Dieses Bike hat es uns ganz schön angetan – eine Triumph TRW 500 mit seitengesteuertem Zweizylinder-Motor und Starrrahmen von Haus aus …

So richtig viel hat Micha vorher nicht umgebaut. Klar, Motorräder waren immer da, erst Schwalbe und MZ, später immer moderner hin zu fetten Rennmaschinen. »Vor zehn Jahren rum, da habe ich einen Streetfighter gebaut, der war in der Zeitung und ich stellte das Ding seinerzeit auf der Fighterama aus«, erzählt der 38-Jährige aus Lauta in Sachsen. Das Bike hat er noch, eine schöne Erinnerung an die wilde Zeit. Die Alltagsmotorräder wurden danach gemäßigter und der Wunsch nach einem erneuten Umbau stärker.

»Ich wollte auf keinen Fall einen klassischen Bobber bauen«, erzählt Michael. Nur schön tief und sehr kompakt sollte das Bike werden, der letztliche Style wächst beim Bauen

Geplant ist der Kauf der Triumph nicht direkt, aber so in die Richtung sollte es schon gehen. Harleys schön und gut, aber die aufgerufenen Preise sind nicht das, was Micha zu zahlen bereit ist. So hält er Ausschau nach was anderem und findet schließlich in Belgien eine Triumph, die mal so gar nicht gewöhnlich ist. Während Oldschooler gern auf Bonneville, Tiger und Co. setzen, entscheidet sich unser Mann für die TRW, eine alte englische Militärmaschine, seitengesteuerter Zweizylinder-Motor und Starrrahmen von Haus aus.

Der Motor der TRW 500 braucht nur wenig Zuwendung

Bevor es an den Umbau geht, ist der Motor fällig. Achim, ein ehemaliger Arbeitskollege, erweist sich als der Richtige für den Job. Er baut schon lange an Motoren, öffnet den Viertakter sanft. Viel muss die alte Dame gar nicht bekommen. Das Motorgehäuse wird neu lackiert, dazu neue Ventile, Ventilsitze und Dichtungen. Klingt einfach, ist es aber nicht. »Ich musste die Teile in den USA bestellen. Komischerweise gab’s da in England nichts.« Sogar ein spezielles Ventilausdrückwerkzeug ordert Micha in den Staaten, anders hätte er die Dinger nicht rausbekommen.

Lediglich das Kennzeichen fällt groß aus und stört die schmale Linie, aber ein ausgeprägtes Stilgefühl war noch nie die Stärke unserer Graukittel

Die Belohnung folgt, als der Motor das erste Mal wieder anspringt. Sauber und rund läuft er, bis heute. Da ist die Entscheidung für den Umbaustil schon schwieriger, »ich wollte auf keinen Fall einen klassischen Bobber bauen«, erzählt er. Nur schön tief und sehr kompakt sollte das Bike werden, der letztliche Style wächst beim Bauen. Ein paar Teile haben daran maßgeblichen Anteil. Da wäre zum einen die auffällige Trapezgabel. Micha kauft sie im Internet, Herkunft unbekannt. Sie erinnert aber stark an die frühen DKW-Modelle, die fuhren auch so durch die Gegend.

Schön tief und kompakt sollte das Bike werden

Die Gabel passt selbstverständlich nicht direkt ans Bike, sehr viel Arbeit steckt dahinter, sie anzupassen. Steuerrohr und Lagerschalen müssen aufwendig geändert werden, den Mountainbike-Dämpfer – eigentlich ein Hinterbau-Dämpfer der Marke Fox – voll funktionsfähig zu verbauen, stellt Micha vor große Herausforderungen. Mit Hilfe seiner Freunde Raik, Tony, Daniel und Robert schafft er es. Die vier Jungs erweisen sich überhaupt als Glücksfall, unterstützen Micha sehr. Zumal zwei von ihnen Metallberufe haben, während Micha eigentlich im Hauptberuf »nur« Autolackierer ist.

16 Pferdestärken treiben die Triumph an – trotz leichtgewichtiger 160 Kilo natürlich kein König beim Ampelsprint

Auch die Räder sind speziell. Micha entscheidet sich bei der Front für eine 19-Zoll-Harleyfelge mit Spoolhub-Nabe. Die hat keine Halterung für eine Bremse, ganz getreu dem Stil der amerikanischen 70er-Jahre-Customszene. Diese Jungs hatten sich den überflüssigen Schnickschnack kurzerhand abgeflext, um eine möglichst schmale Gabel nutzen zu können. Micha will breite Speichen einsetzen, rechnet genau aus, was für Speichen passen und wie viele er davon braucht. Vorm Einspeichen müssen noch eigene Distanzhülsen angefertigt werden. Beim Hinterrad dasselbe Spiel, dort sind die Speichen noch einen Tacken breiter als vorn.

Viele Arbeit: Der Öltank wurde ins Spritgefäß integriert

Nächste Herausforderung wird der Tank. Dass der von einer Simson SR2 stammen würde, war gesetzt, »einfach ein geiler Tank«, wie Micha sagt. Allerdings besteht viel Arbeit darin, den Öltank, der aus optischen Gründen gewichen war, ins Spritgefäß zu integrieren. So wird der Tank mit den Freunden in zwei Hälften geteilt und ein Blech eingeschweißt, das Öl und Benzin trennt. Für die cleane Optik hatte Micha alle Halterungen am Rahmen entfernt, die neuen Tankhalterungen wandern unters Gefäß, nahezu unsichtbar. Dazu wird ein Pop-up-Deckel eingelassen.

Schwerer als gedacht: Die im Internet ersteigerte Trapezgabel muss aufwendig umgearbeitet werden, damit sie an die TRW passt

Clean auch der Lenker, der den Gaszug innenliegend führt. »Die beste Option für die Optik des Bikes«, erklärt Micha. Bleibt als letzter Schritt die Lackierung, der Fachmann ist in seinem Element. Rahmen und Speichen glänzen nun in Gold-Orange. Tank, Lampe und Fender in Javagrün, kombiniert mit Schwarz und Weiß. Die Lackierung ist der letzte gelungene Schritt zu einem in sich stimmigen Motorrad, hier passt alles zusammen.

 

 

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.