Der charismatische Blechkünstler Shinya Kimura hat ein Einzelstück auf Basis einer Yamaha MT-07 auf die Räder gestellt.

Yamaha hatte in den letzten Jahren ganz dick aufgetragen beim Wheels and Waves-Event in Biarritz. Teilweise stach der japanische Hersteller mit einem riesigen Aufgebot an Yard-Built-Umbauten ins Auge der Besucher. Eines der ausgestellten Bikes machte geradezu sprachlos: Eine in kunstvoll behauenes Aluminium gehüllte Zweizylindermaschine, bei näherem Hinsehen eine MT-07, die eindeutig die Markenzeichen japanischer Customizer, nein, die Handschrift Shinya Kimuras trägt. Bingo! Nur wenige Minuten später tauchte der Meister persönlich auf, grüßte scheu und erklärte freundlich in holprigem Englisch, was es mit diesem Projekt auf sich hat. Er habe das »Faster Sons«-Konzeptbike im Auftrag von Yamaha gebaut, erklärt er stolz.

»Ich habe beim Bau öfter mal die fließenden Linien der Yamaha XS 650 vor Augen gehabt, wollte aber nie das Design alter Modelle kopieren«

Die MT-07 profitiere von modernster Technik, kollidiere aber dennoch nicht mit seiner typischen Design-Philosophie. Der Chef der Custom-Schmiede Chabott Engineering hat ein einteiliges Monocoque aus Benzintank, Seitendeckeln und Höckersitzbank sorgsam aus Aluminiumblech gedengelt und dazu eine passende Halbschalenverkleidung gefertigt. Die ebenfalls aus einer Aluminiumtafel getriebene Verkleidung verfügt über eine Kuppel aus Plexiglas, die den Scheinwerfer abdeckt und an klassische Kanzeln von Avon oder Rickman erinnert.

»Ich wollte nicht das Yamaha-Design vergangener Tage kopieren«

Überhaupt meint der Betrachter, in der »Faster Son« irgendwie traditionelle Yamaha-Modelle wiederzuerkennen, obwohl das Design keine echten Retro-Zitate aufweist. Vielleicht liegt das an den Tankemblemen einer XS-1 oder an dem klassisch-abgesteppten Sitzbankpolster. Es sei nicht sein Ziel gewesen, das Yamaha-Design vergangener Tage zu kopieren, erklärt Shinya. Er habe jedoch mit großem Respekt einzelne Gestaltungsmerkmale in seine eigene Kreation integriert.

Ein Motorrad von Shinya Kimura ist unverkennbar. Der Meister verewigt sich in kunstvoll behauenen Bodyparts wie der aufwendigen Lampenverkleidung oder der Sitzbank. Kaum zu glauben, dass darunter eine serienmäßige Yamaha mit allen Vorzügen eines modernen Motorrades arbeitet

Und hin und wieder sei er natürlich von der Vergangenheit beeinflusst gewesen, er habe öfter mal die fließenden Linien der guten alten XS 650 vor Augen gehabt, verriet der Blechkünstler mit leiser Aussprache. Immer wieder rang der in Kalifornien lebende Japaner nach den passenden Vokabeln. Schließlich hat er auch bei der Wortwahl einen hohen Perfektionsanspruch. Und immer wieder warf ihm seine Frau, die stets in seiner Nähe stand, die passenden Halbsätze zu. Ein gutes Team, die Kimuras.

Yamaha MT-07 – Motor, Rahmen und Räder blieben unangetastet

Kaum zu glauben, dass nicht nur der 75 PS leistende 700cc-Motor von der serienmäßigen MT-07 übernommen wurde, sondern auch der Brückenrahmen, die Federelemente oder das digitale Cockpit. Shinya hat im Wesentlichen die Bodyparts, den 2-in-1-Auspuff, die Beleuchtungseinrichtungen und die Sitzbank verändert und damit ein völlig neues Motorrad geschaffen. Klassisch schön, sportlich und eigenständig.

Shinya Kimura versteht sein Schaffen eher als Kunst denn als Customizing. Seine MT-07 war der Anfang des »Faster Son«-Projektes von Yamaha. Der Hersteller bezog seither Customizer wie Kimura, Jens vom Brauck und andere stärker in die Entwicklung von Serienmotorrädern ein

Wichtig war ihm, so erklärt der Japaner, die hohe Funktionalität der Basis durch seinen Umbau nicht zu verschlechtern. Fahrverhalten, Motorperformance und Alltagsnutzen seien bei der MT-07 so außerordentlich gut gelungen, dass dieser Fahrspaß nicht unter den Umbauten leiden sollte. Shinya drückt das mit seinen eigenen, umsichtig gewählten Worten aus: Mit diesem Projekt hat pure Funktion Gestalt angenommen.

Shinyas Yamaha MT-07 war der schnellste Sohn

Die MT-07 von Chabott Engineering stand am Anfang einer Reihe von Konzeptbikes unter dem Logo »Faster Sons«. Diese basierten auf aktuellen Yamaha-Modellen, profitierten von moderner Technik und strahlten dennoch eine klassische Aura aus. Ob und wie es mit dem Faster-Sons-Projekt weitergeht, ist derzeit ungewiss. Yamaha hält sich hier ziemlich bedeckt.

CUSTOMBIKE hat mit Shinya Kimura über das Projekt geplaudert 

Shinya, üblicherweise gestaltest du vor allem klassische Motorräder zu Einzelstücken um, alte Harleys, Königswellen-Ducatis oder antike Triumph Twins. Wie kam es, dass du dich mit aktuellen Motorrädern wie der Yamaha MT-07 befasst?
Der hochmoderne Motor der MT-07 ist weit entfernt von seinen klassischen Vorgängern mit ihren Kühlrippen. Es war eine Herausforderung, diesen Twin in die klassische Formgebung der Maschine zu integrieren, ohne dass er optisch stört. Die Yamaha-Philosophie verlangte nach einem Design, das Motor, Rahmen und Federelemente harmonisch integriert. Also war ich darauf bedacht, dass sich weder Form und Funktion noch meine eigene Design-Philosophie aneinander reiben.

Kommen jetzt also öfter mal aktuelle Motorräder auf deine Werkbank?
Warum nicht? Solange etwas zwei Räder hat, fasziniert es mich. Ich arbeite auch an einer MV Agusta. Nicht an einer alten 750er, sondern einem neuen Modell.

»Ich baue Motorräder, an denen ich selbst Spaß habe, die ich selbst fahren möchte.«

Was gibt denn den Ausschlag dafür, welches Motorrad du als Basis verwendest?
Ich baue Motorräder, an denen ich selbst Spaß habe, die ich selbst fahren möchte. Ich fange dann einfach an zu arbeiten, und erschaffe Einzelstücke, die keinem Trend und keiner Mode hinterherfahren.

Und was fährst du privat?
Ich bin immer besonders gerne Yamahas gefahren, SR 400, SR 500, XT 500 oder DTs. Im Alltag fahre ich ausschließlich serienmäßige Motorräder, etwa auch eine alte Honda CB 750 und neuerdings eine Yamaha MT-07. Ein wundervoll wendiges Motorrad. Ich erweise damit den Herstellern von Serienbikes meinen tiefen Respekt.

Info |  chabottengineering.com

 

Dirk Mangartz