Da gibt es ein zartes, fast vergessenes Pflänzchen, wir sprechen von den alten Zweitakt-Mopeds wie der Yamaha RD 350. Sie schienen fast verblüht, erleben aktuell aber einen zweiten Frühling. Junge Kerle könnten dafür sorgen, dass daraus gar ein langanhaltender Sommer wird. Und die alten Hasen dürfen beim Anblick wehmütig seufzen: »Ja, so eine hatte ich auch mal.«

Abgeranzt und restaurierungswürdig, so fand Moris Kittner 2010 seine Yamaha RD. »Das Motorrad fuhr, bremste und lenkte«, erinnert er sich, »allerdings stellte ich schnell fest, dass der rechte Kolben defekt war, die Verkleidung Risse hatte und der Höcker nur laienhaft befestigt war. Und eigentlich war auch alles andere für’n Arsch, wenn ich ehrlich bin.« Als der junge Schrauber schließlich auch noch eine schrottreife Kurbelwelle diagnostizierte, setzte Ernüchterung ein.

Yamaha RD 350 – Die Idee vom flotten Umbau funktioniert nicht

Zwar begann er, nach erschwinglichen Motorteilen zu suchen, stellte aber schnell fest, dass die Idee vom flotten Umbau in diesem Fall kaum funktionierte, eben weil »gut UND günstig nicht mal im Supermarkt funktioniert«, wie Moris weiß. Dazu kommt, dass die Teile für den Zweitakter sich nicht an jeder Ecke stapeln, es wurde eine zähe Aufbaustory, so viel sei vorab verraten.

Ein Meisterwerk an Schweißnähten. Zweitakter verlangen nach perfekten Auspuffanlagen, sonst droht der Leistungsfrust

Immerhin, der Grundgedanke des Umbaus war schnell gefunden. Nach ausgiebiger Lektüre von Testberichten und Katalogen aus den Achtzigerjahren war die zündende Idee einer RD im Racing-Style gekommen, ein Bild im Kopf des Youngsters hatte sich geformt. Den passenden Schnickschnack der kruden 80er zu finden, ist dafür eine ganz andere Hausnummer. Fußrastenanlage, Sportauspuff, WP-Dämpfer und einiges mehr mussten her.

»Nicht den selbsternannten RD-Gurus den Arsch versilbern«

»Aber ich wollte nicht meine Oma für eine Auspuffanlage verkaufen und schon gar nicht selbsternannten RD-Gurus den Arsch versilbern, um so seltene Teile wie Schwinge oder RGV-Kühler zu beschaffen«, Moris litt deutlich unter dem engen Markt im Zweitaktbusiness. Eineinhalb Jahre Sammeln und Schrauben hielt er trotzdem durch, dann verließ ihn zeitweise die Lust. Nicht schlimm, weil da ja noch seine 500er Maico und diverse Motocrossstrecken waren, auf denen er sich fortan lieber rumtrieb, als am Projekt RD zu verzweifeln. Im Hinterkopf blieb das trotzdem.

Wer nie einen Zweitakter gefahren ist, wird die Faszination kaum verstehen, Rangtängtän auf höchstem Niveau

Immer wieder gab es Phasen von Weiter-suchen, Aufraffen, Schrauben. Nach und nach und über viele Jahre vervollständigte sich das RD-Puzzle doch noch. So verpasste Moris dem Zweitakt-Motor neue Kolben, versah die Kupplung mit Kevlarscheiben, erstand irgendwann den gewünschten Auspuff, installierte eine neue Zündung und den offenen Trichter und grub sich ein ins Thema Elektrik. Die Schwinge kam schlussendlich von Metmachex aus Großbritannien, wo man eigentlich vor allem auf italienische Fahrwerke spezialisiert ist.

Yamaha RD 350 mit Replika Rennhöcker

Den Heckrahmen änderte Moris ab, der Replika-Rennhöcker samt selbstgebauter Sitzbank bestimmt nun das Heck des Eighties-Flitzers. Mag sicher nicht jeder, aber ist absolut authentisch. Vorn gibt es als Gegenstück eine angepasste Verkleidung, in die Lampenaussparung kam ein Hella-Scheinwerfer. Ein paar Teile übernimmt Moris zudem vom Originalbike, wertet sie aber auf oder modifiziert sie für die eigenen Zwecke. So kürzt er die Schutzbleche, optimiert Instrumente und Armaturen. Und steht irgendwann nur noch vor einer Frage: Wie wird das Ding lackiert?

Teuer sind sie geworden, die alten Dinger und die Teile dafür, aber trotzdem erleben sie gerade eine Wiederauferstehung, was uns ungemein freut. Mehr davon bitte!

»Kenny-Roberts-Lackierung? Gibt es schon zu viele. Was ist mit Schwarz? Zu einfach. Candylack? Zu schwul«, lässt er uns an seinem Gedankengang teilhaben. Letztlich besinnt er sich auf die Yamaha-Werksfarben, sein Lackierer Löffel setzt die Vorstellung perfekt um. Und noch etwas ist da, die Einstellung des Vergasers. Flachwichser nennt Moris den 30er-Mikuni-Flachschieber gern, immerhin wollte der so gar nicht, wie es sein Besitzer gern gehabt hätte.

»Wie kann man eine RD nur so verschandeln?«

Mit Hilfe einiger alter Hasen, aber unter dem Unmut seiner Nachbarschaft – kühle, klare Nächte eignen sich hervorragend zum Einstellen – gelingt der saubere Lauf irgendwann trotzdem. Und nun? »Tja, fertig«, sagt Moris, der sage und schreibe neunzehn Jahre darauf verwendet hat, dem ollen Zweitakter neues Leben einzuhauchen. Egal, wo Moris heute mit seiner Yamaha hinfährt, es sind immer dieselben drei Sprüche, die er von der staunenden Gemeinde bekommt. »Wie kann man eine RD nur so verschandeln?«, »Alter, wie geil!« oder eben »so eine hatte ich auch mal.«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.