Jan baut Alltagsmotorräder, die dem Hype um Show and Shine abgeschworen haben, die rau und ehrlich sind. Seine Idee von Custombikes hat er in seiner Werkstatt »KlassikKustoms« manifestiert. Aus der rollt auch diese Yamaha XS 650.

Es ist ehrlich gemeint, wenn Jan Schulte-Meyer uns erklärt, dass er Brot-und-Butter-Motorräder baut. Aber owohl der Mann vom Rande des Ruhrgebiets keinen Wert auf überladene Motorräder legt, persönlich keinen Lack auf seinen Bikes mag und einen rohen Stil bevorzugt, heißt das noch lange nicht, dass er nicht über das nachdenkt, was er baut.

Mit der Yamaha XS 650 änderte sich alles

Es war vor beinahe zehn Jahren, als der Herdecker zunehmend gelangweilt von modernen Motorrädern war. »Kein Charakter, keine Seele, keine Herausforderung«, erinnert er sich. Mit der Anschaffung einer Yamaha XS 650 im Jahr 2010 sollte sich alles ändern, an ihr lernte Jan, einem Stil zu folgen, der für ihn eine neue Freiheit im Motorradbauen und -fahren ermöglichte.

Die Krümmerrohre fertigt Jan selbst und umwickelt sie stilecht

Zunächst kristallisierte sich eine Stilmischung aus dem Spirit der Cafe Racer der 50er und 60er Jahre und dem modernen Bratstyle heraus, kombiniert mit seiner Vorliebe für flache Linien.

Die Twins von Honda und Yamaha rückten in Jans Fokus

Dazu kam die Liebe zu japanischen Motorrädern der 70er und 80er Jahre, auf die er sich schließlich spezialisierte, insbesondere die Twins von Honda und Yamaha rückten in den Fokus, auch als er 2014 mit »KlassikKustoms« seine eigene Firma gründete. Den Japanern ist er treu geblieben, was anderes baut er nicht, »weil es einfach die zuverlässigsten Bikes sind.«

Die Endtöpfe sind klassische AME-Trumpets, parallel verlaufend am tiefen Heck

Die anfängliche Aversion gegen die Kategorie »Chopper« wurde 2016 gebrochen, als ihn sein inzwischen bester Freund Markus, seines Zeichens Maschinenschlosser und gern gesehener Helfer in Jans Werkstatt, mit dem Choppervirus infiziert. Aus ihren gemeinsamen Vorlieben entsteht auch diese XS in Zusammenarbeit.

Yamaha XS 650 – Wie aus dem See gezogen

Das Basisbike hatte Markus von einem Bekannten erstanden, dem beide im Tausch dessen Motor instandsetzten. Wobei, Basisbike ist übertrieben angesichts einer Karre, die in Teilen bei KlassikKustoms ankam, »Teile, die aussahen, wie aus dem See gezogen«, erinnert sich Jan.

Mid Controls garantieren aufrechtes Sitzen

Das Bike muss lange im Regen gestanden haben, außerdem fehlten einige Teile. Trotzdem, es gab auch Lichtblicke. Der Motor sah zwar grausam aus und musste komplett zerlegt werden, aber immerhin war er wohl schon einmal überholt wurden. Und der kaputte Steuerkettenspanner konnte leicht ersetzt werden.

Auch bei dieser XS wurde auf die flache Linie gesetzt

Die Vergaserbrücke fertigten sie selbst, versehen mit einem Flachschiebervergaser. Die Kupplung wird verstärkt, aber ansonsten läuft das Ding. Optisch setzen die beiden auch bei dieser XS auf die bevorzugten flachen Linien, die Tieferlegungen führen sie wie immer selbst aus.

Minimalelektrik, Analogtacho, eine schlicht bezogene Sitzbank: Alles weder ultrateuer, noch extrem auffällig – und damit der Idee folgend, dass Customizing durchaus auch einfache Geschichten erzählen darf

Gabel kürzen, ebenso die Federbeine, gute sechs Zentimeter holen sie raus. Änderungen am Rahmen sind weitgehend tabu, da liegt der Fokus klar auf der Zulassung des Motorrades, die nicht unnötig gefährdet werden soll. So wird lediglich der Heckrahmen etwas gekürzt und der Rahmen gecleant.

Yamaha XS 650 – Frisco-Tank und Sissybar geben Chopperlinie

Der Rest ist schließlich das richtige Zusammenstellen von gekauften Parts und Eigenanfertigungen. Frisco-Tank und Sissybar geben Chopperlinie, die Minimalelektrik einen sauberen Look, die gefinnte Bates-Lampe Style, Anfertigungen wie der Fender samt Sicke oder die Fußrasten Individualität.

FlowStyle hat Jan die Richtung getauft, in der er seine Motorräder baut: klassisch, authentisch, nicht überladen, bezahlbar. In den zuverlässigen Japanern der 70er und 80er Jahre findet man seit jeher perfekte Basisbikes für diesen Anspruch

Nur eine Kröte muss Jan schlucken. Er mag keine Lackierungen, in der Regel dominiert rohes Metall die Oberflächen seiner Bikes. In diesem Fall hat aber Besitzer Markus das letzte Wort und trägt die rot-schwarze Tanklackierung selbst auf.

Info | klassikkustoms.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.