Trikes kennen wir in Deutschland seit den 1980er Jahren. Trikes polarisieren – und sie haben seit diesen Tagen eine radikale Wandlung hinter sich gebracht. Doch wo lag der Ursprung der Trike-Kultur und wer waren die Pioniere? Wir blicken zurück in das Kalifornien der sechziger Jahre.

Sicherlich war der deutschstämmige Eduard Roth nicht der Erste, der aus einem unscheinbaren dreirädrigen Harley-Davidson Servi-Car einen chromblitzenden Hingucker machte. Aber er schaffte es, die Aufmerksamkeit der Medien auf die neuen Spielzeuge zu lenken und so wurde der Krooze Wagon 1965 das erste einer ganzen Reihe von Roth-Trikes. »Jake« Jacobs, der die Basis des Trikes mit dem Crosley-Motor eigentlich aufgebaut hatte, wollte nicht mehr, als es an die Anfertigung des Aufbaus ging.

Typisch deutsch? Aus Cruise wurde Krooze

Ed »Big Daddy« Roth war durch seine Funny Cars bekannt für einzigartige Glasfaserkarosserien, also entstand bei ihm eine solche hintere Partie für den Krooze Wagon. Die Deutschen mussten wohl alles mit dem harten »K« schreiben, so wurde aus einem Cruise eben Krooze. Bald jedoch wurde das Trike in Mail Box umbenannt, weil auffiel, dass es ziemliche Ähnlichkeit mit einer Zeichnung Ed Newtons hatte, die in Roths Zeitschrift Choppers Magazine (ja, Big Daddy war unter anderem auch Verleger) als Aufmacher für die Leserpost abgebildet war.

Vordenker: Customizer und Chopper-Magazin-Herausgeber Ed »Big Daddy« Roth beim Bearbeiten von Leserzuschriften

1967/68 entstand in den Roth Studios sein nächstes Trike, der Candy Wagon. Wiederum mit einem GfK-Aufbau am Heck, der quasi in einer über die Kopfhöhe hinaus gepolsterten Rückenlehne endete. Der Candy Wagen hatte den relativ kraftlosen 750-ccm-Harley-Motor des serienmäßigen Servi-Cars und musste in manchen Shows auch noch einen passend gestylten Anhänger ziehen, der dann als Verkaufsstand für Süßigkeiten ausgelegt war. Im Juli 1969 hatte es Stuntman und Customizer Garry Littlejohn mit seinem rosafarbenen Trike »Cinderella Cart« – mit Sechszylinder-Corvair-Motor – auf die Titelseite des Choppers Magazine geschafft.

Ein Trike mit vier Hinterrädern ist eigentlich keines

Tom McMullen von AEE trat mit seiner Version eines Corvair-Trikes in einem fotografisch begleiteten, freundschaftlichen Rennen gegen Ed Roth auf dem Candy Wagon an. AEE startete noch vor Weihnachten einen nächsten Knüller: Das »Big-Twin-Trike« (das mit vier hinteren Rädern eigentlich keines war), mit zwei Sportster-Motoren und einer Blechkarosse. Doch längst galten die leichten Glasfaserkarosserien für Trikes als für gut befunden.

Showcase: AEE, Anfang der 70er-Jahre größter Kataloganbieter für Chopperteile, präsentierte sein Big-Twin-Trike (mit zwei Sportster-Motoren ausgestattet) neben anderen Choppern auf den angesagten Shows

Randy Smith von Custom Cycle Engineering baute sein »Killer Frog«-Trike mit einer solchen – ohne Rückenlehne – auf, und auch Art Himsl, seines Zeichens Lackierer, Show-Car-Erbauer und Veranstalter von Custom-Shows, konstruierte seine »Preying Mantis« mit einer sicherlich vom Candy Wagon inspirierten Glass-Body-Karosse. Auf der 1969er Oakland Roadster Show gewann Himsls Trike den »Custom Bike of the Year«-Preis. Und natürlich wurde die Preying Mantis in Roths Choppers Magazine vorgestellt, wobei nicht unerwähnt blieb, dass der Himsl-Trike-Body in Kleinserie hergestellt wird. 

