Die Yamaha MT-07 ist mit Fug und Recht ein Topseller, tausendfach bevölkert sie unsere Straßen. Wem in all dieser Uniformität der Sinn nach einer Prise Individualismus steht, für den hat der Kölner Customizer Jens vom Brauck passende Parts im Angebot. Der Mannheimer Yamaha-Händler Motorland hat damit eine sexy Tracker-Version gebaut, die – unser Test zeigt es – so manche Kinnlade nach unten klappen lässt.

Nach neun Jahren am Markt braucht man zu ihr eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Yamahas MT-07-Twin ist das Gegenteil eines Sargnagels. Zusammen mit der Dreizylinder-MT-09 hat sie den Japanern schlicht den Arsch gerettet. Vorher nämlich sah es im Markenprogramm eine Zeitlang eher trist aus – da warf der ­Deckel besagter Holzkiste schon bedrohliche Schatten. Heute versüßt der charakterstarke Wusler rund 25 000 Motorradfans in Deutschland den Tag – und mit ihnen den Menschen, die bei Yamaha das Geld zählen.

Die Yamaha MT-07 bietet jedem ein Zuhause

Ein Grund für diesen Erfolg sind selbstredend die immer noch günstigen 7.999 Euro, die die MT kostet (zuzüglich Liefernebenkosten). Der ­andere aber ist ungleich bedeutsamer und dabei trotzdem ganz schlicht: Setz dich drauf, fahr ein paar hundert Meter und der Funke springt sofort über! Ob Greenhorn mit frischem Führerschein oder Windgesicht mit grauen Stoppeln im Bart und Hang zur Dynamik, die 07 bietet jedem ein Zuhause.

Contis Grobstollen bringen zwar keine gesteigerte Präzision, dafür aber ein Rollgefühl so schwebend wie auf einem ­fliegenden Teppich

Dem Kölner Customizer Jens vom Brauck ging das auch so. Seinem Drang nach optischer Veränderung gab er trotzdem nach und passte seiner MT eine seiner typischen Lampenmasken an, kombinierte Sitz und Heck neu und zog Contis ganz grobes TKC-80-Gummi auf die zart bespeichten Felgen. Super 7 heißt das Ergebnis, die Parts zum Umbau gibt es im Onlineshop (kedo-jvb-moto.com).

Folienkleid mit durchschlagender Signalwirkung

Und genau dort bediente sich auch Motorland Mannheim, seines Zeichens Yamaha-Händler, legte noch so manches Goodie obendrauf und hüllte das Ganze in ein wahrhaft blendendes Folienkleid mit durchschlagender Signalwirkung. Bei der Hafenbehörde jedenfalls, die im Mannheimer Hafen ungenehmigtes Fotografieren ahndet, hat das mit der Aufmerksamkeit sehr gut geklappt. Auch bei vielen Passanten und Autofahrern an Ampeln und Tanke, wo der Wespen-Style funkenschlagend auf drängenden Frühlingshunger traf. Schließlich strahlte die Wintersonne nach Kräften.

Der kleine klassische Rundschein­werfer ersetzt das insektoide Serien­antlitz durch wohltuende Klassik

Und ich strahlte mit. Eine MT macht Laune. ­Eine MT mit einer breiteren, tieferen und weniger gekröpften Lenkstange macht noch mehr Laune. Und eine MT in diesem Look, die auf solchen Gummi­blöcken schwebt – was soll ich sagen? Wie auf Daunen rollt sich das, eine Art Schwebezustand. Okay, was der Lenker an sportlicher Sitzhaltung, Hebelwirkung und Frontbezug bringt, machen die Gummistoppel in Sachen Präzision wieder ein Stück weit zunichte. ­Funktionieren tut’s trotzdem gut und ist definitiv ein großer Spaß.

Yamaha MT-07 – Indivi­dualisierung tut not

Bei 25 000 MT-07 in Deutschland tut Indivi­dualisierung not, Investitionssumme und Basispreis der Yamaha jedoch harmonieren hier nicht sonderlich. Auf den Grundpreis der MT von knapp 8.400 inklusive Nebenkosten addieren sich nämlich noch mal rund 5.150 Euro. Erst mal ein Schock, zugegeben. Je nach Perspektive lässt sich der aber abpuffern. Als Schraubfähiger nämlich kann man ein gut Teil der rund 1.240 Euro Arbeitskosten sparen und kommt zunächst mal mit gut 1.150 Euro hin.

