo Kaiser. »Nicht stimmig genug«, befand der Perfektionist und machte sich erneut an die Arbeit.

»A Biker’s work is never done«, so abgelutscht der alte Spruch ist, so wahr ist er auch. Wenn man außerdem von einem penetranten Perfektionismus geplagt wird, bleibt einem kaum was anderes übrig, als immer noch einen draufzusetzen. Ringo Kaiser ist einer von den Typen, die es sich selbst nur schwer recht machen können und immer das letzte Fitzelchen rausholen wollen. Es ist ein paar Jahre her, da hatten wir seine Yamaha schon einmal bei uns gezeigt, gebaut zum klassisch-schönen Cafe Racer, nichts dran auszusetzen. 

Erneuter Umbau der Yamaha XS 650

Außer vielleicht, dass die Welle, auf der der Umbau schwamm, doch eine ziemlich heftige geworden war. Als der Hype um die Cafe Racer vor ein paar Jahren begann, gab es plötzlich eine große Zahl von Umbauten mit Bürzelhecks und Stummellenkern. »Zu groß«, findet Ringo, »denn gerade mit einem Custombike willst du doch nicht einer von vielen sein.« So sagte uns der Schrauber aus Bitterfeld schon beim damaligen Treffen, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass die XS noch mal umgebaut wird. »Der Perfektionist in mir, war einfach nicht zu hundert Prozent zufrieden mit dem Umbau, da ging noch mehr«, erklärt er. Und weil der Mann ein Fan klassischer Rennfahrzeuge ist, ist es nur logisch, was er uns nun zeigt.

Ziemlich gut, aber noch nicht ganz perfekt. Ringos XS in ihrer ersten umgebauten Version

Ringos Hauptjob ist die Restaurierung alter Porsche und VWs, entsprechende Vorkenntnisse sind also auch für den Bau von Motorrädern gegeben. Überzeichnete Umbauten sind dabei nicht sein Ding, fahrbar muss es sein, gut aussehen, sich von der breiten Masse abheben. Und er ist sich nicht zu schade, Teile am Motorrad original zu belassen, wenn sie doch gut passen. Die Räder sind so ein Fall, den passenden, optischen Look übernehmen hier spielend die Avon-Reifen, ohne Arbeiten an Felgen oder Bremsen nötig zu machen.

Yamaha XS 650 – Der Twin blieb fast serienmäßig

Auch der Motor kommt ohne große Spielereien aus, offene Filter, eine neue Zündung, der Auspuff aus dem Zubehör, das reicht schon. Das Heck bekommt da mehr Augenmerk, wo vorher eine klassische Cafe-Racer-Sitzbank samt Bürzel thronte, nimmt Ringo heute auf braunem Leder über dem gekürzten Heck Platz. Ihr seht, wir tasten uns langsam nach vorn, wo das Hauptaugenmerk liegt.

Saubere Motoreneinheit: Der XS-Zweizylinder ist weitestgehend original, war schon für den ersten Umbau vernünftig überholt geworden. Weil er Luft und Kühlung braucht, umhüllt ihn die Verkleidung nicht komplett

»Eine Verkleidung, eine richtige Kanzel, das hatte ich schon lange im Kopf«, erzählt Ringo. Aber die Preise haben angezogen, wer überhaupt das Passende findet, muss häufig tief in die Tasche greifen. Also geduldig sein, abwarten, irgendwann wird es schon passen. »Oder eher passend gemacht«, schmunzelt Ringo im Rückblick. Denn tatsächlich, er findet eine Verkleidung, eigentlich für Hondas CX gebaut und mit der Eigenschaft, die den meisten solcher Verhüllungen gemein ist – sie verdecken den kompletten Motor. Und das wiederum wollte unser Schrauber nicht. Vielmehr sollten die Proportionen angepasst werden und der Zweizylinder-Motor hier und da hervorschauen. »Außerdem braucht der Motor schon etwas Luft und Kühlung, was bei einer Vollverkleidung ja schwierig ist«, weiß Ringo.

Der Scheinwerfer blinzelt neben der Verkleidung

Den Rahmen unter der Hülle passt er entsprechend an, schneidet die Verkleidung in vielen Arbeistschritten so zurecht, dass sie mit der gekürzten Gabel, dem Stummellenker und dem Motor harmoniert. Witziger Clou ist der Scheinwerfer, der nicht in die Maske integriert ist, sondern daneben blinzelt. »Ich wollte, dass es so aussieht, als würdest du direkt von der Rennstrecke nach Hause fahren und hättest du dafür kurz eine Lampe geliehen«, grinst Rennfan Ringo. Nur den Wunsch, dass der zulassungsrechtlich sowieso schon spezielle Scheinwerfer ganz racinglike gelbes Glas trägt, verwirft er schnell wieder, »das war mir dann doch zu heikel«.

Ein gelber Scheinwerfer wäre racetypisch, aber zu viel des Guten im rechtlichen Grenzbereich gewesen, deshalb entschied sich Ringo zumindest für eine gelbe Kanzel, die er selbst zurecht schnitt

Trotzdem, der Wunsch nach Gelb hat sich festgesetzt und findet am Ende seine Verwirklichung in der Scheibe, die sich der Schrauber selbst in Handarbeit zurechtschneidet, auch hier immer darauf bedacht, dass die Proportionen stimmen. Dem Übergang zwischen Verkleidung und Scheibe kommt dabei besonderes Augenmerk zu, »da muss man schon sehr sauber arbeiten«, sagt Ringo, der dafür Dichtungsgummis verwendet, die normalerweise in VW Käfern verbaut wurden.

Der Martini-Style hatte sich früh durchgesetzt

Nachdem alle Anpassungsarbeiten erledigt sind, steht noch die Wahl zur passenden Lackierung an, wobei, eine echte Wahl war das kaum. Vielmehr hatte sich der Wunsch nach dem Martini-Style schon früh durchgesetzt. Tatsächlich macht diese Lackierung in ihrer Used-Optik den Racer wirklich perfekt, der Nachname des Erbauers ersetzt den Markennamen im Logo. Erst jetzt ist Ringo wirklich zufrieden mit seiner XS – immerhin drei Jahre nach ihrem ersten Umbau. Ausruhen will er sich darauf nicht, eine BMW R 100 steht schon als nächster Umbau bereit. »Und da wird es noch schwieriger, sich von der Masse abzuheben«, weiß der Hundertprozentige zu berichten. »Aber ich hab da eine Idee, wartet mal ab.«

Info | star-bug.com

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.