VW-Trikes: Siegeszug des Käfermotors

Ed Roth selbst war seit seinen Anfängen als Auto-Designer auf dieses Material eingeschossen, beschritt aber antriebstechnisch nun einen anderen Weg. Mit »American Beetle« präsentierte er 1968 das erste VW-Trike. Ed nutzte Motor und Hinterachse eines VW Käfers und beim ersten Modell noch eine Honda-Vordergabel mit Rad. Später ging er dazu über, kurze, stabile Springergabeln einzubauen. Dick Allen und Ed Roth, »die« Chopper-Pioniere der USA, hatten sich 1969/1970 zusammengefunden, um California-Cobra-Trike-Kits mit V8-Motoren zu verkaufen.

Joint Venture: Chopperpionier Dick Allen auf einem California Cruiser. Er baute zusammen mit Big Daddy Roth die massiven California Cruiser. Später bezeichnete Roth die Trikes als Todesfallen

Bei diesen Trikes wurden bei Dick Allen die Fahrwerke und bei Ed Roth die Glasfaser-Bodys gefertigt. Angeblich sollen von Dick Allen 12 Cobra-Trikes gebaut worden sein. In Zusammenhang mit Dick Allens damaligem Shop-Partner Leon Dailey muss gesagt werden, dass es – entgegen der landläufigen Meinung – Leon war, der schon 1968 das erste dieser V8-Trikes aufgebaut hatte. Nach dieser Sicht wird allerdings von über 20 Cali-Cobra-Trikes geredet; wohl weil Dailey (nach der Beendigung des Allen/Roth-Joint-Ventures wegen finanzieller Zerwürfnisse) fortfuhr, die Trikes komplett – inklusive der GfK-Bodys – selbst zu bauen.

Anfang der 80er Jahre kamen die Trikes nach Deutschland

Ed »Big Daddy« Roth hatte in der Zeit massive Geldprobleme, musste mehrere seiner Show-Kreationen und auch seine Zeitschrift Choppers Magazine verkaufen. Einige Zeit war von ihm nichts mehr zu hören, dann war er 1976 mit den Trikes »Great Speckled Bird« und »Secret Weapon« wieder da. US-Firmen wie Trikes by Will-Mac oder Trikes by Styres und The Trike Shop, hatten längst Big Daddy Roths Stil aufgegriffen. Sie entwickelten ihn weiter und verkauften VW-Kit-Trikes, wie wir sie dann Anfang der achtziger Jahre auch in Deutschland sahen.

Tribute-Trike: Restaurator und Ed »Big Daddy« Roth-Fan Mark Moriarity schuf ein Trike, das den Candy Wagon als Vorbild hatte. Mark nahm als Antrieb einen Crosley-Vierzylinder, wie ihn Roth im verwirklichten »Mail Box«-Trike eingebaut hatte

Dipl.-Ing. Fecht gilt als der Trike-Pionier Deutschlands. Er hatte aus den USA ein Trike mitgebracht und durch langwierige Tests und Fahrversuche alle TÜV-Hürden genommen. WK, Fecht, CCS, Rassler, Rewaco, Triketec, Boom und Easy Trike führten die Tradition des Trikebaus bei uns fort. Schon 1973 wurden in Schweden Trikes gesichtet, die entgegen der üblichen Bauweise VW- und Porsche-Motoren wie am Motorrad nach vorne verlegt hatten. Die Zeitschrift »Colorod« hatte damals, zusammen mit Anders Lake, so ein Projekt im Heft begleitet. 

VW-Trike mit 1800er Boxer und Porsche-Getriebe

Während in Deutschland die Trike-Welle gerade mal so plätscherte, versuchte sich Ed Roth 1987 nochmal mit einem VW-Trike. Beim »Globe Hopper« setzte er auf einen 1800-ccm-VW-Boxer und ein automatisches Getriebe aus einem Porsche 914. Die Einspritzung ersetzte er durch zwei SU-Vergaser. Mit dem Show-Trike, das irgendwie an einen 1934er Ford Roadster erinnerte, fuhr er von Kalifornien bis Alaska auf eigener Achse.

Cali-Cruiser: Wolfgang Dieckhoffs Cali-Cobra-Karosse war einer von drei Bodys, die Leon Dailey von der originalen Form des ersten Ed-Roth-Entwurfs machte

Es ist still ist geworden um die VW-Trikes. In den USA sehen sich Arizona Custom Trikes oder Ratraceproductions als Bewahrer der Tradition. Während sich bei uns die Trike-Bau-Firmen von den schwierig zu beschaffenden Käfer-Motoren lossagten und sich mit Neukonstruktionen und moderneren Auto-Motoren ins neue Jahrtausend retteten, wurden in Amerika sogenannte Conversion-Kits populär. Das sind Bausätze für Trikes, die eine Honda, Kawasaki, Suzuki, Harley-Davidson oder Indian als Basis haben. Natürlich sind auch komplette, schlüsselfertige Trikes erhältlich. Einen Markt dafür scheint es zu geben. Schauen wir uns die zwei großen Anbieter an.

Das Verlangen nach Umbauten von Motorrädern zu Trikes wurde deutlich

Da wäre zum einen Roadsmith im US Staat Minnesota. Damals, 1972 nannten sie sich »The Trike Shop«, boten auch sie ihre ersten Trike-Kits für Volkswagen-Motoren an. In den Achtzigern wurden die Modelle luxuriöser und für Überlandfahrten tauglicher. Intensive Kundenbefragungen zeigten Verbesserungsansätze und Wünsche der Fahrer. Das Verlangen nach Umbauten von Motorrädern zum Trike wurde deutlich. Mit dem einsetzenden Boom in der Trike-Industrie kamen auch alle möglichen »Trike Shops« hinzu. Die Firma im Mittleren Westen der USA musste dringend ein Güte-Label etablieren, was sie 2006 mit der Marke »Roadsmith« für ihre Trikes auf Basis japanischer und amerikanischer Motorräder erfolgreich taten.

Movie Stars: Viele solcher Trikes wurden ganz speziell auf Anfrage von Filmproduzenten gefertigt

2011 stellte Roadsmith ein komplett überarbeitetes Design für ihre Harley-Davidson-Trike-Conversion-Reihe, die HDTR, vor und bekam auch den Preis »Motorcycle Design of the Year« auf der jährlichen V-Twin Expo. Und natürlich gibt’s nun auch von der Indian Roadmaster ein Roadsmith-Trike von The Trike Shop. Als zweite große US Firma kommt die Marke Lehmann ins Spiel. John Lehman baute 1984 , in Westlock/Kanada,  sein erstes Trike mit einem Chevrolet-Differential und dem Rahmenvorbau samt Motor einer Honda CB 900 Custom. Schon beim zweiten Trike nahm er als Basis die Gold-Wing GL 1200.

Lehmann war wohl der erste, der eine Gold-Wing als Trike aufbaute

Damit war er wahrscheinlich der erste, der eine Gold-Wing als Trike aufbaute. Anfangs mit einem hölzernen Aufbau versehen, kam später ein GfK-Body zum Einsatz und Lehman Industries legte extrem los. Die Firma, die von Anfang an Trikes aus Motorrädern baute, wurde nach dem Tode John Lehmans in die USA verkauft. 2008 wurde ein Vertrag mit Harley-Davidson besiegelt, in dem sich Milwaukee die Kapazitäten von Lehman als Lieferant für Komponenten, Lack und den Umbauservice in der Herstellung des Harley Dreirades Tri-Glide sicherte.

Trikes in Deutschland: Boom, CCS, Easy Trike, Fecht, Rassler, Rewaco, Triketec und WK – all diese Firmen fertigten Dreiräder mit Käfer-Motor im Heck. Im Bild ein WK-Zweisitzer mit 345er-Bereifung aus den Neunzigern

Der ins Alter gekommene Ed Roth wollte es 1995 noch einmal wissen. Er ging für ihn gänzlich neue Wege, indem er für das »Rubber Ducky«-Trike einen Kevlar-Body baute, der als Benzintank fungierte, mit einem Inhalt von 26 Gallonen. Als Antrieb für das Leichtgewicht diente ihm ein 600-ccm-Honda-Motor. In einem seiner Interviews meinte Ed Roth, die V8-Trikes wären lebensgefährlich. Einige seiner Kumpels hätten damit den Tod gefunden oder schwere Verletzungen davongetragen. Ironischerweise war die letzte Arbeit von Big Daddy so ein V8-Trike mit einem Corvette-Alu-Motor. Er starb am 4. April 2001, an einem Herzinfarkt, noch bevor er es fertigstellen konnte.

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.