Die Victory Octane konnte die Marke auch nicht retten, obwohl der Cruiser mit der polarisierenden Optik gute Gene hat. H&B Motorcycle hat sie einfach mal sportlich umgestaltet und einer neuen Bestimmung zugeführt. Tschüss Langeweile …

Im schwäbischen Thannhausen weiß man mit den Cruisern der inzwischen aufgelösten Marke Victory umzugehen. Schließlich ist man Service-Point, aber vor allem auch erfahren im Customizing. Ludwig und Peter sind schon ziemlich lange im Geschäft und bekannt für ihre doch eher breitbereiften Umbauten. Doch diesmal sollte alles ein bisschen anders laufen und für schwäbische Verhältnisse ungewöhnlich schmal werden.

Die Victory Octane war das letzte neue Modell der verblichenen US-Marke

Die Octane war das letzte neue Victory-Modell, hat einen neuentwickelten Rahmen, mit ebenso neuem Motor, der richtig Dampf hat. Satte 104 PS drückt das knapp 1200 Kubikzentimeter große Triebwerk an die Kurbelwelle. Genug, um nicht nur der einheimischen Konkurrenz einzuheizen. Für H&B die Gelegenheit mal etwas von ihren Gewohnheiten abzuweichen und etwas anderes zu präsentieren. »Bei dem Leistungsgewicht wollten wir einfach mal was sportliches, dragstylemäßiges machen«, gibt Peter unumwunden zu.

Das neue Heckteil wird bei H&B Motorcycle aus Blech gefertigt, genau wie Sitzbank und Seitenteile auch. Als Auspuff gibt es eine Anlage von V-Performance oder optional die neuen, verstellbaren Endtöpfe von Penzl Bikes

»Deswegen war von Anfang an klar, dass wir auf einen Breitreifenumbau verzichten.« Doch bevor es an die Umsetzung geht, machen sich die Schwaben erst einmal genau Gedanken, was sie eigentlich wollen und vor allem wie es später aussehen soll. Nach der Findungsphase geht’s direkt ans Werk. Wie üblich muss zuerst das Heck daran glauben, was bei der Octane allerdings einer größeren Operation gleichkommt. Im Gegensatz zu vielen anderen Motorradherstellern, die die Heckteile mittlerweile verschrauben, sind die Struts der Octane fest mit dem Rahmen verbunden. »Leider Gottes mussten wir mit der Flex arbeiten, auch wenn uns das überhaupt nicht gefällt«, meint Peter mitfühlend mit dem Bike, das die Amputation über sich ergehen lassen musste.

Kurz, knackig und sportlich steht die Victory Octane jetzt da

Dafür bekommt die Victory ein neues Blechheckteil samt Sitz, das bei H&B angefertigt wird, sowie neue Seitenteile, die ebenfalls aus Blech bestehen. Kurz, knackig und sportlich steht sie jetzt da. Unter der hinteren Abdeckung rollt noch immer das Serienrad mit dem 160er-Reifen. Vorbeugend tauschen Peter und Ludwig aber die Serienbereifung eines fernöstlichen Herstellers, die Victory ab Werk aufziehen ließ, gegen leistungsfähigere Reifen der britischen Marke Avon. Das Fahrwerk selbst bleibt original, lediglich die Gabel bekommt eine optische Aufwertung in Form von selbstgefertigten Gabelcovern. Für sportliches Feeling wird ein Superbike-Lenker von LSL an die Riser geklemmt und Lenkerendenspiegel von Rizoma verschraubt. Auch die Lampenmaske ist ein Serienteil, das zum neuen Gesamteindruck wesentlich besser passt als vorher.

Als Auspuff gibt es eine Anlage von V-Performance oder optional die neuen, verstellbaren Endtöpfe von Penzl Bikes

Zum Eiertanz wird die Änderung der Elektrik. Große Teile davon sitzen im Rücklicht, das auf dem Serienfender prangt, im Zuge des Umbaus aber weichen muss. »Man kann das alles ohne Probleme ausstecken, aber dann stehst du mehr oder weniger alleine da und musst dich mit dem CAN-Bus-System auseinandersetzen.« Ein schöner Scheiß, wie Peter versichert, und so dauert es eine Weile, bis die 3-in-1-Kombination, die Rücklicht, Bremslicht und Blinker ersetzen soll, auch wie vorgesehen funktioniert. Aber am Ende wird wie immer alles gut – Alltag für die beiden. Am Motor indessen sehen sie keinen Handlungsbedarf. »Der V2 hat genügend Leistung und so haben wir es dabei belassen, dem Motor ein Stage-I-Mapping zu gönnen und eine andere Auspuffanlage zu verbauen.«

Eingerechnet der Arbeitszeit sind rund 4.000 Euro für den Umbu fällig

Die auf unseren Fotos stammt von V-Performance, doch optional verbaut H&B auf Wunsch auch die verstellbaren Modelle von Auspuffspezialist Penzl Bikes. Zur kontrastreichen Farbgebung aus knallroten Applikationen und dem serienmäßigen Matt-Metallic grinst Peter nur: »Sowas hatten wir halt noch nicht und es sticht auf jeden Fall raus.« Natürlich ist der Umbau keiner aus der Lowbudget-Kategorie. Eingerechnet der Arbeitszeit sind, je nach Auspuffanlage, rund 4.000 Euro fällig. Sicher kein Schnäppchen, doch auch nicht unerreichbar.

Vom gediegenen Cruiser mit den langen, geschwungenen Fendern ist nicht viel geblieben. Vielmehr zeigt die Octane von H&B unverhohlen, dass sie richtig Alarm machen kann. Zumindest bis die aufsetzenden Rasten die Schräglage begrenzen. Dazu gibt es eine kontrastreiche Lackierung, die Aufmerksamkeit garantiert

Und wer jetzt mit einer Octane liebäugelt und so einen Umbau in Betracht zieht, kann angesichts des Ablebens von Victory beruhigt sein: H&B Motorcycle bleibt nach wie vor Service-Point. Außerdem ist die Ersatzteilversorgung soll, nach Unternehmensangaben, zumindest mal für die kommenden fünf Jahre gesichert sein. Für H&B nicht der schlechteste Deal, zudem sind die Schwaben Service-Point für Indian Motorcycle. Da soll es bekanntlich ein artverwandtes Modell namens Scout geben, das sich bestens zum Umbauen eignet.

Info |  h-b-motorcycle.de

Christian Heim