Die passende akustische Untermalung für den extrovertierten Auftritt der aufgedirndelten MT-07 liefert die Komplettanlage vom ­italienischen Auspuffbauer SC-Project

Das nämlich kosten die versammelten JvB-Teile, alle mit ABE. Draufsatteln kann man dann nach Belieben. Die groben Contis kosten rund 330 Euro, auch die Verrohrung von SC-Project schlägt mit 890 Euro ordentlich zu Buche. Doch dann steht die MT immer noch im Serienlack vor euch. 940 Euro für die Folierung sind dann noch mal ein Brocken, den man erst mal runterwürgen muss. Doch Geld ist ja bekanntlich nicht alles und Sparen schließlich nur das Verschieben des Konsums in die Zukunft. Und das wäre in unserem Falle hier wirklich verdammt schade. Der Neid aller anderen MT-07-Fahrer jedenfalls ist euch damit gewiss.


Yamaha MT-07 Serie

Attraktiv gestylt, ohne teuer zu sein, druckvoll, ohne übermächtig zu sein – und dann noch schön gemacht. Spätestens seit Überarbeitung der Federung zum Modelljahr 2018 trägt diese Yamaha allenfalls in Sachen Preis das Budget-Label. Nicht nur für die Herstellerfirma selbst ist sie ein Glücksfall. Gerade unter jungen Zielgruppen mit gerade erwachender Zweiradbegierde kann die MT wie ein Aphrodisiakum wirken

MOTOR: Ein quicklebendiges Kerlchen, das den Gasbefehlen seines Herrn außerordentlich aufmerksam und immer mit weicher Gasannahme folgt. Dank der 270 Grad Hubzapfenversatz seiner Kurbelwelle swingt der Reihen mit dem Soul eines V-Twins, agiert immer weich und elastisch. Schon deutlich unter 3000/min schwingt er sich auf ein breites Drehmomentplateau, das bis 9000 Touren beste Unterhaltung garantiert. In der Praxis bewegt man sich zwischen 3000 und 6000 Touren, immer mit dem beruhigenden Gefühl gieriger Drehwilligkeit bis über 10000/min im Gepäck. Durch das im Alltag mäßige Drehzahlniveau relativ sparsam, knapp über fünf Liter reichen bei keineswegs spaßverneinender Fahrweise. Pulsierender, bis rund 5000/min vibrationsarmer Lauf, darüber zunehmend pulsierend gedämpfte Vibrationen, übertragen sich vor allem am Lenker. Gefühlter Hotspot bei rund 5500/min, das entspricht rund 120 km/h im 6. Gang. Leichtgängige, sehr bedienerfreundlich dosierbare Seilzugkupplung. Mit geringem Kraftaufwand zu schaltendes, mechanisch präzises Getriebe. Einfache Leerlauffindung.

FAHRWERK: Sehr handliches und leichtes Fahrwerk mit spürbarer Massenkonzentration, neutral, zielgenau, gutmütig wendig und leicht, unabhängig von Einsatzort und Schräglagenwinkel. Üppiger Lenkeinschlag. Die 2018 überarbeiteten Federelemente brachten deutlich mehr Stabilität in die Fahrt, vor allem das Heck ist seither spürbar straffer. Hier gibt es mit einstellbarer Federvorspannung und Zugstufendämpfung endlich auch eine Justagemöglichkeit zur individuellen Anpassung des Setups. Auf Fahrbahnabsätzen allerdings spricht es zu hart an. Stabiler Geradeauslauf. Effiziente und transparent dosierbare Frontbremse, Reibpaarung nicht zu giftig gewählt. ABS. Bereifung im Test: Michelin Pilot Road 3.

»Trotz des günstigen Preises frei von Schmuddelecken«

PRAXIS: Bequem aufrechte, dabei aber gut integrierende Sitzposition. Die bei der Modellpflege neu geformte und nicht mehr so labberig gepolsterte Sitzbank bringt mit breiterem Tankcover nun ein intensiveres Kontaktgefühl zum Motorrad. Lenker ohne Dragbar-Allüren angenehm zum Fahrer gekröpft. Soziusplatz ist mit hartem, knappem Polster und hohen Rasten ziemlich spartanisch und definitiv nicht langstreckentauglich. Ausstattung ohne jeglichen E-Schnickschnack, nur Bremshebel einstellbar. Trotz des günstigen Preises frei von Schmuddelecken und mit ansprechender Materialwahl und -verarbeitung. 10000er-Wartungsintervalle, kein Hauptständer, Kettenantrieb pflegebedürftig. Ölkontrolle per Schauglas.

EMOTIONEN: Ein Budgetkrad ohne Budgetspuren. Mehr Motorradspaß ist für so günstiges Geld nicht zu haben. Mit ihrer Problemlosigkeit, ihrer mittenbetonten Schwungabstimmung und ihrem herrlich im Schwerpunkt zentrierten Gewicht macht die MT-07 gleich auf den ersten Metern klar, worum es beim Motorradfahren geht. Und dann möchtest du sie nicht mehr hergeben.

Info | yamaha-mannheim.de

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben